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Fragen und Antworten

Dashcam an Bord – was bei uns erlaubt ist und was nicht

Die Mini-Kameras für Scheibe oder Lenker sind bei Auto- und Fahrradfahrern beliebt. Bei Datenschützern ist ihr Einsatz umstritten. Was gilt im Fall eines Unfalls?

Eine sogenannte Dashcam, befestigt an der Windschutzscheibe, filmt den Straßenverkehr aus einem Auto.
Eine sogenannte Dashcam, befestigt an der Windschutzscheibe, filmt den Straßenverkehr aus einem Auto. Foto: Wolfgang Kumm picture alliance/dpa

Dashcams – kleine Kameras, die am Armaturenbrett befestigt werden – sind beliebte Begleiter im Straßenverkehr. Sie zeichnen das Geschehen während auf, um – im Falle eines Unfalls – die Schuldfrage klären zu können. Auch immer mehr Fahrrad- und Motorradfahrer nutzen die Mini-Geräte, um sich abzusichern.

Doch der Einsatz der digitalen Augen ist umstritten. Schließlich darf in Deutschland niemand gegen seinen Willen gefilmt werden. Ist der Einsatz von Dashcams also überhaupt erlaubt? Was darf man, was nicht? Und können die Aufnahmen vor Gericht als Beweismittel verwendet werden? Fragen und Antworten zum Thema.

Mit Aufnahmen einer Dashcam lässt sich bei einem Unfall oft die Schuldfrage schneller klären. Laut einer Umfrage würden auch viele einen standardmäßigen Einbau in Neuwagen befürworten.
Mit Aufnahmen einer Dashcam lässt sich bei einem Unfall oft die Schuldfrage schneller klären. Laut einer Umfrage würden auch viele einen standardmäßigen Einbau in Neuwagen befürworten. Foto: Friso Gentsch/dpa
Ist der Einsatz von Dashcams in Deutschland erlaubt?
Grundsätzlich ja – mit einem dicken Aber: „In Deutschland darf niemand gegen seinen Willen gefilmt werden“, erklärt Manuel Praxl, Technik-Experte beim ADAC Nordbaden. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, müsste man also alle Beteiligten zunächst fragen. In der Praxis ist das aber kaum möglich.
Also ist es verboten?
Nein. Dashcams können laut dem ADAC-Experten Praxl „kurz und anlassbezogen“ filmen. Dazu dürfen die kleinen Kameras nicht permanent angeschaltet sein, sondern nur dann, wenn es zu einem Unfall oder zu einer starken Verzögerung kommt. Außerdem dürfen die Aufnahmen nur für einen kurzen Zeitpunkt gespeichert werden und sie dürfen nicht die Persönlichkeitsrechte von Personen gefährden.
Wie kann das anlassbezogene Filmen aussehen?
Dazu gibt es einen Lehrbuchfall aus dem Jahr 2015. Damals klagte ein Autofahrer (A) einen weiteren an (B), da B angeblich A überholte, um ihn später auszubremsen und von der Straße zu drängen. A schaltete die Auto-Kamera mit Beginn des Überholmanövers von B an und wollte diese Aufzeichnung jetzt im Strafprozess nutzen.
Das Gericht ließ die Aufnahmen der Dashcam in diesem Fall als Beweismittel zu. Die Begründung: Person A, also der Kläger, hatte nicht permanent gefilmt. Zudem war das Dashcam-Material als zulässig bewertet worden, da keine Personen auf dem Film zu sehen sind.

Das Problem mit dem Datenschutz

Warum ist das so geregelt?
Der Schutz der persönlichen Daten und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben in Deutschland einen hohen Stellenwert. Bevor man jemanden filmt, muss man die Person zumindest in Kenntnis setzen. Auf privaten Grundstücken oder Firmengeländen weisen große Schilder darauf hin. „Die Beobachtung mit Videokameras ist zudem nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“, sagt Manuel Praxl.
Was sagt der ADAC dazu?
„Aus unserer Sicht sollten zumindest kurze, anlassbezogene Aufnahmen von Unfällen im Straßenverkehr zur Klärung der Schuldfrage bei Gerichtsverfahren verwertbar sein. Das Aufklärungsinteresse an der hierfür gespeicherten kurzen Filmsequenz sollte dabei stärker wiegen als der Datenschutz Dritter“, meint Manuel Praxl.
Der Datenschutz überwiegt nach Ansicht der ADAC-Juristinnen und -Juristen jedoch, wenn es nur darum geht, wahllos Beweismittel zu sammeln, um als Hilfssheriff die Verkehrsverstöße anderer anzuzeigen. Derartige Aufnahmen sollten daher verboten bleiben.

