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Ingo Zenkner im Interview

Corona und die Wirtschaft in Karlsruhe: „Es wird keine Insolvenz-Welle geben“

Ingo Zenkner sieht den Arbeitsmarkt im Bezirk zwischen Karlsruhe und Rastatt trotz Krise als robusten Ort an. Der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit berichtet von rund 9.000 Betrieben, die in Kurzarbeit gingen, anstatt ihre Mitarbeiter zu entlassen.

Eine Brücke in bessere Zeiten: Als das bezeichnet Ingo Zenkner, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt, die Kurzarbeit während der Corona-Krise.
Eine Brücke in bessere Zeiten: Als das bezeichnet Ingo Zenkner, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt, die Kurzarbeit während der Corona-Krise. Foto: Janina Keller

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsmarkt 2020 bestimmt und wird das auch im kommenden Jahr tun. Ingo Zenkner blickt trotzdem positiv in die Zukunft.

Der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt ist überzeugt, die Situation in der Region sei robust. Mit unserem Redaktionsmitglied Janina Keller sprach er über die Besonderheit der Krise und die Chance, die darin steckt.

Was wurde aus den positiven Erwartungen, die sie im Januar für 2020 hatten?
Ingo Zenkner

Durch Corona war innerhalb kürzester Zeit nichts mehr wie zuvor. Innerhalb weniger Tage gingen im Frühjahr bei uns im Bezirk der Agentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt 9.000 Betriebe in Kurzarbeit. Wir haben reagiert und das Aufgabengebiet eines Großteils unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geändert, um die Gewährung von Kurzarbeiter-Geld sicherzustellen. Dazu kam die steigende Arbeitslosigkeit. In den ersten Monaten stieg die Zahl um 4.000 Personen. Die Gemengelage verschiedener Herausforderung ist wie ein Tsunami über uns gekommen.

Die Probleme sind im Laufe des Jahres sicher weitergewachsen...
Ingo Zenkner

Die ursprüngliche Steigerung der Arbeitslosigkeit hat sich nicht monatelang fortgesetzt, sondern war nur in der Akutphase des ersten Lockdowns gegeben. Zwischen Sommer und Herbst konnte die Arbeitslosigkeit sogar wieder reduziert werden. Diese Stabilisierung des Arbeitsmarktes basierte auf der Kurzarbeit und den vielen Betrieben, die ihre Mitarbeiter nicht entlassen haben. Das galt auch für die Auszubildenden. Es gab keine Generation Corona und dies darf auch der Jahrgang 2021 nicht werden.

Rettet Kurzarbeit den Arbeitsmarkt langfristig über die Krise?
Ingo Zenkner

Wenn man glaubt, über die Brücke der Kurzarbeit in eine neue Phase der Konjunktur zu kommen, in der man die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wieder braucht, dann ist Kurzarbeit das richtige Instrument. Ob über kürzere oder längere Zeit, das ist nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend ist der Wille, mit der Kurzarbeit in bessere Zeiten zu gelangen.

Das verhindert auch, dass die Menschen in unserer Region ihre Arbeit verlieren.
Ingo Zenkner

Der Arbeitsmarkt lief in einem relativ robusten Modus. Zu einer guten Quote kamen nicht sehr viele Arbeitslose hinzu. Das hatte ich zunächst nicht vermutet. Mit dem zweiten Lockdown werden wieder vermehrt Betriebe in die Kurzarbeit zurückgehen. Zum Jahreswechsel, wenn die Quartalskündigungen vorliegen, werden wir dann sehen, welche Spuren die Pandemie hinterlassen hat.

Zählen dazu auch Insolvenzen? 
Ingo Zenkner

Es wird alles geben: Unternehmen, die gut weiter durch die Krise kommen. Und solche, die es nicht gut schaffen. Aber es wird keine Insolvenz-Welle geben. Dazu ist alles, was ich sehe, robust genug. Aber die Krise ist kein Hundert-Meter-Sprint sondern ein Marathonlauf.

Was meinen Sie damit?
Ingo Zenkner

Ich erwarte 2021 noch als Pandemie-Jahr, mit all seinen negativen Entwicklungen. Das Besondere ist die Parallelität von Transformationen, Konjunktur und Gesundheitskrise. E-Mobilität, Digitalisierung oder ähnliches werden in ihrer Entwicklung angestoßen. Corona ist wie ein Brandentwickler für diese Transformationen.

Also hat die Krise auch etwas Gutes?
Ingo Zenkner

Sie ist eine riesige Chance. Man kann neue Geschäftsmodelle und Kommunikationsformen entwickeln. Aber konjunkturell haben wir eine Nachfrage-Angebots-Krise. Zum Beispiel Gaststätten können nichts mehr anbieten. Das ist eine Herausforderung. In Kombination mit dem Gesundheitsaspekt hat es das noch nie gegeben.

Wer hatte es einfacher im Corona-Jahr: Arbeitgeber oder Arbeitnehmer?
Ingo Zenkner

Die Masse der Kurzarbeitenden hat ein schlechtes Gefühl, da sie nicht wissen, in welchem Maß der Betrieb weitergeht. Die Betriebe, die ganz geschlossen sind, sind verzweifelt. Wir haben in unseren Gesprächen viel Betroffenheit erlebt. Es gibt nicht die einen Gewinner.

Wie steht es um die Integrations-Projekte? War 2020 Platz für Teilhabe?
Ingo Zenkner

Ich hätte auch gedacht, dass diese unter der Krise leiden. Aber nein, das ist nicht der Fall. Wir hatten geplant, 300 Langzeit-Arbeitslose auf Grundlage des Teilhabechancengesetzes auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzubringen. Das hat geklappt.

Stichwort Fachkräftemangel. Wie sieht es im Bezirk der Agentur damit aus?
Ingo Zenkner

Ich sehe, dass wir immer noch einen Fachkräftemangel haben und dass dieser in den nächsten Jahren aufgrund demographischer Entwicklungen noch steigen wird. Ich sehe auch einen Arbeitsmarkt, der sich mittelfristig positiv entwickeln wird. Der Kern unserer Arbeit ist derweil die berufliche Bildung. Wir brauchen das Potenzial der Fachkräfte und all jener, die es noch nicht sind. Ich will, dass Arbeitslose berufliche Bildung bekommen. Ich will, dass junge Menschen genug Ausbildungsplätze bekommen. Ich will die bestehende Belegschaft der Unternehmen fördern.

Warum ist das so wichtig?
Ingo Zenkner

Wer gering qualifiziert ist, muss sich langfristig weiterbilden. Sonst hat derjenige auch ohne Corona keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Wenn wir gemeinsam mit den Unternehmen in die Belegschaft investieren, kann ich sie auf dem Markt halten und so vor Arbeitslosigkeit schützen.

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