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Judenfeindliche Tendenzen im ÖRK

Antisemitismus-Vorwürfe überschatten weltgrößtes Christentreffen in Karlsruhe

Vor der Vollversammlung in Karlsruhe hat sich eine Initiative gebildet, die dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) Judenfeindlichkeit vorwirft und Klärung verlangt. Der ÖRK wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Informationsmaterial zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen.
Vor der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe äußert der Deutsch-Israelische Freundeskreis im Stadt- und Landkreis Karlsruhe seine Sorge . Foto: Uli Deck/dpa

Tausende Christen aus der ganzen Welt treffen sich im September zur Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe. Das Motto lautet „Christi Liebe bewegt, versöhnt und eint die Welt“.

Doch ob sich beim ÖRK durch Christi Liebe die Welt tatsächlich eint, daran haben einige Organisationen so ihre Zweifel. Neben dem Deutsch-Israelischen Freundeskreis im Stadt- und Landkreis Karlsruhe haben sich der Denkendorfer Kreis für christlich-jüdische Begegnung Durmersheim, die Deutsch-Israelische Gesellschaft der Region Stuttgart, der Freundeskreis Kirche und Israel in Baden und das Junge Forum DIG Heidelberg der Initiative „Gegen jeden Antisemitismus. Gegen Judenfeindschaft im Ökumenischen Rat der Kirche“ angeschlossen.

„Unsere Sorge angesichts judenfeindlicher Tendenzen im ÖRK ist groß“, heißt es in der Erklärung. Die Gründungsmitglieder des ÖRK hätten zwar 1948 in Amsterdam klar bekundet, dass der „Kampf gegen jeden Antisemitismus zum christlichen Zeugnis“ gehöre. Doch gegenüber der Gründung des jüdischen Staates habe der ÖRK einen deutlichen Vorbehalt gezeigt.

Da wird einseitig Stimmung gegen Israel gemacht.
Bernd Morlok, Vorsitzender Deutsch-Israelischer Freundeskreis

„Da wird einseitig Stimmung gegen Israel gemacht“, ist Bernd Morlok, Vorsitzender des Deutsch-Israelischen Freundeskreises, überzeugt. Der ÖRK habe sich regelmäßig wirtschaftlichen Boykottaufrufen gegen Israel angeschlossen.

Außerdem trage er zusammen mit „Brot für die Welt“ das Freiwilligenprogramm EAPPI. Mit diesem würden junge Menschen als Touristen nach Israel gebracht, um Material gegen die Politik Israels in den Palästinensergebieten zu sammeln und nach ihrer Rückkehr ein negatives Bild über Israel zu verbreiten.

Der ÖRK ist in Sachen Israel-Mobbing regelrecht legendär.
Volker Beck, Grünen-Politiker und Religionsexperte

Auch der Grünen-Politiker und Religionsexperte Volker Beck hat sich der Initiative angeschlossen. „Der Ökumenische Rat der Kirchen ist in Sachen Israel-Mobbing regelrecht legendär“, sagt er im Gespräch mit den BNN.

Mit der Veröffentlichung und der Verbreitung des 2009 publizierten, aus der Feder palästinensischer Christen stammenden „Kairos-Palästina“-Papiers akzeptiere der ÖRK, dass die Erwählung des jüdischen Volkes relativiert und negiert werde.

„Dass die palästinensischen Christen die Nachfahren der Urgemeinde sind, die Jesus oder Paulus im Heiligen Land gegründet haben, ist Mumpitz“, sagt Beck. Von dieser Substitutionstheologie, nämlich dass in der Begründung des Christentums das Judentum überwunden werde und der alte Bund aufgehoben sei, hätten sich die Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich verabschiedet.

Denn genau diese Theologie habe in die Shoa geführt, werde aber weiter vom ÖRK propagiert, so Beck. Ohne diese antijudaistische Substitutionstheologie wäre die Entstehung eines Antisemitismus im 19. Jahrhundert, wie man ihn heute noch in moderner Form kennt, nicht denkbar gewesen.

„Kairos-Palästina“-Papier soll als Irrlehre verworfen werden

Deshalb fordern die Anhänger der Initiative, dass der ÖRK die Theologie des „Kairos-Palästina“-Papiers als Irrlehre verwirft. „Israelhass ist der Brandbeschleuniger des Antisemitismus“, sagt Beck. Der Nahost-Konflikt werde nicht in Deutschland gelöst, aber der Antisemitismus habe Auswirkungen auf die Juden hierzulande. Was in bestimmten Kreisen nicht mehr schick sei, dass man es über Juden sage, würde nämlich über Israel gesagt.

„Sowohl das virulente Wiederaufleben des Antisemitismus und anderer Hassgefühle gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen als auch die anhaltenden Ungerechtigkeiten und Verstöße, denen das unter der Besatzung lebende palästinensische Volk ausgesetzt ist, werden bei den Beratungen der 11. Vollversammlung zweifellos sehr präsent sein“, sagt Peter Prove.

Der ÖRK-Direktor für Internationale Angelegenheiten kennt die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den ÖRK. Ein häufiger Schwerpunkt sei das Ökumenische Begleitprogramm für Palästina und Israel (EAPPI). Die Anschuldigungen hält er für „größtenteils ungerecht und unrichtig“. Dennoch habe man sich intensiv darum bemüht, die Teilnehmer stärker mit den israelisch-jüdischen Gemeinden und deren Erfahrungen und Perspektiven vertraut zu machen.

Wir akzeptieren diese Unterstellung nicht.
Peter Prove, ÖRK-Direktor Internationale Angelegenheiten

Der ÖRK lehne nach wie vor die Besetzung und militärische Kontrolle der palästinensischen Gebiete ab. Von einigen Seiten werde fast jede Kritik am Staat Israel in diesem Zusammenhang als antisemitisch betrachtet. „Wir akzeptieren diese Unterstellung nicht“, sagt Prove.

Er verweist auf eine Grundsatzerklärung des ÖRK-Exekutivkomitees von 2019. Darin wird eine Herangehensweise an die Situation in Israel und Palästina gefordert, die sie „nicht auf einen Wettbewerb binärer Gegensätze reduziert, bei dem man sich für die eine oder die andere Seite entscheiden muss“.

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