Schäfchen zählen – das war früher in good old times der Ratschlag, wenn man nicht schlafen konnte. Schäfchen zählen – wie schön, wie harmlos, wie kindisch. Im Internet muss man schon eine Schippe drauflegen bei den Einschlaftipps, wenn man irgendjemanden hinterm Ofen hervor respektive ins Bett locken möchte. So wie die Krankenkasse Barmer. Die empfiehlt auf Facebook: Besorg’s dir doch einfach, dann kommt der Schlaf von alleine. Tja. Dann viel Spaß und gute Nacht?
Tatsächlich kommt der Post bei den Facebook-Fans der Barmer gut an. Rund 6.000 Reaktionen, 5.600 Kommentare, mehr als 5.000 Mal geteilt wurde das Foto. „Liebe Barmer“, schreibt beispielsweise Anja darunter, „ich bekomme seit eurem Posting nicht genug davon und bin regelrecht süchtig geworden. Übernehmt ihr den Entzug in einer Sexklinik?“ Die Antwort des Barmer-Social-Media-Teams: Solange Sucht gut tut und nicht schadet, könne man ja beruhigt weitermachen.
Geiles Marketing. In jedem der 2 möglichen Sichtweisen!!!!
Oder dieser Kommentar hier von Silke: „Eine gute Krankenkasse (…). Für alles andere habe ich meinen Mann“ – und dazu dann so ein Emoji, das sich die Lippen leckt (also die im Gesicht). Die Antwort von Barmer: „Da wird sich dein Mann aber freuen“. Ein weiteres Beispiel, von Michèle: „Geiles Marketing. In jedem der 2 möglichen Sichtweisen!!!! [sic!]“ – die Antwort von Barmer: Ein Link zur Anmeldung bei der Krankenkasse. Mehr nicht.
Erbarmerungswürdig
Haben Sie das Muster schon durchschaut? So frech der Werbe-Post auch sein mag, das Social-Media-Team wirkt doch ein klein wenig überfordert mit der ganzen subtilen Schlüpfrigkeit, die da die Barmscher’sche Timeline überspült. Irgendwo balancieren die erbarm er ungswürdigen Krankenkassen-Angestellten da hinter dem Bildschirm zwischen markenverträglicher Werbung und harmlosen Anzüglichkeiten – denn mehr dürfen sie sich dann eben doch nicht erlauben.
Bissige Kommentare, dass Brillen nicht übernommen werden? Fröhlich drüber hinweggehen. Misstrauische User, die fragen, warum man von der Krankenkasse jetzt geduzt werde? Beschwichtigen. Der zehntausendste Witz „Übernehmt ihr dann auch die Kosten der Batterien“? Höflich sein, freundlich sein, nett sein. Und dabei verdammt vorsichtig, kein Marketing-Team darf sich einen Shitstorm erlauben.
Ehrlich, ich bin nicht neidisch. Das muss ein ziemlich schwieriger Job sein, tagelang so einen Balanceakt zu wuppen. Und jetzt fangen auch noch die ganzen Journalisten an, über den Post zu schreiben (so wie ich, hihi). Ja, ein echt erfolgreicher Marketing-Gag ist das. Aber sicher auch verdammt anstrengend. Sie machen ihre Arbeit ja wirklich nicht schlecht, die Social-Media-Manager da bei der Barmer. Immerhin mussten sie hunderte Kommentare schreiben, damit sich auch keiner der mehr oder weniger witzigen Kommentatoren von der Krankenkasse mit dem hoffnungs-grünen Logo alleine gelassen fühlt auf Facebook. Und bislang ist tatsächlich alles gut gegangen. Respekt! Wie viele Stunden das Team wohl seit Tagen nur mit diesem Post und den Kommentaren darunter beschäftigt ist? Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher: Diese Leute brauchen derzeit keine Masturbation, um abends schlafen zu können.