Am 10. Juli 1968 bricht der stärkste Tornado in der deutschen Geschichte über die Region herein. Ausgerechnet das im Krieg von alliierten Bomben zerstörte Pforzheim trifft es am schlimmsten. Bei aller Verwüstung offenbart die Naturkatastrophe aber auch Tröstliches: Auf den Sturm der Zerstörung folgt in Pforzheim eine Welle der Hilfsbereitschaft. Und vom ersten Tag an helfen die Kriegsgegner von einst mit.
Erinnerung an Luftangriff
Als der Tornado vor 50 Jahren in Pforzheim ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legt, ist der Krieg sofort wieder da - in den Köpfen der Überlebenden des 23. Februar 1945 als ein alliierter Luftangriff 17.000 Pforzheimer binnen weniger Minuten tötete. Der Krieg ist wieder in den Köpfen. Auch wenn Leid und Zerstörung nicht vergleichbar sind. Und noch etwas unterscheidet sich: Die einstigen Kriegsgegner und Besatzer sind inzwischen zu Partnern geworden. Vom ersten Tag an helfen in Pforzheim stationierte französische und US-amerikanische Soldaten beim Wiederaufbau mit. So das "3. Husarenregiment Esterhazy", das damals in der Buckenbergkaserne stationiert war.
Tornado in Pforzheim: Ehemalige Kriegsgegner helfen
Bereits wenige Minuten nach dem Wirbelsturm halfen 25 Soldaten des ebenfalls in der Buckenberg-Kaserne einquartierten 32. amerikanischen Luftabwehrkommandos, beim Abtransport von Verletzten aus eine benachbarten Wohnsiedlung. Tags darauf halfen Soldaten der Bevölkerung bei der Trümmerbeseitigung auf dem Germania-Sportplatz im Brötzinger Tal. Dabei hatte es auch die Amis getroffen: Die Raketenbasis im Hagenschießwald ("Nike-Station") war vom Tornado ebenfalls schwer getroffen worden, ein Wachturm zersplitterte zu Brennholz, der diensthabende Wachmann konnte sich in letzter Sekunde auf den Boden retten.
Junger Dachdecker stirbt nach Sturz
Und auch die Pforzheimer Institutionen reagieren ohne Verzug: Die Liga der freien Wohlfahrstverbände sorgt für die Betreuung von Kindern "sturmgeschädigter Eltern", die Sparkasse vergibt Sonderkredite "Aktion Wirbelsturm". Und auch das Handwerk macht sich an die Arbeit: Der Obermeister der Glaserinnung, Theodor Hoheisen,schwor seine Kollegen noch am Abend des 10. Juli darauf ein, "ab sofort ihre Arbeit auf die Behebung der Katastrophe abzustellen". Etliche Helfer wurden in den kommenden Tagen bei den Arbeiten verletzt, mehrere sogar schwer. Der Dachdecker Fritz Neuhütler stirbt im Städtischen Krankenhaus Pforzheim nach einem Sturz vom Dach. Der 24-Jährige aus dem Remstal zählt mit dem Ehepaar Nittel aus Ottenhausen, das in der Sturmnacht vom Dachstuhl ihres Hauses erschlagen wurde zu den einzigen Todesopfern des Tornados. Verletzte werden mehr als 200 gezählt.
Die meisten Schäden zahlt die Versicherung
Mehr als 3.300 Gebäude werden beschädigt, sechs davon völlig zerstört. Der Sachschaden beträgt nach offiziellen Angaben allein in Pforzheim über 50 Millionen D-Mark. Allein an Pforzheimer Wohngebäuden beträgt der Schaden rund 35 Millionen. Der größte Teil davon ist ein Fall für die Versicherung: Handwerker-Rechnungen übernimmt die Badische Gebäude-Versicherungsanstalt, bei der Hauseigentümer kraft Gesetz versichert sein müssen.
Dieses private Youtube-Video zeigt erste Aufräumarbeiten:
In den folgenden Tagen treffen Tausende weitere Helfer im Pforzheimer Katastrophengebiet ein, darunter rund 700 Bundeswehrsoldaten, etwa Pioniere aus Worms sowie Männer der Technischen Nothilfe und anderer Organisationen, Handwerker - Dachdecker, Glaser, Zimmermänner - sowie freiwillige Helfer, Studenten, Verwandte und Freunde von Betroffenen.
Rotkreuz sorgt für Verpflegung
Koordiniert wird das Ganze vom ersten Tag an aus der Einsatzzentrale im Technischen Rathaus, die Bundeswehr richtet auf dem Rathausparkplatz eine Funkleitstelle ein. Doch wenn in dem Verwaltungsgebäude in der Östlichen das Gehirn der Hilfsmaßnahmen werkelt, so sitzt in einem Hinterhof an der Kronprinzenstraße ihr Bauch. Dort bei der Pforzheimer Rotkreuz-Zentrale werden in den Tagen und Wochen nach dem Tornado drei Mal täglich bis zu 3.000 Mahlzeiten zubereitet. Küchenwagen aus Bretten, Heilbronn und Kirchheim/Teck versorgen dort mit ihren Ölherden Helfer und Betroffene.
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