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Sorgen wegen Coronavirus

"Absolute Auslastungsgrenze": RKH-Kliniken senden Hilferuf an Gesundheitsminister Spahn

Große Sorge um die künftige Sicherheit der klinischen Notfallversorgung macht sich die Regionale Kliniken Holding (RKH), die im Landkreis Karlsruhe, Ludwigsburg und dem Enzkreis neun Kliniken betreibt. In einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn beklagt die RKH nun ihre Situation.

Die Klinken der RKH, zu denen auch die Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal gehört, sehen ihre Notfallversorgung gefährdet.
Die Klinken der RKH, zu denen auch die Fürst-Stirum-Klinik Bruchsal gehört, sehen ihre Notfallversorgung gefährdet. Foto: Alàbiso

Große Sorge um die künftige Sicherheit der klinischen Notfallversorgung macht sich die Regionale Kliniken Holding (RKH), die in den Landkreisen Karlsruhe und Ludwigsburg sowie dem Enzkreis neun Kliniken betreibt. In einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beklagt die RKH nun ihre Situation. Besonders mit Blick auf eine drohende Grippewelle oder der weiteren Ausbreitung des Coronavirus stelle die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung für die Kliniken ein Hindernis dar.

„Wir müssten Patienten abweisen, um keine Strafen zu bezahlen. Das widerspricht unserem Selbstverständnis“, sagt RKH-Sprecher Alexander Tsongas. Die Hauptmisere sei der Mangel an Fachkräften gekoppelt mit Überlastung, etwa durch saisonale Grippewellen.

Kliniken versuchen Auftrag gerecht zu werden

Die RKH betreibt unter anderem die Fürst-Stirum-Klinik in Bruchsal, die Rechbergklinik in Bretten sowie die Krankenhäuser in Mühlacker und Neuenbürg. "Unsere Kliniken arbeiten aktuell an der absoluten Auslastungsgrenze, um ihrem wichtigsten und vornehmsten Auftrag, der Versorgung medizinischer Notfälle, gerecht zu werden", heißt es in dem Schreiben, das im Namen von dem RKH-Geschäftsführer Jörg Martin an Minister Spahn versendet wurde.

Weitere Eskalationen gefährden Patientenversorgung

Jede weitere Eskalation des Notfallaufkommens, dazu zählt neben der saisonalen Grippewellen auch die angespannte Lage durch Infektionen mit dem Coronavirus in Deutschland, würde unweigerlich dazu führen, dass Patienten nicht mehr behandelt würden können.

Vorhandene Restkapazitäten der Kliniken dürfe man aufgrund der Untergrenzen-Verordnung nicht ohne mögliche Strafe auffüllen. Dennoch betont Martin in einer späteren Pressemitteilung, dass die Versorgung für Patienten mit Grippe- oder Coronavirus-Infektionen grundsätzlich gewährleistet und man vorbereitet sei.

Untergrenze steht Notfällen im Weg

Susanne Stalder, Regionaldirektorin der RKH-Kliniken in Bruchsal und Bretten, erklärt das Problem wie folgt:  Eine Station mit 44 Betten benötige aufgrund der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung pro Schicht eine gewisse Anzahl an qualifizierten Pflegekräften. Mit der derzeitigen Personalausstattung dürfe man aber nur 40 davon belegen. "Diese vier Betten würden dann wiederum für die Versorgung der Patienten fehlen."

Strafzahlungen werden in Kauf genommen

Beide Häuser in Bretten und Bruchsal seien zu über 90 Prozent belegt. Die Kliniken seien etwa durch Grippe-Fälle bereits an ihren Grenzen. "Die Notfallversorgung hat jedoch immer Vorrang", so Stalder. Strafzahlungen, die bei Bruch der Untergrenzen-Verordnung drohen, nehme man seit Januar in Kauf. Denn einfach verlegen können man Kranke nicht. Schließlich seien alle Kliniken in der Region ausgelastet.

Helfer zählen auf dem Papier nicht

Eine Unterversorgung in dem Sinne gebe es aber nicht, sagt Stalder: "Krankenpflegehelfer etwa betreuen Patienten, zählen aber auf dem Papier mit Blick auf die Verordnung nur anteilmäßig.“ Diesen Punkt greift auch das Schreiben der RKH an Spahn auf.

Fachpersonal fehlt zur Umsetzung der Verordnung

Grundsätzlich begrüße man die Regelung, so Geschäftsführer Martin. "Die gegenwärtige Realität stellt sich jedoch ganz anders dar: Praktisch jedes Krankenhaus hatte und hat zur Umsetzung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung personellen Aufstockungsbedarf, und dies bei einem de facto leer gefegten Arbeitsmarkt." Die erforderliche Zahl an Gesundheits- und Krankenpflegern sei kurzfristig nicht rekrutierbar, heißt es weiter.

RKH fordert Umdenken

"Diese Situation erfordert ein schnelles Umdenken in der Politik, um die Versorgung insbesondere von Notfallpatienten, Intensivpatienten aber auch von Frühchen in Ihrem Landkreis nicht zu gefährden", so Jörg Martin. Der Ernst der beschriebenen Lage gebe den Kliniken Anlass, eindringlich um Unterstützung und Änderungen zu bitten.

Regionale Kliniken Holding

  • Neun Standorte im Landkreis Karlsruhe, Ludwigsburg und dem Enzkreis
  • Rund 7.700 Mitarbeiter
  • 2.500 Planbetten
  • Etwa 112.000 stationäre und 280.000 ambulante Patienten pro Jahr

Die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung schreibt vor, wie viele Patienten maximal von einer Pflegekraft betreut werden dürfen. Dabei wird zwischen Tag- und Nachtschichten sowie Fachbereichen unterschieden. Die Verordnung gilt seit 2018, im Januar 2020 kamen weitere Krankenhausbereiche und der „Ganzhausansatz“ hinzu.

Die Untergrenzen werden monatlich anhand von Durchschnittswerten kontrolliert. Halten Kliniken sich nicht an die Verordnung, drohen Strafzahlungen. „Die Verordnung ist eigentlich sinnvoll, nur was reingerechnet werden darf, ist schwierig für uns“, sagt Susanne Stalder, Regionaldirektorin der RKH-Kliniken Bretten und Bruchsal. „Wir können unsere examinierten Pflegekräfte nicht mehr durch Hilfskräfte entlasten. Hilfskräfte werden nicht auf die Verordnung angerechnet.“

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