Die Menschen in der norditalienischen Stadt Ferrara sind stolz auf ihre mit Kürbis gefüllten Teigtaschen. Zu Recht. Cappellacci di zucca ferraresi schmücken sich seit zwei Jahren sogar mit dem EU-Siegel "geschützte geografische Angabe".
Die Frage, wer denn nun die Nudel oder gar die gefüllte Teigtasche erfunden hat, ist müßig. Dennoch wird sie seit gefühlten Myriaden von Jahren glühend und eifrig diskutiert.
An echten Beweisen dafür, wer’s erfunden hat, scheint es freilich zu mangeln. Die Italiener? Die Chinesen? Die Schwaben gar? Die Schweizer sind es jedenfalls nicht. Da können sie noch so viel Ricola-Bonbons in die Waagschale werfen. Es wird partout keine Nudel draus.
Dem Genussmenschen gehen solche Lagerkämpfe ohnehin auf den Senkel. Entscheidend ist schließlich, was für den feinen Gaumen herausspringt. Und das ist, tadellose Zutaten und gekonntes Handwerk vorausgesetzt, immer eine Speise zum Niederknien. Darüber dürfte Einigkeit herrschen unter Maultaschen-Mümmlern wie Tortellini-Typen. Grenzüberschreitend.
Cappellacci di zucca: Pasta mit Kürbis-Inlay
Was dem deutschen Südwester seine Maultaschen und dem Taiwanesen seine Xiao Long Tang Bao, sind dem Ferrareser übrigens seine Cappellacci di zucca. Diese eigoldenen Teigkringel mit Kürbis-Inlay hat er von den Blaublütigen der Este geerbt, jenem mächtigen mittelalterlichen Adelsgeschlecht, das auch kulinarisch angemessen das Zepter schwang. Die von der EU per Siegel geschützten Teigtaschen mit der cremig-süßlichen Füllung haben gerade Saison. Weshalb die Primi auf den Speisekarten in der prächtigen Barockstadt am Po davon bisweilen regelrecht dominiert werden.
Cappellaci di zucca gibt es in unterschiedlicher Begleitung
Pasta mit „Kürbiskern“, mal klassisch in Salbeibutter geschwenkt und mit Parmesan geadelt oder pikant überzogen von Bologneser Fleischsoße, aber auch dezent experimentalistisch mit geschmolzenen Räucher-Scamorza und gerösteten Mandelblättchen oder Zitrusfrüchte-Ragout - der Leckerbissen gibt es reichlich und für beinahe jeden Gusto.
Cappellacci di zucca sehen aus wie kleine Strohhüte
Cappellacci also heißen die kleinen um den Finger gewickelten Kunstwerke, die ebendies ihrerseits mit pastagierigen Gourmets tun. Die Bezeichnung kommt übrigens nicht von ungefähr. Die Form erinnert an die traditionellen Strohhüte der Bauern, im Dialekt „caplaz“ genannt. So gesehen könnten Sfogline, wie sich die Pastamacherinnen nennen, auch als „Hütchenspielerinnen“ angesprochen werden. Ich glaube aber, diesen Scherz verstehen die nicht. Dazu ist die Angelegenheit dann doch wieder zu ernst.
Perfekte Cappellacci erfordern nämlich neben Liebe zum Schnabulierobjekt auch Fingerfertigkeit und Präzision. Wobei: Wenn man Maria und Barbara in der Pastastube der Trattoria „Da Noemi“ in der Altstadt von Ferrara beim Anfertigen der kleinen Berühmtheiten zusieht, kann man in ihrem Gestus durchaus Leichtmut und Freude entdecken.
Die goldgeben Eidotter für den herrlichen Teig produzieren übrigens glücklich gackernde Hühner vom Biobauern. Was anderes kommt für die Matteuccis, (Giovanni, 21, in der Küche, Luca, 26, im Service und Mamma Maria Cristina überall) gar nicht infrage. Mit der Füllung verhält es sich ähnlich. Theoretisch ließe sich zwar jeder gute Speisekürbis verwenden, aber in Ferrara muss es traditionell ein ganz besonderer sein: die „Violina“. Dieses Trumm hat seinen Namen wegen der Ähnlichkeit zu besagtem Streichinstrument. Na ja, mit etwas Fantasie... Jedenfalls fahren auf sein delikates orangefarbenes Fruchtfleisch nicht nur die Nudelmacherinnen in Ferrara ab, wie unser Vettel auf seinem fast namensgleichen roten Flitzer.
