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Neues aus dem Elternleben

Die bösen Klackschuhe

"Meinen Sie nicht, dass Ihr Kind bei diesem Wetter einen Hut tragen sollte?" - wer mit Nachwuchs in freier Wildbahn unterwegs ist, sieht sich oft der ungefragt mitgeteilten Meinungen vermeintlich fürsorglicher Menschen ausgesetzt. Mehr dazu in der neuesten Ausgabe unserer Kinderkram-Kolumne.

Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern.
Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern. Foto: Dolgachov/Fotolia

Vor einiger Zeit hatte ich der Fünfjährigen auf dem Flohmarkt ein Paar weiße Glitzerschuhe mit Absatz gekauft – Klackschuhe, wie das bei ihr heißt. Ein Volltreffer: Hingerissen verbrachte sie fortan jede freie Minute damit, als Prinzessin, Piratin oder Fee hochhackig durch die Wohnung zu klacken. Bald stand eine Hochzeit an. Schon Wochen vorher begann die Tochter, uns zu bearbeiten, zu diesem Ereignis doch ausnahmsweise ihre Klackschuhe anziehen zu dürfen. Und weil sie das so nett machte, erlaubten wir ihr schließlich, die Schuhe nach der standesamtlichen Zeremonie anzuziehen und damit zur Hochzeitsfeier im Restaurant zu laufen, wo – wie wir uns dachten – sie ihr früher oder später unbequem werden würden. Mit einem hatten wir jedoch nicht gerechnet: Kaum war die Fünfjährige am lang ersehnten Tag in ihren Schuhen fünf Meter vom Rathaus weggelaufen, stellte sich uns eine ältere Dame in den Weg. Mit strengem Blick musterte sie das Kind, umfasste die Griffe ihrer Walking-Stöcke fester und sagte: „Also, man muss ja nun wirklich nicht jedem Spleen nachgeben.“

Die meisten jungen Eltern kennen diese unerwünschte Nebenwirkung des Kinderkriegens: Völlig Fremde fühlen sich plötzlich im Recht oder in der Pflicht, ihre Meinung zur elterlichen Fürsorge oder Erziehung abzugeben. Und die ist selten gut. Eine Bekannte sah sich, als ihre Zweijährige beim Einkaufen in einem mittelschweren Tobsuchtsanfall gefangen war und ein weiterer Supermarktbesucher dies offenbar völlig inakzeptabel fand, plötzlich zwei kreischenden Menschen gegenüber. Eine andere wurde während eines Spaziergangs an einem wechselhaften Frühlingstag innerhalb von fünf Minuten von gleich zwei Passanten kritisiert: Einmal, weil ihr Kind „bei der Wärme“ Socken trug. Und einmal, weil sie ihrem Kind die Socken „bei der Kälte“ ausgezogen hatte.

Im Amerikanischen gibt es den Spruch: „If you have nothing nice to say, don’t say anything at all.“ Zu deutsch: Wenn man nichts Nettes zu sagen hat, dann soll man gar nichts sagen. Das sehe ich genauso. Man muss ja schließlich nun wirklich nicht jedem Spleen nachgeben.

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