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Neues aus dem Elternleben

Der Ernst des Lebens

Jahrelang ging unsere Kinderkram-Autorin bestimmten anderen Eltern aus dem Weg. Jetzt, wo für ihr Kind die Schule beginnt, ist das plötzlich nicht mehr möglich. Wie sie mit dem Beginn des "Ernst des Lebens" umgeht, erzählt sie in unserem neuesten Kinderkram.

Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern.
Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern. Foto: Dolgachov/Fotolia

Mit der Schule, sagt man, beginnt der Ernst des Lebens. Eigentlich richtet sich dieser Satz ja an Kinder, doch seit geraumer Zeit schwant mir: Er richtet sich an mich.

Ich habe Angst vor der Schule. Dies liegt nicht etwa daran, dass ich als Morgenmuffel ab September plötzlich beinahe zwei Stunden früher das Haus verlassen muss. Es liegt auch nicht daran, dass wir plötzlich mit sechs Wochen Urlaub irgendwie 14 Wochen Schulferien überbrücken müssen.

Echte Panik habe nur ich vor einem: anderen Eltern. Fünf Jahre lang habe ich es geschafft, bestimmten Spezies meiner elterlichen Mitstreiter aus dem Weg zu gehen:

Ich traf mich nicht mehr mit den Krabbelgruppen-Mamas, die mir erklärt hatten, warum Kaiserschnitte schlecht für das Baby sind, nachdem ich von der nicht wie geplant gelaufenen Geburt meines Kindes erzählt hatte.

Ich machte einen Bogen um das Elternpaar, das mir beim ersten Treffen ungefragt alle Indizien aufzuzählen begann, die sie bereits für die Hochbegabung ihres Einjährigen gefunden zu haben meinten.

Und ich wechselte zum anderen Ende des Sandkastens, wenn ein Vater sich in jeden noch so belanglosen Streit zwischen den spielenden Kleinkindern einmischte, um für Gerechtigkeit für sein eigenes Kind zu sorgen.

Und nicht nur das: Ich verließ Mama-WhatsApp-Gruppen, in denen eine hysterische und meistens falsche Nachricht die nächste jagte („Wieder Heroinspritze auf Spielplatz gefunden!“), ignorierte entzündliche Fragen („Ach, der Kleine darf schon Kaugummi kauen?“) und vermied jegliche Diskussion zu Themen, über die innerhalb der Elternschaft gerne gestritten wird.

Jetzt, wo der Ernst meines Lebens beginnt, ist das alles nicht mehr möglich und ich muss lernen, damit umzugehen. Einen ersten Test dafür gab es kürzlich beim Elternabend für die Vorschüler: Bangend saß ich im Versammlungssaal der Schule und lauschte den Ausführungen der Rektoren und den Fragen der anderen Eltern, als sich meine Sitznachbarin plötzlich zu mir hinüberbeugte: „Ich war so gestresst wegen der vielen Eltern hier, dass ich vorher ein Glas Sekt getrunken habe.“ Und zum ersten Mal dachte ich: „Vielleicht wird der Ernst des Lebens ja doch nicht so schlimm.“

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