Seit Beginn der Woche dürfen die Gaststätten in Baden-Württemberg wieder öffnen . Doch statt Freude ist die Ernüchterung unter den Gastwirten meistens groß. Wirtschaftliches Arbeiten ist nur schwer möglich, da der Personalaufwand hoch ist und die Gästezahl beschränkt werden muss. 5.000 bis 6.000 von 30.000 Betrieben gingen erst gar nicht an den Start.
Marco Monti ist nicht wirklich überzeugt. Seit Montag hat der Karlsruher Wirt sein Lokal am nördlichen Rand der Innenstadt wieder geöffnet, doch noch weiß er nicht, ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohnt. Wo sonst an die 100 Menschen ihre Mittagspause verbringen, sitzen an Tag zwei nach der Öffnung keine 20 Personen.
Statt des brummenden Wirrwarrs aus Geplauder und Gelächter klingt vom zwei Meter entfernten Nebentisch nur das Besteckgeklapper eines einzelnen Herrn herüber. Überhaupt sieht die Terrasse mit ihren wenigen Tischen aus wie ein zahnlos gewordenes Gebiss.
75 Prozent weniger Umsatz bei Karlsruher Gastronom
Im Vorfeld der Wiedereröffnung hat Marco Monti penibel darauf geachtet, alle Vorgaben der Landesverordnung umzusetzen. Dazu gehören die Abstände zwischen den Tischen, die Markierung der Laufwege im Restaurant und die Erfassung der Personen- und Adressdaten.
Aber wenn Monti, der seit 30 Jahren als Gastronom in Karlsruhe tätig ist, den Aufwand und die Kosten den Einnahmen der vergangenen Tage gegenüberstellt, kommen ihm starke Zweifel. „Wirtschaftlich ist diese ganze Öffnung ein Graus“, sagt er und rechnet vor: „Ich mache nur 25 Prozent meines üblichen Umsatzes und brauche trotzdem nur 25 Prozent weniger Personal.“
Es ist wirklich keine Freude, so zu arbeiten.Waldemar Fretz, stellvertretender Dehoga-Vorsitzender
Waldemar Fretz, der stellvertretende Vorsitzende der Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) in Baden-Württemberg kennt die Schwierigkeiten. „Es ist wirklich keine Freude, so zu arbeiten“, meint er und fügt hinzu: „Unter diesen Umständen sind keine Erträge zu erzielen.“
Die langersehnte Wiedereröffnung der Lokale und Restaurants nach fast achtwöchiger Zwangspause stellt die Wirte und Wirtinnen vor eine schwierige Abwägung. Aufmachen, damit überhaupt etwas geht oder zu lassen, weil sich der Aufwand nicht lohnt?
Sternekoch arbeitet wegen Corona-Auflagen lieber mit Foodtruck
Thorsten Bender vom Sternelokal „sein“ in Karlsruhe hat sich für Letzteres entschieden. „Ich habe mir vorgenommen, nicht zu öffnen, solange mein Personal im Service noch einen Mundschutz tragen muss“, sagt der Koch.
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In seinem Restaurant ginge es schließlich um mehr als nur ums Essen. „Wir verkaufen auch Emotionen und Atmosphäre. Unter diesen Umständen ist das aber nicht möglich“, erklärt Bender. Weil der passionierte Koch und sein kleines Team aber arbeiten wollen, hat sich Bender einen Foodtruck besorgt, mit dem er zwei bis drei Mal die Woche unterwegs ist.
Beim Kollegen Marco Monti steht er auch. „So kann ich meinen Kunden etwas bieten und muss die Küche nicht öffnen“, freut sich Monti über den Deal. „Viel verdiene ich damit nicht“, sagt Bender.
Gastwirte leben oft vom Ersparten – ein Drittel könnte die Krise nicht überleben
Aber die Wirtschaftlichkeit stehe für ihn nicht so sehr im Fokus. Kurzarbeit, Stundungen und andere Angebote, die der Gastronomie zur Überbrückung der Krise angeboten wurden, habe er gleich ausgeschlagen. „Das muss man am Ende doch sowieso auf die ein oder andere Art wieder zurückzahlen.“ Bender lebt im Wesentlichen vom Ersparten.
Andere Wirte haben weniger Reserven und mussten Hilfsangebote wie Kurzarbeitsregelungen und Stundungen von Kosten annehmen. Waldemar Fretz schätzt, dass ein Drittel der 30.000 Gastronomiebetriebe in Baden-Württemberg die Krise nicht überleben wird.
Staatliche Hilfen hin oder her. „Manche können ja nicht mal mehr ihre Verbandsbeiträge bezahlen“, sagt er. Betroffen seien vor allem Lokale im ländlichen Raum. „In der Stadt ist es nicht ganz so schlimm. Da konnten sich viele mit einem Straßenverkauf über Wasser halten.“
Mehr zum Thema:Wolfgang Scheidtweiler zieht positive Bilanz
Der Pforzheimer Brauerei- und Hotelbesitzer Wolfgang Scheidtweiler ist froh, dass der Betrieb nun wieder läuft. „Am Feiertag waren die Biergärten voll und die Menschen waren richtig froh, dass es wieder losgeht“, sagt er.
Doch auch er hat festgestellt, dass das Geschäft unter der Woche nur langsam wieder an Fahrt aufnimmt. Das beschere den Wirten aber auch mehr Zeit. Von der ersten Öffnungswoche zieht Scheidtweiler eine positive Bilanz. „Das Feedback, das ich bekommen habe, war trotzdem im Großen und Ganzen eher gut.“