Die Sfogline im „Noemi“ verstehen ihr Handwerk aus dem Effeff, wie schon Nonna Noemi († 2013), die die Tradition des Lokals begründete. Mit traumwandlerischer Eleganz formen die Pasta-Meisterinnen Hütchen, was Teig und Füllung hergeben. Rund 600 Cappellacci entstehen so in der Früh’, um die Kundschaft mittags und abends in Schwärmerei verfallen zu lassen. Ach ja: 600 handgefertigte Cappelletti kommen noch hinzu. Die werden allerdings in Brühe serviert.
Aufgetischt
CAPPELLACCI DI ZUCCA FERRARESI
Originalrezept aus der Trattoria "Da Noemi" in FerraraFür 6 Personen
500 g Mehl (Tipo „00“ oder Typ 405)5 Eier1 kg Kürbis violina oder cipollina ferrarese (ersatzweise ein anderer gelb- oder orangefleischiger Kürbis) in Spalten geschnitten, von Fasern und Kernen befreit100 g Parmesan (frisch gerieben)Salz15 g geriebene Muskatnuss1. Eier verquirlen und salzen. Mit dem Mehl mischen und ca. 10 Min. kräftig kneten, dabei evtl. etwas Wasser zugeben, bis der Teig am Ende elastisch ist. Optional die Küchenmaschine arbeiten lassen. Teig in Folie wickeln und 1 Std. ruhen lassen.
2. In der Zwischenzeit Kürbis bei 160 °C im Ofen garen, bis er weich ist. Fleisch aus der Schale kratzen und durch ein sieb streichen. Mit dem Parmesan verkneten. Salzen und mit Muskatnuss würzen.
3. Teig möglichst dünn ausrollen.
4. Quadrate von ca. 8-9 cm Kantenlänge ausschneiden. Jeweils 1 TL Füllung daraufsetzen und von Hand zu Dreiecken verschließen.
5. Die Enden um Zeige- und Mittelfinger wickeln und fest zusammendrücken (Fotos).
6. Cappellacci in reichlich siedendem Salzwasser kochen, bis sie oben schwimmen. Noch gut 2 Min. ziehen lassen (Bissprobe).
Rezept für Ragù bolognese1 Karotte1 gelbe Zwiebel1 Stange Sellerie50 g Butter1 Sardelle500 g Hackfleisch (Rind/Schwein 50:5050 g Pancetta (ital. Bauchspeck)1 Hähnchenleber1 Salsiccia (ital. frische Bratwurst) von ca. 150 g200 ml Weißwein250 ml Milch250 ml Fleischbrühe (Glas oder selbst gemacht)1 Dose geschälte Tomaten (400 g)1 Lorbeerblatt1 Nelke2 Pimentkörner1 Prise frisch geriebene MuskatnussSalz
- Karotte, Zwiebel und Sellerie klein würfeln. Die Hälfte der Butter erhitzen, das Gemüse und die zerdrückte Sardelle darin weichdünsten. Beiseite stellen.
- Pancetta und Hähnchenleber kleinschneiden. Salsiccia aus dem Darm lösen und zerkrümeln. Die restliche Butter in einem Schmortopf aufschäumen, die Salsiccia zusammen mit dem Hackfleisch nach und nach darin anbraten. Pancetta und Hähnchenleber dazugeben und mitbraten, bis die Pancetta glasig ist.
- Wein zugießen und etwas einkochen lassen.
- Gedünstetes Gemüse, Milch, Brühe, zerdrückte Tomaten, Lorbeer, Nelke, Piment, Muskatnuss und Salz zugeben. Aufkochen lassen. Die Hitze reduzieren und den Topf zudecken. Mindestens 2 Std. (besser 3-4) bei geringer Hitze schmoren lassen. Gelegentlich umrühren, falls nötig, etwas Wasser zugießen.
100 g gesalzene Butter in einer Kasserolle aufschäumen, 12 gewaschene Salbeiblätter darin bei mittlerer Hitze 2-3 Min. braten, ohne die Butter zu bräunen. Abgetropfte Cappellacci darin schwenken. Auf Tellern verteilen und frischen Parmigiano Reggiano darüber hobeln.