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Ein Euro für sechs Minuten

An Tankstellen kostet Luft immer häufiger Geld

Luft zum Atmen ist kostenlos, Luft für Autoreifen kostet immer häufiger Geld. Im Badischen führt jetzt eine Tankstellenkette Druckluftgeräte ein, die zwar den Druck der Reifen kostenlos messen, beim Nachfüllen aber den Kunden zur Kasse bitten.

Darf Luft für die Autoreifen Geld kosten?
Darf Luft für die Autoreifen Geld kosten? Foto: Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR)

Luft zum Atmen ist kostenlos, Luft für Autoreifen kostet immer häufiger Geld. Viele Tankstellenketten führen Druckluftgeräte ein, die zwar den Druck der Reifen kostenlos messen, beim Nachfüllen aber den Kunden zur Kasse bitten.

Laut Medienberichten machte Shell 2013 den Anfang, 2016 folgte Esso. Jetzt zieht auch die Ettlinger Firma EFA mit ihren Tankstellen nach. Sie sind dem Verbraucher im badischen Raum unter dem Logo bft (Bundesverband Freier Tankstellen) bekannt.

Seit zwei Wochen ist es vorbei mit Gratis-Luft

Die EFA-Tankstellen werden in allen ihrer bft-Filialen nach und nach die Druckluftgeräte austauschen. Vor zwei Wochen begann das Unternehmen damit. Bis wann die Umstellung der etwa 25 Tankstellen im BNN-Gebiet vollständig erfolgt sein wird, kann nicht terminiert werden. Am gewohnten Platz finden Kunden den gewohnten Kompressor nicht mehr. Stattdessen wurden große Automaten platziert, an denen teilweise auch gesaugt werden kann - selbstverständlich ebenfalls gegen Gebühr. Ob ein Automat mit oder ohne Sauger aufgestellt wird, ist abhängig vom jeweiligen Standort.

Am Automaten im Enzkreis zahlt der Autofahrer zukünftig für den Luftauffüll-Service eine zeitabhängige Gebühr. Sechs Minuten kosten einen Euro. Eine Uhr zeigt an, wie viel Restlaufzeit bleibt. Wer schnell ist, kann noch ein bisschen saugen. Wobei der Automat komplex zu sein scheint, weshalb die aufgedruckte Anleitung davor warnt, das Geld einzuschmeißen, ehe man sich mit der Funktionalität vertraut gemacht hat.

So sieht der neue Luftdruckautomat in Remchingen-Wilferdingen aus.
So sieht der neue Luftdruckautomat in Remchingen-Wilferdingen aus. Foto: BNN

Pflicht zur Wartung an Dienstleister abgegeben

Warum lassen Ketten sich den Service von ihren Kunden bezahlen? Für die EFA sind es folgende Gründe, laut Kerstin Arnold-Gabeli, Assistentin der Geschäftsleitung: "Der Kunde muss sich darüber im Klaren sein, dass zwar Luft kostenlos ist. Dass die Druckluftgeräte aber mit diversen Kosten für den Anbieter verbunden sind: Eichkosten, Kompressoren, die gewartet werden müssen, oder auch Reparaturkosten, da die Nutzer nicht immer sorgsam damit umgehen." In dem Zusammenhang werden oft auch der Anschaffungspreis oder Diebstähle genannt. Sie veranlassen Tankstellen dazu, das eigene Angebot einzustellen und zu kostenpflichtigen, von Dienstleistern betriebene Automaten zu wechseln. So findet der Kunde das komplette Serviceangebot an einer Tankstelle. Ohne, dass sich Betreiber um alles selbst kümmern muss.

Größter Dienstleister in diesem Bereich ist laut eigener Angabe auf ihrer Firmen-Webseite die AIR-serv aus Nordrhein-Westfalen. Sie wirbt damit, rund 80.000 Automaten aufgestellt zu haben und warnt Tankstellenbetreiber auf der Internetseite vor den Risiken der Gratis-Luft: " Kunden benutzen “air units” sehr frequent, häufig auch ohne einen Cent Umsatz an der Tankstelle zu hinterlassen."

"Reifendruck sollte alle 14 Tage geprüft werden"

Doch wie oft nutzen Verbraucher wirklich die Druckluftgeräte? "Von den Teilnehmern unserer Sicherheitstrainings wissen wir, dass sie den Luftdruck maximal drei bis vier Mal im Jahr messen. Zum Beispiel wenn sie Winter- oder Sommerreifen wechseln sowie im Sommer ein paar Mal", erklärt Thomas Hätty, Leiter Verkehr und Technik des ADAC Nordbaden. Seitens des Automobilclubs wird jedoch ein viel kürzeres Intervall empfohlen: "Der Reifendruck sollte mindestens alle 14 Tage geprüft werden."

