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Van in der Türkei

Ankara wirft Bürgermeisterin von Karlsruher Partnerstadt aus dem Amt – Mentrup schreibt an Generalkonsul

Bedia Özgökce Ertan war Bürgermeisterin von Karlsruhes türkischer Partnerstadt Van – bis sie am Montag ihres Amtes enthoben wurde. Viele andere Menschen wurden im gleichen Zuge verhaftet. Karlsruhes OB Frank Mentrup zeigt sich besorgt.

Noch im Juli tauschten sich im ZKM Stadtrat Lüppo Cramer, Vans Oberbürgermeisterin Bedia Özgökce Ertan, Leyla Imret und Stefan Struck vom Arbeitskreis Partnerstadt Karlsruhe–Van (von links) über die aktuelle Lage aus.
Noch im Juli tauschten sich im ZKM Stadtrat Lüppo Cramer, Vans Oberbürgermeisterin Bedia Özgökce Ertan, Leyla Imret und Stefan Struck vom Arbeitskreis Partnerstadt Karlsruhe–Van (von links) über die aktuelle Lage aus. Foto: Archiv/jodo

Bedia Özgökce Ertan war Bürgermeisterin von Karlsruhes türkischer Projektpartnerstadt Van – bis sie am Montag ihres Amtes enthoben wurde. Viele andere Menschen wurden im gleichen Zuge verhaftet. Karlsruhes OB Frank Mentrup zeigt sich besorgt.

Bedia Özgökce Ertan hat klare Wort gefunden, als sie im Juli zu Gast in Karlsruhe war: „Jederzeit könnten sie mich verhaften. Mit diesem Risiko muss ich leben“, sagte damals die Oberbürgermeisterin der türkischen Stadt Van, mit der Karlsruhe eine Projektpartnerschaft verbindet. Am Montagmorgen wurde die Politikerin des Amtes enthoben.

Vorwurf der Terrorpropaganda

Ertan ist eine von drei prokurdischen Bürgermeistern, die die türkische Regierung absetzte. Der Vorwurf: „Terrorpropaganda“ oder Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Mit dieser Begründung seien am Morgen auch 418 Menschen inhaftiert worden, berichtet Stefan Struck vom Arbeitskreis Partnerstadt Karlsruhe-Van.

Ertan könnte jederzeit verhaftet werden – Internet in Van blockiert

Auch Ertan könnte laut Struck jederzeit verhaftet werden. Die Kontaktaufnahme sei schwierig. Im Südosten der Türkei, wo sich die Großstadt Van an der Grenze zum Irak befindet, seien das Internet blockiert und die Social-Media-Kanäle nachhaltig gestört. Struck sagt: Der Terrorverdacht sei erst einmal nur eine Behauptung.

„Konkretere Verdachtsmomente wurden nicht benannt. Dies entspricht auch der Praxis der türkischen Exekutive der vergangenen Jahre.“ Der Arbeitskreis Partnerstadt Karlsruhe-Van informierte am Montag das Hauptamt und Oberbürgermeister Frank Mentrup über die neuen Ereignisse in der Türkei.

Mentrup hatte sich schon in ähnlichem Fall 2016 engagiert – ohne Erfolg

Der Karlsruher Verwaltungschef hatte sich in der Vergangenheit bereits an das türkische Generalkonsulat gewandt, weil im November 2016 der damalige OB von Van, Bekir Kaya, verhaftet wurde. Mentrup und andere forderten vehement seine Freilassung. Bis heute ist Kaya nicht auf freiem Fuß. Er hatte im August 2016 bei einem Besuch in der Fächerstadt den Vertrag zur Projektpartnerschaft unterschrieben.

Sehr selbstbewusste und mutige Politikerin
Stefan Struck, Arbeitskreis Partnerstadt Karlsruhe-Van

Zur aktuellen Entwicklung erklären Struck und der Arbeitskreis: „Es wurde eine sehr selbstbewusste und mutige Politikerin unter Missachtung gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren aus dem Amt geworfen.“ Oberbürgermeisterin Ertan habe sich sehr geschickt auf die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Stadt konzentriert. „Kampagnen zu allen wesentlichen Problemen wie Umwelt, Frauenrechte und Müllmanagement begleitete sie persönlich und verbreitete sie über Social-Media-Plattformen.“

Ertan war erst im Juli in Karlsruhe zu Gast

Die Einladung der Projektpartnerstadt Karlsruhe im Juli habe sie genutzt, „um auch hier in Europa die klaren demokratischen Anforderungen ihrer Politik ebenso wie die Missstände durch die staatliche Zwangsverwaltung in Van darzulegen“.

Für das Machtzentrum in Ankara sei dies in der Summe offenkundig ein zu großer Freiraum, den es einzugrenzen gelte. „Gesetze oder Verfassungsrechte spielen hierbei in der heutigen Türkei keine Rolle“, so Struck. Ertan hatte in Karlsruhe, wo sie unter anderem das ZKM und Amnesty International besuchte, von einer „weiter fragilen Lage“ in ihrer Heimat gesprochen.

Mentrup schreibt an Generalkonsul und bittet Außenminister Maas um Hilfe

Nach Ertans Amtsenthebung wandte sich nun Oberbürgermeister Frank Mentrup in einem Schreiben an den türkischen Generalkonsul Nevzat Arslan und äußerte seine "großen Sorgen" über den Fall.

Mentrup habe Ertan "als selbstbewusste und mutige Politikerin kennengelernt, die sich für die Stadt Van und deren Entwicklung mit Weitblick und großem persönlichem Engagement einsetzt".

Eine drastische Beschränkung der Meinungsfreiheit
OB Frank Mentrup

Die Begründung der Amtsenthebung mit dem allgemeinen Begriff Terrorgefahr entspreche nach Mentrups Auffassung keinen rechtsstaatlich nachvollziehbaren Abläufen. "Das extrem harte Einschreiten gegen kritische Stimmen und gewählte Stadtoberhäupter ist eine drastische Beschränkung der Meinungsfreiheit", so Mentrup in seinem Schreiben.

Er bat den Generalkonsul darin auch, seine Besorgnis über die aktuellen Entwicklungen in Van an die türkische Regierung in Ankara weiterzuleiten. Ebenso bat er Außenminister Heiko Maas um Unterstützung und um Information der Öffentlichkeit.

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