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Länderfusion mit Württemberg

50 Jahre Volksabstimmung: Baden wurde erst ausgetrickst, dann ausgebremst

Zum 50. Mal jährt sich am 7. Juni die finale Volksabstimmung über Baden-Württemberg: Im Jahre 1970 durften die Badener noch einmal darüber abstimmen, ob sie im fusionierten Bundesland bleiben oder wieder selbstständig werden wollten. Das Ergebnis war ernüchternd.

Plakat-Kampagnen: Vor der zweiten Abstimmung 1970 punktete das junge Bundesland Baden-Württemberg mit seiner Wirtschaftskraft. Nur noch rund 18 Prozent der Badener wollten zurück zur Selbstständigkeit. Vor der Abstimmung 1951 warb man für eine friedliche Fusion der badischen und württembergischen Streithähne.
Plakat-Kampagnen: Vor der zweiten Abstimmung 1970 punktete das junge Bundesland Baden-Württemberg mit seiner Wirtschaftskraft. Nur noch rund 18 Prozent der Badener wollten zurück zur Selbstständigkeit. Vor der Abstimmung 1951 warb man für eine friedliche Fusion der badischen und württembergischen Streithähne. Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg/BNN-Collage

Die Chance zur Revanche kommt schlicht zu spät – viel zu spät: Als die Badener am 7. Juni 1970 endlich noch einmal darüber abstimmen dürfen, ob sie weiterhin zum Bundesland Baden-Württemberg gehören oder wieder selbstständig werden wollen, da ist die Wut bei vielen längst verraucht. Der aufstrebende Südweststaat ist seit gut 18 Jahren eine Realität.

Die Menschen genießen den wachsenden Wohlstand. Dass die Badener einst mit einem Trick in das neue Bindestrich-Bundesland gezwungen wurden? Ja, das ist bekannte Tatsache. Doch die jüngeren Wahlberechtigten können sich persönlich gar nicht an diesen Aufreger erinnern. Allerdings macht sich der „Heimatbund Badenerland“ in jenem Frühjahr 1970 ernste Hoffnung auf eine Rückkehr zu alten Verhältnissen. Seine optimistische Prognose lautet: Gut 57 Prozent der Wähler werden pro Baden votieren. Da irren die badischen Patrioten gewaltig.

Nur 18,1 Prozent der Badener wollen die Länder-Ehe beenden

Nach Auszählung der Stimmen müssen sie eine bittere Enttäuschung verkraften. Gerade einmal 18,1 Prozent der Stimmen konnten die Unabhängigkeits-Verfechter hinter sich versammeln. Die überwältigende Mehrheit von 81,9 Prozent hat sich für Baden-Württemberg ausgesprochen. „Deutlicher konnte der Volkswille nicht zum Ausdruck kommen“, urteilt der Freiburger Historiker Wolfgang Hug später. Dass die Altbadener den jungen Südweststaat im Wahlkampf als „Unrechtsstaat“ bekämpfen, hat also nicht verfangen. Eher hat die Wirtschaftskraft des jungen Bundeslandes überzeugt: Es ist im Abstimmungsjahr der Industrie-Standort Nummer zwei in Deutschland, hinter Nordrhein-Westfalen.

Und es gibt Zahlen, die eher darauf hindeuteten, dass ein selbstständiges Baden kleinere Brötchen backen müsste: Das größere Württemberg kommt demnach im Jahr 1969 auf Industrie-Umsätze in Höhe von 45,8 Milliarden D-Mark, das kleinere Baden auf 32, 6 Milliarden D-Mark. „Auch die Pro-Kopf-Steuererträge blieben im badischen Landesteil deutlich hinter denen im Württembergischen zurück“, schreibt Historiker Hug. „Tatsächlich hatte der badische Landesteil in manchen Bereichen überdurchschnittlich viele Zuwendungen vom Land bekommen.“

