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Corona belastet Prüfungen

Abiturienten in Rastatt kämpfen mit der Motivation

Am 18. Mai gehen die Abiturprüfungen im Land los. Wegen Corona hatten die Schüler wochenlang keinen Präsenzunterricht, das Lernen erfolgte vielfach in Eigenregie. Dennoch seien die Schüler nicht im Nachteil, sind die Direktoren zweier Rastatter überzeugt. Die Abiturienten sind anderer Meinung.

Probesitzen: Markus Braun, Direktor des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums in Rastatt, testet Tisch und Stühle in der Turnhalle. Ab kommendem Montag schreiben dort seine Schüler ihre Abschlussprüfungen.
Probesitzen: Markus Braun, Direktor des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums in Rastatt, testet Tisch und Stühle in der Turnhalle. Ab kommendem Montag schreiben dort seine Schüler ihre Abschlussprüfungen. Foto: Collet

Eigentlich wäre bei den Abiturienten im Land jetzt Party-Stimmung angesagt. Mathe, Deutsch, Englisch, alle Klausuren wären in trockenen Tüchern. Wären. Wegen der Corona-Pandemie hat die Landesregierung sämtliche Prüfungstermine verschoben. Weshalb in den kommenden zwei Wochen weniger Feiern, dafür aber umso mehr rauchende Köpfe anstehen.

Zwischen dem 18. und 29. Mai soll es nun – nach einigem Hin und Her – tatsächlich soweit sei. An den Allgemeinbildenden Gymnasien geht es am Montag mit Spanisch, Italienisch und Portugiesisch los. Die Schüler schreiben dann ihr Abitur nach etlichen Wochen ohne Präsenzunterricht, stattdessen mit häuslichem Lernen und einer 14-tägigen Auffrischung in den Prüfungsfächern.

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Da stellt sich die Frage: Sind Oberstufenschüler in diesem Jahr Krisen-bedingt benachteiligt? Was macht es mit einem Schüler, wenn er über lange Zeit nicht weiß, ob und wann er sein Abitur tatsächlich schreibt? Wenn ihm die Gemeinschaft und der direkte Kontakt mit den Lehrern fehlen?

Die Pflicht-Inhalte hatten die Kollegen schon vor der Corona-Pause vermittelt.
Markus Braun, Schulleiter des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums in Rastatt

Die Direktoren des Ludwig-Wilhelm-Gymnasiums (LWG) und des Tulla-Gymnasiums in Rastatt sehen ihre Prüflinge vonseiten des Kollegiums jedenfalls gut vorbereitet. „Die Pflicht-Inhalte hatten die Kollegen schon vor der Corona-Pause vermittelt“, sagt LWG-Schulleiter Markus Braun. In der Zeit des häuslichen Lernens hätten die Lehrer dann „regelmäßig Angebote gemacht, Abitur-relevante Themen zu vertiefen“.

Dies bestätigt seine Amtskollegin Andrea Rösch vom Tulla-Gymnasium. „Der Stoff wurde überall im Unterricht behandelt. Nur die Wiederholungsphase ist online gelaufen.“ Nachteile sieht sie durch Corona keine, eher das Gegenteil. „Ich denke nicht, dass sie schlechter dran sind. Diejenigen, die die Zeit genutzt haben, sind sogar besser dran.“ Erstens hätten sie mehr Zeit zum Lernen gehabt, zweitens habe Kultusministerin Susanne Eisenmann schon im März angekündigt, das Abitur werde nicht schwer.

Schüler bemängeln fehlende Wiederholung, Routine und Kontinuität

Bei den betroffenen Schülern klingt die Antwort auf die Frage nach Nachteilen allerdings ganz anders. Übereinstimmend berichten sie über Verunsicherung, schlechtere Vorbereitung und über nachlassende Motivation durch den verschobenen Prüfungstermin.

„Uns fehlen eine intensive Wiederholungsphase, Routine und Kontinuität“, sagt Antonija Prgomet, die am Tulla-Gymnasium ihr Abi schreibt. Es sei ihr schwergefallen, sich selbst zu motivieren und nebenbei noch zwei jüngeren Geschwistern zu helfen. „Da war schnell mal 16 Uhr und ich hatte noch nichts gemacht.“ Ähnlich äußert sich ihre Stufenkameradin Jana Finkers. „Uns Abiturienten haben sie die Eigenverantwortung aufgebrummt. Mir aber ist es schwer gefallen, in den Fluss zu kommen.“

Dem Schüler kommt eine viel größere Eigenverantwortung zu.
Sara Kippler, Abiturientin

Ähnliche Stimmung am LWG: „Dem Schüler kommt eine viel größere Eigenverantwortung zu“, sagt Sara Kippler. Und weiter: „Wenn man sich vorbereitet und das Abi aber doch erst vier Wochen später stattfindet, frustriert das. Jetzt noch einmal vier Wochen lang zu wiederholen, erfordert hohe Disziplin.“

Auch Merit Tiede vom LWG berichtet über sinkende Motivation, vor allem, weil „alle Belohnungen fürs Abi wie Abistreich und Abiball wegfallen“.

Schülerin: Abitur "mit pädagogischem Augenmaß" ist zynisch

Alternativ zum späteren Prüfungstermin hatte das Kultusministerium diskutiert, die Prüfungen ausfallen zu lassen und die Abiturnote aus den Vornoten zu ermitteln. Andere europäische Länder wie Spanien und Portugal haben sich dazu entschieden. Antonija wäre dieses Modell lieber gewesen. „Die Äußerung von Frau Eisenmann ’mit pädagogischem Augenmaß’ finde ich zynisch und nicht gut, wenn es vergleichbar sein soll. Ich möchte ein vergleichbares Abitur haben“, sagt sie.

Jana geht in die ähnliche Richtung, bevorzugt aber die Prüfung. „Wenn wir nicht schreiben würden, hätte es von allen Seiten geheißen, wir hätten es geschenkt bekommen. Wir wären die mit dem Corona-Abi.“

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Dritter Nachtermin ist nach den Sommerferien vorgesehen

Ein dickes Fragezeichen steht bei vielen auch über der Zeit nach der Schule. Merit will für ein Jahr nach Griechenland gehen und hofft nun, dass dies möglich ist. „Das will ich unbedingt machen und fände es schade, wenn mir noch etwas durch Corona genommen würde.“

Sara kämpft sich Ende Juli parallel zur mündlichen Prüfung durch den Medizinertest – den sie eigentlich im Mai längst hätte erledigen wollen.

Sowieso hängt noch immer das Damoklesschwert „Coronavirus“ über der Allgemeinen Hochschulreife. Sollte nämlich ein Schüler oder Lehrer erkranken, entscheidet das Gesundheitsamt über „die erforderlichen Maßnahmen“. Wie das Kultusministerium auf Nachfrage dieser Redaktion mitteilt, könnte dann die ganze Schule geschlossen werden.

„Die Prüfungen, die deshalb nicht stattfinden können, müssten am ersten oder zweiten Nachtermin durchgeführt werden“, informiert das Ministeriums. Zudem sei bei Bedarf ein dritter Nachtermin, voraussichtlich im September, vorgesehen. Womit das Lernen im Fall der Fälle dann noch einmal – oder zweimal oder dreimal – von vorne losginge.

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