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Anstieg bei Alkoholproblemen?

Beratungsstellen wegen Corona geschlossen: Wo Menschen in Karlsruhe noch Hilfe finden

Das Coronavirus hat viele Beratungsstellen zur Schließung gezwungen. Therapeuten rechnen aber damit, dass der Bedarf an Drogen- und Schuldnerberatungen steigen wird. Sie unterstützen ihre Klienten nun oft per Telefon – das kann sogar Vorteile haben.

Das Coronavirus hat dazu geführt, dass Beratungsstellen ihre Hilfe fast nur noch telefonisch anbieten können.
Das Coronavirus hat dazu geführt, dass Beratungsstellen ihre Hilfe fast nur noch telefonisch anbieten können. Foto: dpa

"Viele denken ja, wir wären jetzt gar nicht mehr für sie da", sagt Diethard Ochs von der Karlsruher Fachstelle Sucht des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation (bwlv). Tatsächlich musste der Verband wegen des Coronavirus für den Publikumsverkehr schließen und seine Selbsthilfegruppen vorübergehend einstellen.

Karlsruher Therapeuten sind wegen Corona im Telefondienst

Alle anderen Unterstützungsangebote der Fachstelle Sucht laufen jedoch weiter: Zwei Therapeuten sind unter der Woche im Telefondienst, erklärt der stellvertretende Leiter Ochs. Durch die doppelte Besetzung werde sichergestellt, dass immer eine Leitung frei ist.

An ihrem Standort in der Karlstraße führt die Fachstelle Sucht normalerweise auch ambulante Reha und Nachsorge durch. "Diese Therapien dürfen jetzt telefonisch geführt werden, da haben die Kostenträger ihre Bewilligung gegeben", sagt Ochs. "Es gibt also keine Unterbrechung des therapeutischen Angebots."

Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick

Auch die Beratung zur Erlangung des Führerscheins für Menschen, die zur MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) müssen, gehe telefonisch weiter. Die Mitarbeiter in der Fachstelle Sucht verzeichnen allerdings momentan einen geringeren Arbeitsaufwand: Es rufen weniger Menschen an, als zuvor in die offene Sprechstunde gekommen sind. "Wir bauen Mehrstunden ab und nehmen teilweise Urlaub", erzählt Diethard Ochs.

Regenbogenfarben laden in den Flur der Fachstelle Sucht in Karlsruhe ein.
Regenbogenfarben laden in den Flur der Fachstelle Sucht in Karlsruhe ein. Foto: Weller

Führt soziale Isolation zu mehr Alkohol- und Drogenmissbrauch?

So wolle man die Situation in den Griff kriegen. "Natürlich ist schon die Frage, wie es mittelfristig mit solchen Beratungsstellen weitergeht, wenn die Leute sie nicht mehr aufsuchen."

Dabei geht Diethard Ochs davon aus, dass die Corona-Situation eher zu mehr Problemen führt, wenn Menschen mehr zuhause sind und dort mit mehr Konflikten umgehen müssen. "Durch das Aufeinanderhocken könnte der Konsum von Alkohol- und Rauschmitteln nicht sinken, sondern möglicherweise steigen", sagt Ochs.

Betroffene oder Angehörige könnten und sollten daher von der Telefonberatung der Fachstelle Sucht Gebrauch machen. Antragsverfahren für Reha-Maßnahmen liefen im Übrigen telefonisch weiter, auch wenn den Kliniken von den Kostenträgern ein vorläufiger Aufnahmestopp empfohlen wurde.

Anstieg bei Schuldner-Beratung erwartet

Telefonisch und per E-Mail laufen auch alle Kontakte beim Beratungs- und Familienzentrum Caritashaus ab, sowohl für Neukunden als auch für Bestandskunden. Der Karlsruher Caritassozialdienst (CSD) kümmert sich um die Grundversorgung der Menschen und hilft, an Geld oder Lebensmittel zu kommen. Ab dem 31. März wird die Beiertheimer Tafel wieder mit einem eingeschränkten Betrieb öffnen.

Die Karlsruher Caritas bietet auch eine Sozialberatung für Schuldner an. Derzeit gebe es kaum Änderungen bei den Anfragen, weder von der Anzahl noch inhaltlich. Die Berater erwarten aber eine verstärkte Nachfrage, wie Caritas-Sprecherin Gabriele Homburg erklärt: "Es wird befürchtet, dass mehr Menschen im Laufe der Zeit ihre Arbeit verlieren und somit nicht mehr ihre Kredite bedienen können und gar Privatinsolvenz beantragen müssen."

Diakonisches Werk berät in Notfällen noch persönlich

Beim Diakonischen Werk Karlsruhe sind persönliche Krisenberatungen in Notfällen nach vorheriger Absprache noch möglich, zum Beispiel bei einer ungeplanten Schwangerschaft. Auch hier sind aber ansonsten alle Dienststellen für Besucher geschlossen und alle Beratungsleistungen aufs Telefon umgestellt.

Auch die Karlsruher Beratungsstelle von profamilia hat komplett auf telefonische Beratungsgespräche umgestellt. Ein Landeserlass ermöglicht zunächst bis zum 19. April die telefonische Beratung und die Versendung von Unterlagen über sichere Wege.

