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Julias Ökolumne

Das Drama eines verstopften Abflusses – in drei Akten

Warum gibt es in jedem Supermarkt super-aggressive chemische Rohrreiniger, aber nirgendwo einen schnöden Pümpel? Und was ist in dieser misslichen Lage umweltfreundlicher: Für einen solchen fünfzehn Kilometer zum Baumarkt zu fahren oder den Paketboten kommen zu lassen? Eine Odysee in der neuen Folge von Julias Ökolumne.

So flüssig läuft es nicht immer.
So flüssig läuft es nicht immer. Foto: Paul Michael Hughes – stock.adobe.com / BNN Montage
Warum gibt es in jedem Supermarkt super-aggressive chemische Rohrreiniger, aber nirgendwo einen schnöden Pümpel? Und was ist in dieser misslichen Lage umweltfreundlicher: Für einen solchen fünfzehn Kilometer zum Baumarkt zu fahren oder den Paketboten kommen zu lassen? Eine Odyssee in der neuen Folge von Julias Ökolumne.

Ich habe lange Haare. Sie sind nicht gerade so lang, dass es reichen würde, um einen Prinzen daran in mein Schlafzimmer klettern zu lassen. Aber lang genug, um zuverlässig alle zwei bis drei Wochen meinen Duschabfluss zu verstopfen, träfe ich keine Vorsichtsmaßnahmen.

Mein Vater, seinerseits mit drei langhaarigen Frauen in der Familie gestraft, hat mich schon früh dazu erzogen, immer brav die Haare aus dem Abflusssieb zu fischen. Tatsächlich war ein solches Abflusssieb auch gleich unter den ersten Dingen, die ich beim Einzug in meine neue Wohnung kaufte – über das seltsame Gefühl, spätestens jetzt genau wie meine Eltern geworden zu sein, wollen wir an dieser Stelle aber nicht sprechen.

Da das tägliche Abflusssiebreinigen nun geradezu in religiösem Maße zu meiner Morgenroutine gehört, kann ich absolut sicher sein, dass es nicht meine Schuld ist, wenn mein Abfluss dennoch von Zeit zu Zeit verstopft. Ich schiebe es auf Gastduscher oder das Avocadoöl in meinem garantiert veganen Shampoo oder den Sand zwischen meinen Zehen, den ich nach einem Besuch am Baggersee abwasche. Schon mal versucht, Sand mit einem Sieb aufzufangen? Eben.

So begab es sich also zu der Zeit, dass das Duschwasser wieder einmal absolut nicht aus meiner Badewanne weichen wollte. Und für mich begann eine mehrtägige Odyssee durch duftendes Brackwasser und verschiedene Stufen der Verzweiflung.

Akt 1: Die Hausmittelchen

Backpulver und Essig sollen im Haushalt ja an allerorten Wunder wirken – das ist zumindest eines der wenigen Dinge, bei dem sich meine Oma und das Internet einig sind. Spoiler: Es funktioniert nicht. Für die Reinigung zwischendurch mag diese Mischung ein tolles Mittelchen sein, aber bei einer handfesten Verstopfung hat das Ganze höchstens Placebo-Effekt.

Und zwar den, dass ich noch einige Tage lang erst gutgläubig und schließlich fluchend nach jeder Dusche in meinem eigenen Saft stand, bis ich einsehen musste, dass es wirklich nichts gebracht hatte. Es mussten härtere Geschütze aufgefahren werden. Was würde mein Vater in dieser Situation tun? Richtig: Der Griff zum Pümpel war angesagt.

Akt 2: Die Supermärkte

Ich ging also in zwei Drogeriemärkte und einen sehr großen Rewe. Einen Rewe von der Sorte, wo man siebzehn Seitanaufschnitte kaufen kann, Geschirr für die ganze Großfamilie und Craft Cider aus irgendeinem nordirischen Dorf. Aber ein schnöder Pümpel? Fehlanzeige.

Keine Freude für Fische und Flüsse: Im Handel gibt es allerlei chemische Rohrreiniger.
Keine Freude für Fische und Flüsse: Im Handel gibt es allerlei chemische Rohrreiniger. Foto: Weller

Eimer, Handschuhe, Putzlappen, ganze ausgeklügelte Boden-Wisch-Systeme mit selbsttrocknenden Mopps (ja, das ist wirklich der korrekte Plural...) gibt es im Angebot. Und jede Menge pure Chemie in Form von giftigen Gels oder reizendem Granulat könnte ich kaufen, die versprechen, mein verstopftes Rohr in dreißig Minuten frei zu zaubern. Aber ich will nichts meinen Abluss herunterkippen, was laut Aufschrift auf keinen Fall mit meiner Haut in Kontakt kommen darf. Also ging ich unverrichteter Dinge wieder heim.

Akt 3: Der Gewissenskonflikt

Wo bekommt man nun im Jahr 2019 einen Pümpel her? Der nächste Baumarkt ist acht Kilometer entfernt. Zu viel für eine schnelle Fahrradtour nach Feierabend. Und viel zu viel, um mal eben nur für einen simplen Pümpel mit dem Auto hinzufahren. Die Abgase! Die Staus! Die Verschwendung fossiler Brennstoffe!

Als Digital Native fiel mir nur eine Lösung ein: Amazon. Aber auch der Paketbote würde ja mit seinem Dieseltransporter auf seinem Weg zu mir Dreck in die Luft pusten. Und so tat ich etwas, was ich als Großstädterin der Google-Generation schon lange nicht mehr getan hatte: Ich klingelte bei den Nachbarn. Und bat sie nicht um Eier oder Mehl, sondern um ihren Pümpel, dieses unfassbar praktische Gerät mit den vielen Namen.

Das Ende der Geschichte? Mein Abfluss ist wieder frei, mein Gewissen ist es genauso. Aber irgendwie habe ich so das Gefühl, das zumindest einer der beiden Zustände nicht sonderlich lange anhalten wird...

Julias Ökolumne

Umweltfreundlich leben wollen wir alle irgendwie – wenn das doch nur nicht immer so anstrengend wäre. In dieser Kolumne nimmt Julia Weller das Spannungsfeld zwischen der allseits erwünschten Nachhaltigkeit und unserer alltäglichen Bequemlichkeit auf die Schippe. Alle Folgen gibt es hier .

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