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Konsequent ausgebremst

Barrieren an Ladesäulen: Warum die Karlsruherin Dorothee Liebing nirgends ihr E-Auto laden kann

Die zweite Förderwelle für E-Auto-Ladesäulen kommt. Aber können dann auch Autofahrer Strom tanken, die auf den Rollstuhl angewiesen sind? Bisher sei das in nicht der Fall, sagt eine Karlsruherin, die es wissen muss.

Am 9.11.2022  sitzt Karlsruhes Botschafterin für Barrierefreiheit Dorothee Liebing vor dem Café Intro am Kronenplatz in ihrem Rollstuhl.
Mobil, aber mit Platzbedarf: Karlsruhes Botschafterin für Barrierefreiheit Dorothee Liebing will auch mit Rollstuhl an Ladesäulen fürs E-Auto kommen. Foto: Jörg Donecker

Seit Dorothee Liebing nach einem Jahr in den Niederlanden wieder nach Karlsruhe gezogen ist, hört sie den Motor ihres Hybridautos nicht mehr im Elektromodus schnurren.

„Ich liebe dieses Geräusch“, sagt die 58-Jährige. „Aber ich habe bisher keine Ladesäule gefunden, an der ich Strom tanken kann.“ Denn Liebing kann keinen Schritt laufen und ist nicht nur auf ihr entsprechend umgebautes Auto sehr konkret angewiesen, sondern auch auf ihren Rollstuhl. Und an den Stromtankstellen wird sie konsequent ausgebremst.

Immer ist Liebing etwas im Weg: ein Bordstein, Poller oder andere Schutzmaßnahmen, Bügel zum Beispiel. Die sind extra platziert, um zu verhindern, dass die Ladesäule bei Rangiermanövern beschädigt wird.

„Ich habe nirgends eine Chance, dranzukommen“, berichtet die Karlsruherin. Auch ihr Bemühen um einen Ladeanschluss in einer Tiefgarage in der Südstadt-Ost habe bisher nicht zum Erfolg geführt. Also fährt sie mit Verbrennungsmotor.

Dieser Aspekt wird offenbar gerade ganz massiv vergessen.
Dorothee Liebing, Autofahrerin im Rollstuhl

Dass Poller und andere Schutzinstallationen Autofahrer am Stromtanken hindern, die einen Rollstuhl oder Rollator brauchen oder aus anderen Gründen mehr Platz benötigen, ist nicht zwangsläufig. Es gibt Lösungen.

Allerdings setzen barrierefrei konstruierte Ladeangebote voraus, dass die Problematik erkannt wird. Auch Bedienelemente in angemessener Höhe gehören zum Thema. Das ist der Punkt, an dem bei Dorothee Liebing die Alarmglocken schrillen.

Rammschutz war bisher allein im Fokus

„Jetzt kommt die nächste Förderwelle“, sagt sie, „aber dieser Aspekt wird offenbar gerade ganz massiv vergessen.“ Bisher stand der Schutz der technischen Installation im Vordergrund.

Mit dem aktuellen Förderprogramm „Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Deutschland“ hat das Bundesverkehrsministerium erneut Anreize gesetzt. 500 Millionen Euro stellt die Bundesregierung damit bis Ende 2025 zur Verfügung.

Auf den Rollstuhl angewiesen oder auf andere Art körperlich erheblich eingeschränkt seien mehr als drei Millionen Führerscheinbesitzer bundesweit, sagt Liebing.

Als Mitglied im Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Baden-Württemberg (LSK) hat sie sich gezielt schulen lassen und seither Botschafterin für Barrierefreiheit in Karlsruhe und dem Landkreis.

Aus dem Ziel der Bundesregierung, 15 Millionen zugelassene E-Autos bis zum Jahr 2030 zu erreichen, errechnet Liebing: „Daraus ergibt sich bis 2030 ein möglicher Bedarf für bis zu 1,15 Millionen E-Autos mit barrierefreiem Ladezugang.“

Viele Ladesäulen sind veraltet

Viele Ladesäulen in der Stadt haben die Stadtwerke Karlsruhe über die Jahre aufgestellt. „Die sind jetzt technisch nicht auf dem neuesten Stand“, sagt der Stadtwerke-Sprecher Markus Schneider: „Acht bis zehn Stunden Ladezeit sind zu viel.“

Ideal sei es, so Schneider, das Laden der Akkus mit einem anderen Zweck zu verbinden: „45 Minuten parallel zum Einkaufen.“ Aktuell planen der Energieversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) und die Stadtwerke gemeinsam neue Schnellladestationen. Die Suche nach geeigneten Standorten läuft, koordiniert vom Umweltamt der Stadt.

Die Ladesäulen konstruieren die Karlsruher Projektbeteiligten nicht selbst, sie kaufen sie ein. Das Thema Barrierefreiheit wollen sie wahrnehmen. „Man muss miteinander reden“, sagt Schneider, „und diesen Impuls sofort aufgreifen.“

Vor-Ort-Termin ist schon fest ausgemacht

Rollstuhlgerechte Ladeinfrastruktur sei auf dem Schirm der Planer, betont Rashid Elshahed vom Energieversorger EnBW. „Wir suchen gezielt den Austausch“, sagt Elshahed. In der kommenden Woche treffen sich die Projektbeteiligten mit Dorothee Liebing am Durlach Center.

An der Ladestation der EnBW wird es dort ganz konkret: Wo stehen Stangen, die verhindern, dass jemand rückwärts gegen eine Ladesäule rangiert? Wo sind Bordsteinkanten, Schrägen oder Absperrbügel?

Dorothee Liebing bringt stellvertretend für viele in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Autofahrer ihre Sichtweise ein. Die praktischen Konsequenzen sind abzuwarten, weiß sie: „Es gibt immer unterschiedliche Interessen, alles bekommt man selten unter einen Hut.“

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