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Kinder von "Unabkömmlichen"

Corona und die Kitas: Diese Eltern haben jetzt Anspruch auf Notbetreuung

An der Entscheidung der politischen Oberhäupter des Landes, die Kitas wegen des Coronavirus noch eine Weile weitgehend geschlossen zu halten, ist im Moment nicht zu rütteln. Trotzdem wird die Notbetreuung erweitert – in nicht unerheblichem Maße.

Nicht viel los ist derzeit noch in den Kitas. Das könnte sich mit der Erweiterung der Notbetreuung ab der kommenden Woche ändern.
Nicht viel los ist derzeit noch in den Kitas. Das könnte sich mit der Erweiterung der Notbetreuung ab der kommenden Woche ändern. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

"Die Kitas bleiben geschlossen." Der kleine Satz, der vergangene Woche von der Bundesregierung verkündet und inzwischen von den Landesregierungen näher definiert wurde, hat große Wirkung entfaltet. Viele Eltern empfinden Familien mit betreuungsbedürftigen Kindern als einen der großen Verlierer der Corona-Krise. Auf der anderen Seite stehen Kitas, Erzieherinnen und Erzieher, die ihren Arbeitsalltag neu definieren müssen. Nun wird die Notbetreuung erweitert.

Eines steht fest: An der Entscheidung der politischen Oberhäupter des Landes, die Kindertagesstätten noch eine Weile weitgehend geschlossen zu halten, ist im Moment nicht zu rütteln. "Wir sehen, dass da ein großer Druck auf den Familien lastet. Trotzdem können wir die Krippen und Kindergärten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht öffnen. Das wäre nicht verantwortbar", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag.

Auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) bedauerte die gegenwärtige Belastung von Familien im Spannungsfeld zwischen Kinderbetreuung daheim und Nachgehen des Berufs; merkte jedoch an: "Wir sind noch nicht im Normalbetrieb und auch nicht auf dem Weg dorthin."

Wir sind noch nicht im Normalbetrieb und auch nicht auf dem Weg dorthin.
Susanne Eisenmann, Kultusministerin

Immerhin die Erweiterung der Notbetreuung ist nun definiert. Neben den Siebtklässlern, die ab 27. April nun in den Kreis der Notbetreuung mit einbezogen werden, haben ab kommenden Montag auch Kinder Anspruch, bei denen laut Landesregierung "beide Erziehungsberechtigte beziehungsweise die oder der Alleinerziehende einen außerhalb der Wohnung präsenzpflichtigen Arbeitsplatz wahrnehmen und von ihrem Arbeitgeber als unabkömmlich gelten."

Bei selbständig oder freiberuflich Tätigen genüge eine Eigenbescheinigung, heißt es in einem Entwurf für die Novelle der Corona-Verordnung. Bisher durften nur Kinder in die Notbetreuung, deren beide Elternteile in einem Beruf der kritischen Infrastruktur arbeiten.

Maximal die Hälfte der zulässigen Gruppengröße

Über die zu erwarteten Zahlen neu hinzukommender, betreuungsbedürftiger Kinder wollte die Kultusministerin nicht spekulieren. Bisher seien etwa vier bis fünf Prozent der Kita-Kinder mit Eltern in systemrelevanten Berufen von der Notbetreuung aufgefangen gewesen. Alles andere werde man sehen müssen. Die zulässige Gruppengröße soll laut Verordnungsnovelle in den Kindertagesstätten jedenfalls höchstens die Hälfte der in der Betriebserlaubnis genehmigten Gruppengröße betragen.

Bis zu 40 Prozent der Erzieher könnten zur Risikogruppe zählen

Zu bedenken sei laut Eisenmann außerdem, dass die Kommunen und freien Träger damit rechnen, dass bis zu 40 Prozent aller Erzieherinnen und Erzieher aktuell nicht einsetzbar sind, da sie zu Risikogruppen zählen. Sofern die Betreuungskapazitäten einer Einrichtung für die erweiterte Notbetreuung nicht ausreichten, seien deshalb Kinder, deren Eltern in der kritischen Infrastruktur arbeiteten, deren Kindeswohl gefährdet ist sowie Kinder von Alleinerziehenden vorrangig aufzunehmen.

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Und bei aller Öffnung: Oberstes Gebot bleibe laut Kretschmann der Gesundheitsschutz, weshalb es trotz Lockerungen weiter Einschränkungen geben müsse: "Die Notfallbetreuung muss eine Notfallbetreuung bleiben."

Die Erweiterung der Notbetreuung geht über das Maß hinaus, was wir uns erwartet hatten.
Marko Kaldewey, Landesvorsitzender Deutscher Kitabund

"Die Erweiterung der Notbetreuung geht über das Maß hinaus, was wir uns erwartet hatten", sagt Marko Kaldewey, baden-württembergischer Landesvorsitzender des Deutschen Kitabunds. Der Bundesverband freier unabhängiger Träger von Kindertagesstätten hatte ein Positionspapier herausgegeben, in dem es sich für die schrittweise Öffnung der Kindertagesstätten stark macht - allerdings unter strengen Kriterien.

"Gesellschaftlich tun wir gut daran, für Kinder und Familien langsame Schritte Richtung Öffnung zu machen." Auch die Kita-Träger der Region sehen der Erweiterung gespannt entgegen. Schon jetzt gäbe es einen spürbaren Anstieg der Anfragen. Man rechne damit, dass dieser steigen werde, "sobald alle Absprachen getroffen und diese Informationen an Eltern kommuniziert sind", sagt Raffael Biscardi, Fachbereichsleiter Kinder, Jugend und Familie der Caritas Pforzheim.

Schwacher Trost für überforderte Eltern in Corona-Krise

Für die Eltern, die dabei auf der Strecke bleiben, ist das ein schwacher Trost. Sie beschreiben ihren erschwerten Alltag in sozialen Medien unter Hashtags wie #CoronaEltern oder #ElterninderKrise und starten Petitionen zur Öffnung von Kitas, Spielplätzen und für die Einführung eines Corona-Kindergelds.

Auf ihrer Seite können sie zumindest Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) wissen. Diese hatte in den vergangenen Tagen sowohl für eine teilweise Öffnung der Kitas als auch der Spielplätze geworben und gegenüber der dpa geäußert, Eltern - besonders Frauen und Alleinerziehende - seien "über das vertretbare Maß hinaus belastet".

"Egal wie man es dreht, momentan kann man Kindern keinesfalls gerecht werden", fasst Michael Gomolzig, Pressesprecher des Verbands Bildung und Erziehung Baden-Württemberg, die schwierige Lage zusammen.

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Studien zu Coronavirus und Kindern

Ein winzig kleiner Hoffnungsschimmer mag trotz aller strengen Auflagen der Landesregierung von Ministerpräsident Kretschmann selbst gekommen sein: "Wir lassen auch Studien machen, die besonders untersuchen, wie das Virus auf Kinder wirkt. Wir hoffen, dass wir in 14 Tagen mehr wissen." Immer wieder war in den vergangenen Tagen diskutiert worden, ob und wie stark Kinder überhaupt an der Ausbreitung der Pandemie beteiligt sind.

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