Für den Radicchio läuft es nicht mehr rund. Keine Angst, Ihr Genießer, ist natürlich nur im übertragenen Sinne gemeint und soll heißen: das Herz lacht angesichts des auch hierzulande in die Breite gewachsenen Angebots an Radicchio-Varietäten, die halt auch mal länglich sein können oder, im Falle des Variegato di Castelfranco, wie ein zartgelber Salatkopf aussehen, der mit einer Orchidee geknutscht hat und nun mit roten Sprenkeln übersät ist.
Die meist roten, leicht lilanen Originale aus der Abteilung Bittersalate schicken uns die Städte Chioggia, Treviso, Verona und Castelfranco samt ihren umliegenden Gemeinden aus dem norditalienischen Veneto über die Alpen. Allesamt schön bitter sind sie und eine Sorte attraktiver als die andere.
Gut, für einen Tardivo muss man schon mal zwei „Euronen“ und mehr auf den Tisch legen. Pro hundert Gramm gerechnet! Bis der sti(el)volle Appetizer so grandios aussieht, wie er aussieht, hat er nämlich ein aufwendiges Lifting durchgemacht: Im Dunkeln unter Folie 20 Tage lang von 14 Grad warmem fließendem Wasser umspült, wachsen die zartbitteren Triebe schließlich aus der Radicchiowurzel. Dann werden sie geputzt, bis nur noch das betörend schöne Herz mit seinen langen gebogenen Blättern und ein keilförmig geschnitzter Strunk übrig sind.
Radicchio (Castelfranco ausgenommen) hat, wie der Kenner weiß, weit mehr im Kopf und auf den Rippen, als den zartbitteren Salataufhübscher zu geben. Was er kann, zeigt er insbesondere gebraten, gegrillt oder geschmort. Im Risotto, zu Pasta oder als Protagonist von einem Hauch Luxus umgeben (siehe „Aufgetischt“).
Aufgetischt: Gegrillter Radicchio
Bittersweet Harmony? Hier ist mal nicht der Hit von The Verve gemeint, sondern eine Vorspeise, in der der bittere Radicchio tardivo, also der mit den langen „Armen“, zur Höchstform aufläuft. Er harmoniert wunderbar mit süßsaurem Aroma. Probieren Sie gegrillten Radicchio mit Aceto Balsamico tradizionale, Würfeln von ungeräucherter Pancetta (oder von anderem Bauchspeck beziehungsweise der Schweinebacke Guanciale) und Walnusskernen: Für 4 Personen 2 Radicchio tardivo halbieren und beidseitig mit Olivenöl einpinsel. In eine feuerfeste Form legen und beidseitig unter dem Grill golden bräunen, sodass er noch etwas Biss besitzt.
Inzwischen Pancettawürfel ohne Fett in einer Pfanne knusprig braten (nicht zu lange, damit sie saftig bleiben), Walnusskerne in grobe Stücke hacken und in etwas geschmolzenem Zucker karamellig überziehen. Gegrillten Radicchio auf vorgewärmte Teller geben, mit altem Aceto Balsamico tradizionale (mind. zwölf Jahre alt) beträufeln, mit den Speckwürfeln, Nüssen und etwas Fleur de Sel bestreut servieren. Zum Schluss noch etwas reifen Parmesan darüber hobeln.
Trick 17
Unbedingt probieren: Radicchio-Risotto bzw. Radicchio beim Braten oder Grillen mit einem kleinen Schuss Whisky verfeinern!
Eingewickelt in feuchtes Küchenpapier hält sich Radicchio im Gemüsefach einige Tage frisch.
Aufgespießt: Salat mit Herkunft
Das blaue EU-Herkunftssiegel („Geschützte geografische Angabe“) tragen alle Sorten aus Venetien:
Radicchio di treviso precoce, Radicchio di Treviso tardivo, Radicchio di Treviso variegato Castelfranco, Radicchio di Chioggia und Radicchio di Verona
Aufgelesen
Mehr zum Thema (u. a. Radicchio) vermittelt Manuela Rüther in ihrem Buch
„Bitter – Der vergessene Geschmack“, AT Verlag, € 29,95
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