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Umzug oder Jobwechsel?

Abellio-Zug verpasst Haltepunkt: Der tägliche Ärger der Pendler

Die Ärgernisse im Rahmen des Betreiberwechsels auf dem Stuttgarter Bahnnetz ist um mindestens ein Kapitel reicher: Zug verspätet sich am Haltepunkt Bruchsal-Helmsheim, kommt nicht rechtzeitig zum stehen - und fährt dann einfach weiter.

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Brusel Foto: pr

Die Ärgernisse im Rahmen des Betreiberwechsels auf dem Stuttgarter Bahnnetz ist um mindestens ein Kapitel reicher: Zug verspätet sich am Haltepunkt Bruchsal-Helmsheim, kommt nicht rechtzeitig zum stehen - und fährt dann einfach weiter. Der neue Betreiber Abellio erklärt, Neufahrzeuge seien mit einer unzureichenden Software ausgestattet. Pendler indes reagieren immer genervter auf die Situation.

Nella Impagliatelli verbindet mit Bahnsteigen mittlerweile mehr als nur das Warten auf den Zug. Die Bruchsalerin hat auf der länglichen roten Fläche mit weißen Kacheln schon gute Freunde gefunden, viel gelacht und auch geflucht. „Gerade bin ich kolossal frustriert“, sagt sie. Die 51-jährige Bankmitarbeiterin fährt mit der Bahn vom Bruchsaler Ortsteil Helmsheim nach Stuttgart. Impagliatelli geht es wie vielen Pendlern aus Bretten, Mühlacker oder auch Pforzheim: Sie kommt viel zu oft zu spät.

Verspätungen bei allen Anbietern

Im Juni hatte Abellio das Stuttgarter Netz übernommen. Der Bahnanbieter kämpft bis heute mit Problemen, auch weil Hersteller Bombardier Züge nicht oder zu spät geliefert hat. Auch bei der Deutschen Bahn oder dem Anbieter Go-Ahead (Pforzheim-Stuttgart) ist Verspätung kein Fremdwort. Impagliatelli jedenfalls ist bedient. „Seit Monaten gibt es keine Woche, die einwandfrei funktioniert“, sagt sie.

Auch andere Pendler berichten den BNN von Verspätungen. Teilweise, so ist zu hören, drohe sogar der Verlust des Arbeitsplatzes. Ein Beispiel aus Impagliatellis Fahrten: An einem Tag kam sie 40 Minuten zu spät auf die Arbeit. Morgendliche Termine wackeln. „Und die Zeit hängt man dann abends dran, um sich dann wieder mit Freude ins nächste Zugchaos zu stürzen.“ Abends: Zugausfall. Sie kam erst um 20.50 Uhr daheim an, eine Stunde und 20 Minuten später als geplant. Zuhause muss sie sich noch um Hund, Katze und Papageien kümmern. „Da hört der Spaß auf. An Haushalt oder Sport ist dann nicht mehr zu denken.“

Den Haltepunkt verfehlt

Und so überlegt Impagliatelli gar, ob sie Bruchsals kleinsten Ortsteil trotz schönem Eigenheim verlassen muss oder ob der Job in Stuttgart noch das Richtige ist. „Ich hänge aber an beidem“, sagt sie.

Eine Regionalbahn von Abellio steht am Hauptbahnhof in Pforzheim. Von hier geht es jetzt einige Male am Tag weiter bis Karlsruhe. Eine Verbesserung, für die politisch hart gerungen wurde.
Weiterfahrt in Pforzheim: Die Regionalbahn von Abellio fährt jetzt dreimal täglich bis Karlsruhe durch – und von dort wieder zurück. Eine Verbesserung, für die politisch hart gerungen wurde. Foto: René Ronge

Nach einem ärgerlichen Höhepunkt wendete sie sich an die BNN. „Das hatten wir auch noch nicht“, erzählt sie. Um 7.32 Uhr sollte die Bahn in Helmsheim halten. Sechs Minuten später trifft eine mit hoher Geschwindigkeit ein – sie kommt nach einer starken Bremsung erst weit hinter dem Bahngleis zum Stehen. Drei Minuten lang steht sie dort. „Wir haben uns am Bahnsteig angeschaut und gedacht, das ist ein schlechter Scherz und es springt gleich ein Kollege der versteckten Kamera aus dem Gebüsch“, sagt Impagliatelli.

Zurücksetzen des Fahrzeuges nicht möglich

Die Bahn sei ungeplant am Haltepunkt vorbeigefahren, heißt es auf BNN-Nachfrage bei Abellio. Man entschuldige sich für das Missgeschick, teilt eine Sprecherin mit. Der Triebfahrzeugführer habe dann nach Rücksprache mit der Fahrdienstleitung weiterfahren müssen. „Ein Zurücksetzen des Fahrzeuges ist leider nicht ohne weiteres möglich“, erklärt die Sprecherin.

Die generellen Probleme begründet Abellio mit der jüngsten Umstellung auf „Talent-2“-Fahrzeuge. Eine Sprecherin erklärt: „Die Umstellung verlief leider nicht reibungslos, da die vom Hersteller Bombardier gelieferten neun Neufahrzeuge einige Mängel aufweisen. Insbesondere die Zugsoftware ist instabil und nicht in dem von uns bestellten Zustand, so dass immer wieder technische Störungen auftraten.“ Einige Techniker von Bombardier seien vor Ort, erste Besserungen seien eingetreten.

Es geht nicht ohne Sarkasmus

Das Verkehrsministerium hat mit Abellio vereinbart, dass eine Verspätung offiziell ab 3:59 Minuten registriert wird. So gesehen gibt es für die Halte Bruchsal und Mühlacker laut Abellio Pünktlichkeitswerte zwischen 80 und 85 Prozent.

Für Pendlerin Impagliatelli geht es vorerst nicht ohne Sarkasmus. Mit anderen Wartenden spielt sie „Bingo“ und versucht im Voraus zu erraten, warum der Zug zu spät kommt. „Wenn man gemeinsam strandet und den Leidensweg geht, entstehen Freundschaften“, sagt sie. „Wir warten alle auf bessere Zeiten.“

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