Warum das so wichtig ist, sei einfach: Der Bremsweg wird mit zu wenig Luftdruck länger, es entsteht ein wesentlicher höherer Reifenverschleiß sowie die Seitenführung in Kurven ist schlechter. Außerdem steige der Benzinverbrauch erheblich: "Wer 0,2 oder 0,3 Bar zu wenig im Reifen hat, verbraucht durch den steigenden Widerstand bis zu ein oder zwei Liter je nach Geschwindigkeit und Reichweite mehr Benzin auf 100 Kilometern", weiß Hätty.

Druckluftautomat an der Tankstelle in der Wolfartsweierer Straße.
Druckluftautomat an der Tankstelle in der Wolfartsweierer Straße. Foto: BNN

Basisleistung der Tankstelle

Die verpflichtende Geldabgabe für Reifenluft sorgte schon 2013 und 2016 für Negativ-Schlagzeilen. Der ADAC wünscht sich von den Tankstellen, dass der Reifendruck als Gratis-Basisleistung angeboten wird, ebenso wie ein Papierkorb, Scheibenwischwasser sowie Wasser für den Kühler. Wer über das Wort Papierkorb stolpert, für den hat Hätty einen Tipp: "Ganz viele Tankstellen bauen auch die Papierkörbe ab. Schauen sie mal, wo es keine Tücher gibt, da gibt es oft auch keine Papierkörbe."

Thema trifft Nerv der Autofahrer

Im Netz wird anlässlich der aktuellen Umstellung im badischen Raum das Thema intensiv diskutiert. Es fallen Zitate wie "Wird immer schlimmer die Abzocke" oder "Drehn' die jetzt komplett durch?". Manche plädieren für Verständnis und lassen den Kostenaspekt gelten. Andere dagegen planen den Boykott und wollen künftig eine andere Tankstelle aufsuchen.

"Die Kunden müssen sich Gedanken machen, was wirklich selbstverständlich ist und was nur eine Gewohnheit. In Irland und auch den skandinavischen Ländern zahlen die Kunden selbstverständlich für die Druckluft", erläutert Arnold-Gabeli. Die Geschäftsführung der EFA-Tankstellen habe übrigens keine Beschwerden erhalten, lediglich einige Pächter hätten von Kundenbeschwerden erzählt. Bei den Kunden wären die Gründe aber verstanden worden.

Was kann der Verbraucher tun?

Was sagt der ADAC zu den Möglichkeiten des Verbrauchers? "Wenn alle umstellen, muss man es hinnehmen. Bis dahin ist es ratsam, Tankstellen aufzusuchen, die den Service noch kostenlos anbieten", rät Hätty. Wer keine Alternativen findet und den Euro lieber in eine eigene Ausstattung investieren möchte, der würde in Autozubehör-Läden Luftdruckkompressoren finden, die 50 Euro oder mehr kosten und das Gleiche leisten.

Weniger präzise, aber ebenfalls eine Alternative sei das sogenannte Flickset, das mittlerweile zur Ausstattung vieler Autos gehöre, erklärt Hätty. Wer kein Ersatzrad hat, besitze ziemlich sicher so ein Set. Darin befinde sich ein kleiner Kompressor, der an den Zigarettenanzünder (12 Volt) angeschlossen werden kann und mit dem man ebenfalls den Luftdruck prüfen und nachfüllen könne. Aus Sicherheitsgründen sollte man aber den genauen Luftdruck mit einem geeichten Manometer kontrollieren.

Mehr Luft als empfohlen in den Reifen zu füllen, ist für Hätty übrigens keine Alternative. Das führe bei den Reifen zu einem höheren Verschleiß und mindert den Abrollkomfort. Wenn dann noch die Sonne auf prall gefüllte Reifen scheint, käme es zu einer starken Ausdehnung, die dem Material ebenfalls schade.“

An welchen Tankstellen ist Luft noch kostenlos?

Welche Tankstellen im badischen Raum bieten den Kunden die Luft weiter gratis an? Die Total bestätigt auf BNN-Anfrage, dass der Druckluftservice dort generell kostenlos sei. Bei Aral habe man leider keine Übersicht, wo es das Angebot gratis gibt, heißt es auf BNN-Anfrage. "Wir geben den Aral-Tankstellenpartnern die Empfehlung, dass es kostenlos sein soll, weil es sich um einen sicherheitsrelevanten Service für den Kunden handelt", erläutert Pressesprecher Detlef Brandenburg. "Da es sich hierbei um das Eigengeschäft des Tankstellenpartners handelt, können wir nicht ausschließen, dass Partner es in Einzelfällen kostenpflichtig anbieten." Shell und Esso äußerten sich zu ihrem kostenpflichtigen Angebot sowie der Rückfrage, ob es Ausnahmen in Baden gibt, bisher auf BNN-Anfrage nicht.

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