Mit dem Wegfall von Kitas, Schulen und Freizeitangeboten haben sich die alltäglichen Strukturen in Familien aufgelöst. Das bedeutet sowohl für Eltern als auch für Kinder vor allem eins: Stress. Das erklärt Jonas Pformann vom Jugendamt des Landkreises Karlsruhe.
„Probleme, die bereits da waren, sind mit der Krise nicht einfach weg“, erklärt Jonas Pfirmann vom Jugendamt des Landkreises Karlsruhe. Vielmehr seien Themen wie Existenzängste, fehlende Ruhephasen und Unsicherheit hinzugekommen oder hätten sich verstärkt.
Kinder, die schon immer Besonderheiten aufweisen, sind auch ohne Corona-Krise für Eltern anstrengendJonas Pfirmann vom Jugendamt des Landkreises Karlsruhe
Doch neben den derzeitigen potenziellen Gefahren von vorbelasteten Familien befürchtet das Jugendamt auch, dass sich die Folgen der Corona-Krise auf das Verhältnis untereinander erst im Nachgang bemerkbar machen. „Die Familien sitzen nun noch enger zusammen“, sagt Dominik Weiskopf, Leiter des Jugendamts. Die Unterstützung von außen etwa durch Betreuungsangebote fehle. „Wir sind aber weiterhin da.“
Termine gibt es weiterhin
Regelmäßige Termine bei Betroffenen gäbe es noch, wenn auch unter Einschränkungen und mit Schutzausrüstung. „Wir haben einen Schutzauftrag, aber müssen auch für die Sicherheit unserer Mitarbeiter sorgen“, sagt Weiskopf.
Mit dem Beginn der Corona-Krise lag das Hauptaugenmerk des Amtes darauf, die Notfallversorgung zu gewährleisten, eine Rufbereitschaft aufrecht zu erhalten und Vorkehrungen zu treffen, dass auch im Ernstfall Hausbesuche eben möglich sind.
Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick
„Kinder, die schon immer Besonderheiten aufweisen, sind auch ohne Corona-Krise für Eltern anstrengend“, erzählt Pfirmann. „Nun gibt es für keinen der Beteiligten noch Ausweichmöglichkeiten, Ruhephasen oder Rückzugsorte.“ Das berge großes Konfliktpotenzial.
Das Risiko von körperlichen Auseinandersetzungen etwa verstärke sich. „Bislang haben wir im Landkreis noch keinen Anstieg der Fälle beobachtet. Aber wir haben das im Fokus“, sagt Pfirmann. Gefährlich sei zudem, dass Familien sich viel einfacher vom Jugendamt zurückziehen und somit aus dessen Blickfeld entfernen könnten. Da auch die Kooperationspartner wie Schulen derzeit keinen Einblick bekommen, berge das wiederum das Risiko, Probleme zu übersehen oder zu spät auf sie aufmerksam zu werden. Das Jugendamt begleitet eine ganze Bandbreite an Familiengeschichten: „Darunter sind natürlich auch Suchtproblematiken, aber auch Eltern, die mit der Behinderung ihres Kindes nicht zurechtkommen oder von Existenzängsten durch Arbeitslosigkeit gequält werden. Andere Kinder leiden wiederum unter der Trennung ihrer Eltern“, erklärt Weiskopf. „Es gibt nicht ein Hauptproblem.“
Mehr zum Thema:Der direkte persönliche Kontakt finde derzeit nur in Notfällen statt. Präventive Gespräche könnten aber nur noch am Telefon oder per Video-Konferenz geführt werden. „Wenn die Situation dauerhaft so bleibt, wie sie aktuell ist, fallen wichtige Schnittstellen weg“, sagt Weiskopf. „Das ist gerade eher die Ruhe vor dem Sturm.“
Die Erlebnisse während der Krise verändern aber auch scheinbar intakte Familien, vermutet Weiskopf. „Im normalen Alltag kommen Eltern und Kinder gut zurecht. Plötzlich taucht Stress auf, den sie vorher so nicht gewohnt waren. Familien, die sonst keine Hilfe brauchen, benötigen sie nun.“ Mit dieser Entwicklung rechnet Weiskopf vor allem dann, wenn sich die Einschränkungen langsam wieder lösen. „Das wird eine Herausforderung“, bestätigt Pfirmann. „Kinder, die zum Beispiel früher schon nicht gerne zur Schule gingen, sollen das plötzlich wieder tun, nachdem sie einige Wochen zuhause waren.“ Es stelle sich eine Krisennormalität ein, sagt er. „Es kommt eine neue Druckwelle auf das Jugendamt zu.“
Kontakt Psychologische Beratungsstelle:
Bruchsal, (0 72 51) 9 15 00
Bretten, (0 72 52) 58 69 00
Östringen, (0 72 53) 2 43 43
Ettlingen, (0 72 43) 51 51 40
Karlsruhe, (07 21) 93 66 70 50
Graben-Neudorf, (07 21) 93 66 86 00
Allgemeiner Sozialer Dienst:
Karlsruhe, (07 21) 93 66 70 10
Bruchsal, (07 21) 93 65 23 70