Skip to main content

Nicht nur am KIT

An diesen Orten in Karlsruhe und Umgebung gibt es Tierversuche

Der Verein "Ärzte gegen Tierversuche" führt auf seiner Webseite eine Liste mit vermeintlichen Tierversuchslaboren, darunter auch einige in Karlsruhe. Nicht alle Einträge sind aktuell – dafür fehlen andere. Wo in Karlsruhe wirklich an Tieren geforscht wird.

Im Max-Rubner-Institut in der Karlsruher Oststadt werden Versuche an Menschen, an technischen Modellen und auch an Tieren durchgeführt.
Im Max-Rubner-Institut in der Karlsruher Oststadt werden Versuche an Menschen, an technischen Modellen und auch an Tieren durchgeführt. Foto: MRI/BNN-Montage

Den Raum, wo die Labormäuse leben, darf niemand betreten. Jedenfalls nicht, solange er nicht extra davor duscht, sich die Haare wäscht und besondere Klamotten anzieht. Denn die 150 Mäuse, die am Max-Rubner-Institut (MRI) in der Karlsruher Oststadt gehalten werden, dürfen auf keinen Fall mit Keimen in Kontakt kommen. Sie werden für wissenschaftliche Versuche benötigt – wie jährlich mehr als 200.000 Tiere im Regierungsbezirk Karlsruhe .

Die ersten Tierversuche am Karlsruher MRI seit fünf Jahren

„Manche Fragestellungen kann ich nur mit dem Tierversuch beantworten“, sagt Bernhard Watzl, der am MRI das Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung leitet. Seit mehr als 30 Jahren erforscht er die gesunde Ernährung des Menschen – und der ist eigentlich auch sein liebster Untersuchungsgegenstand.

Das Studienzentrum am MRI, wo gesunde Menschen für Ernährungsstudien stationär aufgenommen werden können, ist einzigartig in Deutschland. „Die Daten, die wir aus Studien am Menschen bekommen, sind für die gesundheitliche Bewertung am besten“, sagt Watzl. Neben Untersuchungen am Menschen macht er auch Versuche mit künstlichen Darm-Modellen. „Aber das genügt uns nicht immer.“

Wie ich gehört habe, sind sie sehr zutraulich.
Bernhard Watzl über die Versuchs-Mäuse

Wenn Watzl zum Beispiel die Bakterien im Dünn- oder Dickdarm betrachten möchte, muss er Mäuse sezieren. Stuhlproben von Menschen geben keinen Aufschluss darüber, wo genau sich welche Bakterien und Fettsäuren tummeln. Und keine Versuchsperson lässt sich freiwillig den Bauch aufschneiden.

Deswegen hat das MRI nach fünfjährigem Leerstand sein Tierlabor renoviert und den neuen gesetzlichen Anforderungen angepasst. Im Dezember sind die ersten 150 Mäuse eingezogen, die nun einige Monate lang mit verschiedenen Futtermischungen ernährt werden.

Nach dem Tod werden die Organe untersucht

„Wir schauen uns die Tiere jeden Tag an, ob sie gesund sind, und wiegen sie mehrmals pro Woche“, erklärt Watzl. Körperliche Eingriffe müssen die Tiere zu Lebzeiten nicht befürchten. „Wie ich gehört habe, sind sie sehr zutraulich, das ist auch ein Ausdruck des Wohlbefindens.“

Die Mäuse leben in kleinen Gruppen zusammen und haben Spielzeug, Höhlen und Tunnel. „Und irgendwann ist das Leben für die Tiere zu Ende“, sagt Watzl und breitet die Arme aus. „Wir schläfern sie ein, öffnen ihren Bauchraum und entnehmen die Organe zur Untersuchung.“

Pharma-Unternehmen Schwabe testet Medikamente an Nagern

Ähnlich mild verlaufen nach Firmenangaben die Tierversuche, die das Durlacher Pharmaunternehmen Schwabe bei seiner Forschung für neue Medikamente durchführt. Bis ein pflanzlicher Wirkstoff auf den Markt kommt, werden zahlreiche einzelne Inhaltsstoffe von Pflanzen erforscht.

„Die Untersuchung von neuen Entwicklungskandidaten erfolgt bei Dosierungen, die zu keinen toxischen Effekten bei den Tieren führen und diese in der Regel nicht beeinträchtigen“, schreibt Schwabe auf BNN-Anfrage.

Anders sieht das aus, wenn ein Medikament schon weiter entwickelt ist: Bevor es am Menschen getestet und schlussendlich zugelassen werden kann, muss seine Giftigkeit an Tieren getestet werden. Das schreiben deutsche, aber auch europäische Regeln vor.

Vorgeschriebene Tier-Tests bis zur Vergiftung

Laut Schwabe muss dabei so hoch dosiert werden, bis entweder eine maximale Dosis von zwei Gramm pro Kilogramm erreicht ist, das Produkt nicht höher formuliert werden kann oder eine klare Toxizität, also Vergiftungserscheinungen, ersichtlich ist.

„Ziel dieser Untersuchungen ist es ja gerade, mögliche Zielorgane für eine Toxizität zu identifizieren und damit eine sichere Dosis für die Anwendung beim Menschen auszuwählen“, erklärt Schwabe schriftlich. Die Dauer dieser Versuche sei genauso regulatorisch festgelegt wie die Haltungsbedingungen für die Mäuse, Ratten und Meerschweinchen, die bei Schwabe zum Einsatz kommen.

