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Das Interview

Die „lieben“ Kollegen: Mit diesen Tipps kann man Streit am Arbeitsplatz vermeiden

Nervende Kollegen, Stress im Team, Ärger mit dem Chef: Der Arbeitsplatz ist der ideale Nährboden für Konflikte. Und Ärger gibt es sogar im Homeoffice. Eine erfahrene Schlichterin gibt Tipps, wie man Streit in Zusammenhang mit der Arbeitsstätte vermeiden kann.

Katja Wengler
Erfahrene Schlichterin: Katja Wengler ist Studiengangsleiterin Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe. Sie wird bei Konflikten zwischen und mit Studieren, aber auch innerhalb des Professorenteams oder mit dem Rektorat zu Hilfe gerufen. Foto: DHBW KA//fabry

Die meisten Menschen verbringen den Großteil ihrer wachen Zeit am Arbeitsplatz und damit zusammen mit Menschen, die weder zur Familie noch zum Freundeskreis gehören. Konflikte lassen sich da kaum vermeiden. Oder doch?

Katja Wengler ist Studiengangsleiterin am Zentrum für Wirtschaftsinformatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) und Vorstandsvorsitzende des Verbands der Mitarbeiter der DHBW. Sie schlichtet vor allem Konflikte zwischen Studierenden und Lehrenden und als Vorstandsvorsitzende vermittelt Sie vor allem bei Konflikten zwischen der Professorenschaft und dem Rektorat oder dem Präsidium.

Ihre Tipps zur Streitschlichtung im Büro verriet sie unserem Redaktionsmitglied Sibylle Kranich.

Häufig heißt es, dass Unternehmen eine bessere Streitkultur brauchen. Warum eigentlich?
Katja Wengler

Grundsätzlich fühlt sich streiten negativ an und man möchte die Kommunikation harmonisch gestalten, aber streiten bedeutet auch, dass man engagiert und an Weiterentwicklung interessiert ist. Eine gute Streitkultur ermöglicht Innovation, Veränderung und damit Weiterentwicklung. Es ermöglicht dem Team sich konstruktiv miteinander auseinanderzusetzen. Alle Team-Mitglieder bleiben auf einer sachlichen Ebene und nehmen Vorschläge nicht als persönliche Kritik auf. Durch diese Kultur können im Team Kompromisse gefunden werden, die idealerweise von allen getragen werden und so schnell zur Umsetzung kommen, so dass das ganze Team und somit das Unternehmen erfolgreich ist.

Um welche Konfliktthemen geht es am Arbeitsplatz am häufigsten?
Katja Wengler

Konflikte am Arbeitsplatz sind vielfältig und basieren häufig auf Gefühlen wie Stress, Angst, Neid, Unsicherheit, Antipathie oder Druck. Diese Gefühle können durch Konkurrenzsituationen, verschiedene Arbeitsweisen, Rollenverständnis, Gerüchte, Prozessveränderung oder empfundene Benachteiligungen hervorgerufen werden.

Einerseits haben einige Beschäftigte eine Agenda, wie sie im Unternehmen ihre Karriere voranbringen möchten. Da empfindet man konstruktives Feedback oder innovative Ideen als Kritik und Gefahr für die eigene Agenda. Anderseits gibt es Konflikte, wenn Aufgaben mit unterschiedlichen Ansätzen verfolgt werden oder man sich ungerecht behandelt oder zu wenig von Kollegen und Führungskräften wertgeschätzt fühlt oder die ersehnte Beförderung ausbleibt.

Ein weiterer großer Konfliktpunkt ist Veränderung, wenn Prozesse umgestellt, verschlankt oder einfach nur angepasst werden müssen. Und hinzukommt ein ganz menschliches Phänomen, dass man vielleicht einfach mit dem Gegenüber nicht so kann. In den meisten Fällen hilft ein gutes Konfliktmanagement inklusive einer guten Streitkultur.