Falls das im Einzelfall nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, Unterlagen kontaktfrei abzuholen. So kann beispielsweise die Schwangerschaftskonfliktberatung sichergestellt werden, deren Besuch vor einer Abtreibung nachgewiesen werden muss.

Für bedürftige, von der Corona-Krise betroffene Menschen hat das Diakonische Werk einen Hilfsfond eingerichtet. Das seien zum einen wohnungslose Menschen, die keine Angebote mehr in Anspruch nehmen können. "Da zusätzlich zu vermuten ist, dass die niedrigen Temperaturen noch länger anhalten werden, müssen wir hier schnell handeln", schreibt Diakonie-Sprecherin Luise Winter. Zum anderen seien auch viele Familien mit Kindern und Alleinerziehende durch die Krise in Not geraten.

Wir hatten schon die Befürchtung, dass jetzt total viele Menschen anrufen.
Martin Kühlmann, "brücke" Karlsruhe

Das Diakonische Werk vermittle in den Quartieren Einkaufshilfen, Begleitung zu Arztbesuchen oder Gesprächsangebote für vereinsamte Menschen. Obdachlose können sich am Tagestreff "Tür" täglich ein Vesperpaket abholen und duschen . Nach Angaben des Diakonischen Werks nutzen täglich rund 25 Menschen dieses Angebot, obwohl der Tagestreff ansonsten zu hat.

Telefongespräche können manchem Klienten leichter fallen

Auch bei der "brücke", der ökumenischen Lebensberatung in Karlsruhe, sind die Türen geschlossen. Während der üblichen Öffnungszeiten können Beratungssuchende aber auf Telefonleitungen anrufen. Oft würden sich Menschen melden, die auch zuvor schon mit der Einrichtung in Kontakt waren, berichtet Leiter Martin Kühlmann.

"Wir hatten schon die Befürchtung, dass jetzt total viele Menschen anrufen", sagt Kühlmann. Die Angst vor dem Coronavirus oder die daraus entstandenen Probleme wie etwa ein Jobverlust seien aber in den Telefonaten kein großes Thema. "Wir haben viel Kontakt mit Menschen, die sich von uns über längere Zeit begleiten lassen", erklärt Kühlmann. Die Sorgen und Probleme seien daher die gleichen wie vor Corona-Zeiten.

Alle Informationen gibt es auf bnn.de/coronavirus

Aber kann ein telefonisches Beratungsgespräch den persönlichen Kontakt gleichwertig ersetzen? Es gebe sogar Vorteile, sagt Kühlmann: "Mein Kollege hat von einem Anrufer die Rückmeldung gekriegt, es sei ihm viel leichter gefallen, manche Dinge am Telefon zu sagen."

Andererseits fehlten den Therapeuten gewisse Rückmeldekanäle. "Normalerweise sehe ich die Person vor mir, kann in ihren Augen lesen, wie die Stimmung ist und was sich gerade verändert – deutlicher als in der Sprache." Ein Telefongespräch sei deshalb eine gewisse Einschränkung, sagt Kühlmann.

Die Geschäftsführung der Fachstelle Sucht versucht aus diesem Grund momentan, auf Wunsch eine Video-Beratung einzurichten. Die Selbsthilfegruppen, die sich wegen Corona nicht mehr persönlich treffen können, greifen derweil auf andere Medien zurück, wie Diethard Ochs erzählt: "Wir haben mitgekriegt, dass sie sich zum Teil über WhatsApp selbst organisieren, um im Kontakt zu bleiben."

Telefonnummern und Service

Die Fachstelle Sucht in Karlsruhe ist montags bis donnerstags von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr zu erreichen, freitags von 9 bis 13 Uhr. Die Nummer lautet 0721/ 352 39 80.

Die ökumenische Beratungsstelle "brücke" hilft telefonisch am Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 18 Uhr, mittwochs von 16 bis 20 Uhr unter der Nummer 0721/ 38 50 38.

Die zentrale Service-Hotline des Diakonischen Werks ist unter der Nummer 0173/393 38 45 von Montag bis Freitag zwischen 9 und 16 Uhr erreichbar. Eine Ansprechperson nimmt das Anliegen der Anrufer entgegen und gibt die Anfragen an die entsprechenden Fachbereiche weiter.

Der Caritasverband Karlsruhe ist unter  0721/92 13 35 12 zu erreichen. Die Beiertheimer Tafel öffnet ab 31. März zunächst dienstags und freitags von 14 bis 17 Uhr.

Der Kinderschutzbund Karlsruhe startet ab 30. März ein Beratungstelefon für gestresste Eltern. Da die Mitarbeiterinnen teilweise im Homeofffice bleiben, sind sie über unterschiedliche Telefonnummern zu erreichen. Aktuelle Sprechzeiten und Telefonnummern gibt es ab 27.3. über die Homepage oder den Anrufbeantworter unter 0721/84 22 08.

Die Awo in Karlsruhe bietet ebenfalls telefonische Beratungen an, insbesondere läuft die Krebseratung telefonisch. Hotline: 0721/ 35 00 70

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