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Auf dem Weg nach Paris

Karlsruher Breakdancer und Olympiahoffnung Bao Chau Nguyen: Der mit dem Moment tanzt

Er tanzt jetzt bei der WM in Seoul und will 2024 in Paris auf der Olympia-Bühne stehen: Breakdancer Bao Chau Nguyen aus Karlsruhe. Dass der 30-Jährige bei dem Sport gelandet ist, liegt an einer Begegnung auf seinem Schulweg in Rastatt.

Ein-Handstandstand: Der Karlsruher Bao Cahu Nguyen, aktuell bester deutscher Breakdancer, beim Foto-Shooting.
Ein-Handstandstand: Der Karlsruher Bao Cahu Nguyen, aktuell bester deutscher Breakdancer, beim Foto-Shooting. Foto: Oliver Malice

Ein bisschen ist das so, wie der Klassiker in jedem Western, wenn sich die zwei Cowboys vor dem Saloon gegenüberstehen und sich belauern: Wer zuckt zuerst? Nur, dass hier niemand einen Colt zieht – sondern lostanzt.

„Das ist schon auch ein Taktikspiel“, sagt der Karlsruher Breakdancer Bao Chau Nguyen über jenen Moment, in dem die Musik beginnt. Und ab dem sich die beiden Kontrahenten auf nonverbalen Weg darüber verständigen: Du? Ich?

Die Frage, wer anfängt, die kann durchaus eine entscheidende sein, wenn später die nach dem Sieger beantwortet wird. Der lautete nicht selten: Nguyen

Bao Chau Nguyen ist im niedersächsischen Nordhorn geboren, in Rastatt groß geworden, seit vielen Jahren in Karlsruhe zuhause – und Deutschlands derzeit wohl größte Olympia-Hoffnung im Breakdance. Bei den Spielen 2024 feiert die Tanzsportart ihre Ringe-Premiere. Und Nguyen, klar, will dann dabei sein.

Nächster Auftritt auf der WM-Bühne in Seoul

Aber zurück zur Frage: Wer fängt an? „Wenn ich vorlege: Schafft er es, zu antworten auf meine Performance?“, sagt Nguyen, der aktuell bester deutscher Breakdancer ist und kommendes Wochenende auf der WM-Bühne in Seoul steht.

„Das ist wie eine Konversation“, meint Nguyen zu der Wettkampfform, bei der stets zwei Tänzer in einem „Battle“ gegeneinander antreten.

Je nach Gegner ist es schlauer, anzufangen, den anderen unter Druck zu setzen. Allerdings: Es kommt ja noch auf den musikalischen Part an. Und den kennen Tänzer vorher nicht. Das führt auch zu unliebsamen Überraschungen. „Klar“, sagt Nguyen und lacht, „das kommt schon vor, dass man denkt: Oh, nee ...!“.

Bloß nicht groß und schon gar nicht lange nachdenken, sei die Devise. „Du musst trotzdem funktionieren“, sagt der 30-Jährige. Im umgekehrten, besten Fall, aber geht die Musik los, „und ich weiß genau, was ich machen will“.

Stetig wiederkehrender „Nervenkitzel“

Dieser stetig wiederkehrende „Nervenkitzel“, die Herausforderung und Kunst, „in verschiedenen Atmosphären seinen Moment zu kreieren“, wie es Nguyen beschreibt, ist mit ein Grund dafür, dass er nicht vom Breakdance lassen kann. Und das nun schon seit mehr als 20 Jahren.

Die hatten ihren Ghettoblaster dabei und haben da trainiert.
Bao Chau Nguyen, Breakdancer

Auf dem Heimweg von der Schule sah der damals sieben Jahre alte Nguyen mal ein paar Jugendliche, die vor der Sparkasse in Rastatt tanzten.

„Die hatten ihren Ghettoblaster dabei und haben da trainiert. Da war so ein glatter Marmorboden, das war perfekt“, erinnert er sich. Nguyen war fasziniert: „Ich bin dann da jeden Tag vorbeigelaufen.“

https://www.instagram.com/p/ChVOVcJDhvE/

Fiel natürlich irgendwann auf, der Junge, der immer stehen blieb und glotzte. „Dann mach doch mit“, habe ihm die Gruppe schließlich zugerufen.

So kam eines zum anderen, es ging zum Jugendtreff nach Rastatt und später auch ins Combo HipHop-Kulturzentrum nach Karlsruhe, wo Nguyen bis heute trainiert und sich auch ehrenamtlich engagiert.

Nguyen fühlt sich von Anhieb aufgehoben in der Szene

Dass Nguyen sich in der Breakdance-Szene gleich aufgehoben fühlte, hat Gründe. „Jeder fängt bei Null an. Und es ist völlig egal, woher Du kommst, wie groß oder klein du bist, wie du aussiehst“, sagt Nguyen, „das zählt da alles nicht“.

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Anderswo bekam das Kind vietnamesischer Einwanderer dagegen schon zu spüren, „dass man eben nicht zu 100 Prozent von hier ist“, wie Nguyen festhält.

Sein WM-Ziel? Ein Platz auf dem Treppchen soll es schon sein

Im Optimalfall könnte Nguyen bei der WM in Seoul (21. bis 23. Oktober) bereits das Olympia-Ticket lösen, der Sieger sei auf jeden Fall dabei beim Sport-Spektakel an der Seine.

Ein Platz auf dem Treppchen hält er bei der WM mit rund 300 Teilnehmern für ein realistisches Ziel. In diesem Jahr gewann er beim Red Bull BC One in Deutschland, die wichtigste internationale Serie.

Nach Seoul ist der gelernte Physiotherapeut übrigens bereits am 10. Oktober aufgebrochen. „Ich möchte die Atmosphäre von dem Land oder der Stadt aufsaugen“, betont er, „das hilft mir in meiner Kunst“.

Denn darum gehe es ja auch: Nicht nur das Ergebnis ist wichtig, sondern auch der künstlerische Aspekt. „Nicht wie bei einem Sprinter, wo nur die Zeit zählt“, beschreibt es Nguyen.

Die Tänzer sind völlig frei in ihrer Kunst

Im Breakdance sind die Athleten völlig frei, in dem was und wie sie es zeigen. Bewertet wird dann wie gut die Musik interpretiert wurde, die Kreativität, die Dynamik, der Aufbau der Performance und die Originalität. Entscheidend sei, wie authentisch man sich zeige, so Nguyen.

Hinter all dem steckt viel Training – physisches, tanzspezifisches und mentales, „auch Meditation“, wie Nguyen berichtet. Beim Aufwärmen stimme er sich zum Beispiel mit einem Mantra ein.

Er klopfe sich dann immer auf die Brust und sage sich: „Keiner hat es mehr verdient, keiner hat härter gearbeitet als ich.“ Um bereit zu sein, wenn die Musik beginnt – und damit das Duell der Tänzer.

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