Plakat zur badischen Volksabstimmung 1970
Plakat zur badischen Volksabstimmung 1970 Foto: Stadtarchiv/Schlesiger

Heute stellt die „Landesvereinigung Baden in Europa“ umgekehrte Verhältnisse fest und rechnet vor, dass der badische Landesteil unterfinanziert sei. Doch 1970 verteilt die Landesregierung noch Zuckerle. Warum die Existenz Baden-Württembergs in jenem Jahr überhaupt noch einmal per Abstimmung in Frage gestellt wird? Das geht auf die Schmach des Jahres 1951 zurück. Unter dem Druck der Besatzungsmächte und der jungen Bundespolitik sollte Baden-Württemberg als Musterbeispiel für eine territoriale Neugliederung entstehen – mit Zustimmung der Bevölkerung.

Doch nach welchem Modus sollten die Einwohner über einen neuen Südwest-Staat abstimmen? Das war 1951 die heiß umstrittene Frage.

Der Trick mit den vier Abstimmungsbezirken

Denn das alte Baden und das alte Württemberg waren da bereits zerschlagen und teils zwangsvereinigt: Im Norden hatten die Amerikaner in ihrer Besatzungszone 1945 das vorläufige Land Württemberg-Baden gegründet. Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart und die wichtige Autobahn 8 lagen in diesem Kunstgebilde. Die Franzosen kontrollierten im Süden die provisorischen Länder Württemberg-Hohenzollern und (Süd-)Baden, wo Leo Wohleb die badischen Interessen verfocht. Klar schien 1951: Würde man das frühere Baden als Ganzes abstimmen lassen, käme dort zumindest eine knappe Mehrheit gegen die Länderfusion zustande.

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Plakat-Kampagnen: Vor der zweiten Abstimmung 1970 punktete das junge Bundesland Baden-Württemberg mit seiner Wirtschaftskraft. Nur noch rund 18 Prozent der Badener wollten zurück zur Selbstständigkeit. Vor der Abstimmung 1951 warb man für eine friedliche Fusion der badischen und württembergischen Streithähne. Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg

Der Weinheimer Unternehmer und FDP-Politiker Richard Freudenberg ersann den entscheidenden Trick: Vier Abstimmungsbezirke müssten her. Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg sollten je getrennt über die Gründung des neuen Bundeslandes entscheiden. Die Altbadener legten vergeblich Beschwerde beim jungen Bundesverfassungsgericht ein. Am 9. Dezember 1951 wurde das Schicksal Badens besiegelt: Die vier Bezirke stimmten mit 3:1 für die Gründung des Südweststaates. Nur die Südbadener hatten sich mit 62,2 Prozent der Länderfusion verweigert.

Im städtisch und industriell geprägten Nordbaden stimmten 57,1 Prozent für die Länder-Ehe. Hätte man Baden als Ganzes abstimmen lassen, wäre eine dünne Mehrheit von 52,2 Prozent zustande gekommen. Baden war nicht ganz so eine verschworene Gemeinschaft, wie mancher Patriot es empfand. Viele Kurpfälzer fremdelten in dem Land, dem sie einst unter Napoleon zugeschlagen wurden.

14 Jahre müssen Altbadener auf Revanche warten

Und nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Heimatvertriebene ins Badische gezogen, denen badisch-schwäbische Animositäten gleichgültig waren. Aber die Altbadener zogen noch einmal vors Bundesverfassungsgericht.

Der Wille der badischen Bevölkerung sei bei der Abstimmung „überspielt worden“, urteilten die hohen Richter. Der Weg für ein Volksbegehren 1956 war frei – doch für die finale Volksabstimmung musste der Bundestag zuerst ein Gesetz einbringen. Und das zögerte die Politik so lange hinaus, bis viele Baden-Vorkämpfer grauhaarig geworden waren: 14 Jahre mussten sie bis zur Abstimmung 1970 warten. Sie kam zu spät für eine Revanche.

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