Der Pharmakonzern Schwabe aus Karlsruhe-Durlach führt gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche durch – will aber nicht preisgeben, wie oft und mit wie vielen Tieren.
Der Pharmakonzern Schwabe aus Karlsruhe-Durlach führt gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche durch – will aber nicht preisgeben, wie oft und mit wie vielen Tieren. Foto: din

Am längsten dauern laut Schwabe Karzinogenitätsstudien, bei denen untersucht wird, ob Stoffe krebserregend wirken. Hierbei „wäre eine Behandlung der Tiere bis zu zwei Jahre durchzuführen“.

Nicht beantworten wollte Schwabe die Fragen unserer Redaktion, wie oft das Unternehmen Versuche mit wie vielen Tieren durchführt. „Wo gleichwertige, anerkannte Alternativen zur Verfügung stehen, würden wir gerne auf Tierversuche verzichten“, erklärt das Unternehmen lediglich.

Mehr als 260.000 Tiere wurden 2018 im Regierungsbezirk Karlsruhe für Tierversuche verwendet. In ganz Baden-Württemberg waren es 533.685, deutschlandweit sind es jährlich rund drei Millionen. Der Südwesten ist seit vielen Jahren Spitzenreiter bei der Zahl von Versuchen und verwendeten Tieren, es folgen Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Region Karlsruhe bei Tierversuchen landesweit vorne

Innerhalb des Landes genehmigt das Karlsruher Regierungspräsidium Karlsruhe die meisten Anträge, weil es im Regierungsbezirk viele Forschungseinrichtungen wie die Universität Heidelberg oder das Karlsruher Institut für Technologie gibt.

Am KIT drehen friedlich blubbernd Tausende Versuchstiere ihre Runden in großen Aquarien. Dort werden Zebrafische gezüchtet, denen zu Lebzeiten meist keine Schuppe gekrümmt wird.

Denn diese Fische haben laut KIT die meisten Organsysteme mit dem Menschen gemeinsam und eignen sich daher für die Untersuchung von Krebs oder Herzkrankheiten. Dabei finden die meisten Untersuchungen allerdings am Laich und nicht an erwachsenen Fischen statt.

Fische beobachten statt Nagetiere töten

Die Forscher beobachten die transparenten Fischeier, die sich außerhalb des Körpers der Mutter entwickeln. So können sie die Entwicklung von Organen oder einzelnen Zellen beobachten, ohne erwachsene Fische zu schädigen – und damit auch Versuche an Ratten oder Mäusen vermeiden. Einige erwachsene Fische würden allerdings im Hinblick auf ihre Fähigkeit untersucht, Verletzungen narbenfrei auszuheilen, schreibt das KIT.

Am European Zebrafish Resource Centre des KIT werden Beobachtungen und Versuche an Zebrafischen gemacht.
Am European Zebrafish Resource Centre des KIT werden Beobachtungen und Versuche an Zebrafischen gemacht. Foto: Martin Lober/KIT

„In kleinerer Anzahl“ würden auch Versuche an Mäusen durchgeführt, außerdem gab es am KIT in der Vergangenheit Versuche mit Wildfischen, Igeln, Froschlaich und isolierten Rattenherzen.

Offizielle Listen, wo an welchen Tieren welche Versuche durchgeführt werden, gibt es in Deutschland nicht. Zwar müssen Wissenschaftler alle Tierversuche bei den Behörden anzeigen oder genehmigen lassen, für die Öffentlichkeit sind Details wie der Ort der Forschung aber nicht zugänglich.

Veraltete Liste – keine Tierversuche in Karlsruher Krankenhäusern

Der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ stellt auf seiner Webseite eine Datenbank mit Tierversuchen und ihren vermeintlichen Laborstandorten bereit. Wer darin nach Karlsruhe sucht, findet 26 Treffer. Das Städtische Klinikum, das Diakonissen-Krankenhaus und das St.Vincentius-Krankenhaus werden als Beteiligte an Studien mit Tierversuchen gelistet. Allerdings liegen manche Einträge schon mehr als 20 Jahre zurück.

Außerdem müssen die Versuche nicht zwingend in Karlsruhe durchgeführt worden sein, nur weil ein Forscher einer hiesigen Einrichtung an der jeweiligen Studie beteiligt war. Alle drei Einrichtungen (die beiden christlichen Kliniken sind in der Zwischenzeit zu den ViDia-Kliniken fusioniert) erklärten auf BNN-Anfrage, dass in den vergangenen zehn Jahren keine Tierversuche durchgeführt wurden und auch in Zukunft keine geplant seien.

Bußgeld für ordnungswidrige Tierversuche in Heidelberg

Dennoch gibt es auch aus jüngerer Zeit Studien mit Tierversuchen, an denen Wissenschaftler aus Karlsruhe beteiligt waren. Eine Ärztin des Städtischen Klinikums ist sogar als Autorin auf einer Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg angegeben, die für Aufsehen gesorgt hatte: Weil sie den Versuch ordnungswidrig um sechs Wochen verlängert hatten, mussten zwei Forscher Bußgelder zahlen .

Das Zentrum hatte in einer Stellungnahme eingeräumt, dass sechs mit Tumoren infizierte Mäuse zu spät getötet worden waren. Zum Städtischen Klinikum Karlsruhe hat die Studie jedoch keinen Bezug: Laut Klinikangaben führte die Ärztin diese Arbeit in einer Nebentätigkeit durch.

nach oben Zurück zum Seitenanfang