An der Hochschule sind eher flache bis keine Hierarchien die Regel. Gerade unter Professoren (ob im Rektorat oder in der Lehre) gibt es keine Weisungsbefugnis und damit ist ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe entscheidend. Dennoch gibt es Kollegen in Leitungspositionen, die engagierte Kollegen mit Machtspielchen demotivieren, das führt dazu, dass nur noch „Dienst nach Vorschrift“ gemacht wird und Meinungsäußerungen teilweise nur im Verborgenen getätigt werden. Das geht zu Lasten der Weiterentwicklung und des Arbeitsklima an der Hochschule.

Richtiges Streiten muss erlaubt sein und demonstriert einen innovativen Führungsstil, der zu Mehrproduktivität und Zufriedenheit bei den Kollegen führt, davon profitieren alle. Für jede Führungskraft sollte daher eine Schulung in diesem Bereich verpflichtend sein.

Wenn man aber gar keinen Ärger möchte, wie kann man ihn vermeiden?
Katja Wengler

Durch Reden! Idealerweise nutzt man dazu die gewaltfreie Kommunikation - ein Handlungskonzept, dass von Marshall B. Rosenberg entwickelt worden ist. Im Fokus steht die Entwicklung einer wertschätzenden Beziehung, in dem man versucht, die Beweggründe des Anderen zu verstehen, um so auf der Sachebene zu einer besseren Zusammenarbeit und damit Weiterentwicklung des Teams zu gelangen.

Ganz einfach ausgedrückt: Einfach mal auf die Kollegen zu gehen und miteinander sprechen. Bei Unklarheiten direkt nachfragen und vor allem auf sachlicher Ebene zuhören und weniger Annehmen und Interpretieren, was der andere meinen könnte.

Trägt das Homeoffice eigentlich dazu bei, dass es weniger Streit und Ärger gibt?
Katja Wengler

Leider nein. Alle sind gestresster als sonst, weil Homeoffice, Homeschooling, Alltag und noch die Angst wegen Corona gemeistert werden müssen. Es fehlt der direkte Kontakt zu Kollegen, das kleine Schwätzchen auf dem Gang oder das Kaffeekränzchen in der Mittagspause. Viele sind recht isoliert und wenn man sich nicht verabredet, um mal ein Schwätzchen zu halten, geht die zwischenmenschliche Beziehungsebene und damit das Verständnis für die Situation des Gegenübers teilweise verloren. Das häufigste Kommunikationsmedium im Homeoffice ist die Videokonferenz. In dieser fehlen viele nonverbale Signale. Die Körperhaltung ist nicht zu sehen, Gestik und Mimik sind auf den kleinen Kamerabildchen schwerer zu lesen und kurze zustimmende oder ablehnende Zwischenrufe gehen verloren, da das Mikrofon stumm ist, wenn man nicht an der Reihe ist. Das und auch die innere Anspannung durch die persönliche Situation führen zu Missverständnissen und Konflikten, da Aussagen und Ideen falsch aufgefasst werden. Außerdem fehlt der direkte Austausch mit der Sitznachbarin, diese typischen Zwischengespräche, die die Atmosphäre auflockern könnten.

Haben Sie einen schnellen Tipp parat, wie man einen beispielsweise einen Konflikt unter Kollegen auflösen kann?
Katja Wengler

Entscheidend ist ein wertschätzender und respektvoller Umgang miteinander, abweichende Ansätze und Meinungen anerkennen und eine offene Kommunikation fördern, in der auch konstruktives Feedback erwünscht ist.

Wenn der Konflikt da ist, sollte zur erst sein eigenes Verhalten reflektieren und dann auf Kollegen zu gehen, sich in die Rolle des anderen hineinversetzen und aus der Ich-Perspektive erzählen, wie man den Konflikt sieht, ganz ohne Vorwürfe oder Beschuldigungen, Verallgemeinerungen wie „immer oder nie“ sollte man auch vermeiden. Wenn das zu keiner Veränderung führt, sollte man jemand externen hinzuziehen, der als Mediator fungieren kann.

Eine gute Streitkultur entsteht nicht von heute auf morgen, sondern man muss es üben und immer wieder ausprobieren, am besten startet man im engeren Kollegenkreis und äußert regelmäßig seine Meinung. Kritik äußert man am besten in der Ich-Form und idealerweise inklusive Lösungsansätzen. Am wichtigsten ist es aber, ruhig zu bleiben, auch wenn es hitzige Diskussionen gibt.

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