Verwertbarkeit vor Gericht

Können die Aufnahmen vor Gericht überhaupt verwendet werden?
Auch wenn die permanente Aufzeichnung des Straßenverkehrs unzulässig ist, kann es sein, dass die Aufnahmen im Einzelfall doch verwendet werden dürfen. In einem Zivilprozess zum Beispiel. Im Mai 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dazu ein wichtiges Urteil gefällt.
Was war das für ein Fall?
Es ging um zwei Autofahrer in Magdeburg, die beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidierten. Der Kläger hatte eine Dashcam an Bord und wollte seine Unschuld anhand der Aufzeichnungen beweisen. Das Amts- und das Landgericht wollten diese nicht gelten lassen. Sie vertraten die Ansicht, dass die Aufnahmen aus Datenschutzgründen ohnehin nicht erlaubt seien und deshalb auch nicht als Beweis verwendet werden können.
Der BGH sah das anders und entschied, dass im Einzelfall permanente, anlasslose Aufzeichnungen einer Dashcam im Unfallhaftpflichtprozess als Beweismittel sehr wohl verwertbar sein können. 
Gibt es eine allgemeingültige Antwort?
Nein. Es bleibt immer eine Einzelfall-Entscheidung und kommt sehr auf die Umstände an.

Bei Verstößen drohen Bußgelder

Seit dem 1. Juli 2023 ist Tobias Keber Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg.
Seit dem 1. Juli 2023 ist Tobias Keber Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Foto: LfDI BW
Was passiert, wenn die Aufnahmen unzulässig verwendet werden?
Wer Filmchen mit seiner Dashcam macht und diese dann womöglich noch ins Internet stellt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Dann drohen Bußgelder und nicht zu knapp. Der Rahmen für solche Verstöße beläuft sich auf bis zu 20 Millionen Euro oder bei einem Unternehmen auf bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. Solche drastischen Fälle sind in Baden-Württemberg bislang allerdings noch nicht vorgekommen.
Passiert es trotzdem?
Der Landesdatenschutzbeauftragte des Landes, der in diesem Fall zuständig ist, schreibt dazu. „Im Rahmen unserer behördlichen Tätigkeit ist der Einsatz von Dashcams durch Privatpersonen ein Dauerthema. Diesbezüglich erreichen uns immer wieder Beratungsanfragen, Beschwerden und Anzeigen wegen eines ordnungswidrigen Dashcam-Gebrauchs.“ Zahlen kann die Behörde nicht nennen. „Wenn wir unzulässige Dashcam-Aufzeichnungen feststellen, kann dies zu Bußgeldverfahren gegen die verantwortlichen Dashcam-Betreiber führen“, heißt es auf Nachfrage.

Andere Länder, andere Regeln

Ist das überall in Europa so?
Nein. Es gibt sehr unterschiedliche Regelungen. In Frankreich zum Beispiel dürfen die Dashcams ständig aufzeichnen. Kommt es zu einem Unfall, muss man sein Gegenüber aber darüber informieren, dass eine Kamera mitgeschnitten hat. In Italien und Österreich dürfen die Kameras nur für den privaten Gebrauch verwendet werden und in Schweden muss das Gerät leicht entfernbar sein und die Daten regelmäßig überschrieben werden.
Und außerhalb?
Auch da gibt es sehr unterschiedliche Regeln. In Großbritannien zum Beispiel gibt es kaum Einschränkungen, was den Einsatz von Video-Überwachung angeht. Ganz im Gegenteil: Dort vergibt eine Kfz-Versicherung sogar zehn Prozent Rabatt auf die Rechnungssumme, wenn sich der Fahrer oder die Fahrerin eine Dashcam im Auto installieren.

Serienmäßige Wächterfunktion

Haben moderne Fahrzeuge die Kamera nicht schon serienmäßig eingebaut?
Tatsächlich gibt es Autos, die die Dashcam schon eingebaut haben. Tesla ist ein bekanntes Beispiel. Bestimmte Modelle verfügen über einen sogenannten Sentry Mode – den Wächtermodus. Diesen kann der Fahrer jederzeit aktivieren. Er überwacht auch das stehende Fahrzeug. Zudem können sich Fahrer oder Fahrerin mittels einer App in die Systeme des Fahrzeugs einloggen und sich die Kamerabilder von überall anschauen. Das Auto ist dann wie eine bewegliche Überwachungskamera. Problematisch ist auch, was mit den gesammelten Daten passiert. Die gehen, laut Ermittlungen der Berliner Polizei, nämlich ins Ausland.
Ist das erlaubt?
Die Überwachung von öffentlichen Räumen mittels Kamera ist in Deutschland nicht erlaubt. Tesla hat deshalb vor Gericht auch eine Unterlassungserklärung abgegeben und sich darin verpflichten müssen, seine Werbung für den „Sentry Mode“ zu ändern. Eingebaut ist das System allerdings.
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