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Roman „Dschinns“

Fatma Aydemir kommt aus Karlsruhe und ist für den Deutschen Buchpreis nominiert

Die aus Karlsruhe stammende Autorin Fatma Aydemir steht mit ihrem viel beachteten zweiten Roman „Dschinns“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

ARCHIV – 01.09.2022, Hamburg: Fatma Aydemir, Autorin, steht anlässlich des Longlist-Abends des Deutschen Buchpreises auf dem Balkon im Literaturhaus. Sie gehört mit ihrem Buch „Dschinns“ zu den sechs Finalisten für den Deutschen Buchpreis 2022. Foto: Georg Wendt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Fatma Aydemir, 1986 in Karlsruhe geboren und seit 2012 in Berlin lebend, steht mit ihrem Buch „Dschinns“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2022. Foto: Georg Wendt/dpa

Wie viel Potenzial der Roman „Dschinns“ von Fatma Aydemir hat, wurde schon bald nach seinem Erscheinen im Februar klar. Die 1986 in Karlsruhe geborene Autorin, die seit 2012 in Berlin lebt und dort als Journalistin bei der „taz“ tätig ist, erfuhr viel Aufmerksamkeit.

In der „Süddeutschen Zeitung“ etwa hieß es, das Buch sei „ein Familienroman von außerordentlicher Intensität“ und es sei „erstaunlich, wie wandelbar Aydemirs Erzählstimme ist“. Jede Figur sei „glaubhaft und stimmig und zugleich völlig verschieden von den anderen“.

Nun gehört „Dschinns“ zu den sechs ausgewählten Romanen auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

Ich habe versucht, für jede Perspektive einen anderen Sound zu finden.
Fatma Aydemir, Autorin von „Dschinns“

Dass die vielen unterschiedlichen Perspektiven eine Herausforderung waren, bestätigte Fatma Aydemir bei einer Lesung in Karlsruhe Ende April. „Ich hatte aber voll Bock drauf und habe versucht, für jede einen anderen Sound zu finden“, so die Autorin, die damals im Kulturzentrum P8 auch verriet, beim Schreiben selbst vom frühen Tod der vermeintlichen Hauptfigur überrascht worden zu sein.

30 Jahre hat der Familienvater Hüseyin in Deutschland gerackert, um sich eine Eigentumswohnung in Istanbul leisten zu können. Und dann stirbt er dort noch vor dem tatsächlichen Einzug an einem Herzinfarkt. Da habe sie gemerkt: „Da ist noch eine Geschichte verborgen“, so Aydemir in Karlsruhe.

Der im Hanser-Verlag erschienene Roman erzählt, wie Hüseyins Familie zur Beerdigung anreist und bringt anhand von sechs sehr unterschiedlichen Figuren Migrations- und Emanzipationserfahrungen in Deutschland zur Sprache.

Eindringlicher Familienroman über das Leben in der Fremde

Der Roman erzähle „in Rückblenden eindringlich und mit großer Sympathie von einem Leben in der Fremde, von Angst und Einsamkeit, von unzähligen Missverständnissen und Sprachlosigkeit“, befand die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Der ARD-Literaturkritiker Denis Scheck nannte das Buch „eine Augen öffnende Lektüre“, der Deutschlandfunk lobte die Verbindung aus analytischer Klarheit und großer Empathie für die Figuren. Und das Nationaltheater Mannheim brachte im Juli eine mit viel Premierenbeifall bedachte Bühnenversion zur Aufführung.

In der Jury-Begründung zur Nominierung von „Dschinns“ für den Deutschen Buchpreis heißt es nun, Aydemir lüfte die Geheimnisse der Familie „präzise und einfühlsam“.

Preis wird am 17. Oktober vergeben

Das Buch behandele einen Teil der jüngeren deutschen Geschichte, „der bisher kaum in der Literatur zu finden ist“. Möglicherweise gibt es dafür die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung, die seit 2005 jeweils zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse vergeben wird (in diesem Jahr am 17. Oktober).

Ebenfalls von Autorinnen stammen die nominierten Romane „Nebenan“ von Kristine Bilkau (Luchterhand) über das Schicksal zweier Frauen in der norddeutschen Provinz und „Lügen über meine Mutter“ (Kiepenheuer & Witsch) von Daniela Dröscher, das aus der Kinderperspektive von der vom Leben enttäuschten Tochter schlesischer Flüchtlinge erzählt.

Jan Faktor verbinde in „Trottel“ (Kiepenheuer & Witsch) über den Weg eines Außenseiters von Prag nach Berlin „Zeitgeschichte und Lebensgeschichte auf sehr besondere Weise“, findet die Jury. Das Buch sei „ein provokanter, bisweilen verstörender Schelmenroman“. In Eckhart Nickels „Spitzweg“ (Piper) wird ein Kunstbanause zum glühenden Verehrer des titelgebenden Malers - für die Jury „ein großes intelligentes Lesevergnügen.

Auch nicht-binäre Identität ist Thema eines nominierten Romans

Kim de l’Horizon, 1992 bei Bern geboren, identifiziert sich als nicht-binär. Auch die Hauptfigur des Romans „Blutbuch“ (Dumont) heißt Kim und fühlt sich weder ausschließlich männlich noch weiblich. Als die Großmutter ihre Dominanz an die Demenz verliert, beginnt Kim eine eigene Sprache zu bilden.

„Da es in diesem Gemenge keinen geraden Weg gibt, kann die Form des Romans nicht linear sein“, konstatiert die Jury. Mal sei die Sprache experimentell und gewagt, mal derb und obszön, mal zart und intensiv.

Die Jury hatte insgesamt 233 Titel gesichtet. Die Mitglieder waren beeindruckt von „sprachlicher Brillanz und formaler Innovationskraft“. Die Shortlist lade den Leser ein, „den eigenen Blick auf die Welt neu zu justieren“.

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