Für Richard Einstmann bedeutete „früher das Thema Nachhaltigkeit Mülltrennung“. Kennt jeder: Den Restmüll in der heimischen Küche in die linke Tonne, die Wertstoffe in die rechte Tonne.
Nun ist Einstmann aber auch Chef des IT-Systemhauses Bechtle in Karlsruhe und weiß, was IT-Anwendungen für Auswirkungen auf die Umwelt haben. „Gerade die IT verursacht zirka acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes.“
Netflix-Rechenzentrum braucht so viel Strom wie ganz Spanien
Das ist eine gewichtige Zahl, zu der viele beitragen. Beispielsweise Endverbraucherinnen und Endverbraucher, indem sie fleißig im Internet googeln oder fürs Smartphone eine App nach der anderen herunterladen, die sie so gut wie nie benutzen. Filme zu streamen ist auch sehr beliebt. „Dabei braucht das Rechenzentrum von Netflix so viel Strom wie das gesamte Land Spanien“, sagt Einstmann.
Einstmann mag solche Vergleiche, weil sie deutlich machen, dass Klimaschutz nicht nur ein Thema für die Politik ist. Noch sei einer, der volksnah die Auswirkungen des Klimawandels herüberbringen kann, ist Sven Plöger. Der Meteorologe, jedem „Tagesschau“-Zuschauer bekannt, ist denn auch einer der 25 Referentinnen und Referenten beim CDR Summit am 26. Januar in Karlsruhe.
Diese von der Karlsruher Hinte-Messe veranstaltete Konferenz unterstützen IT-Dickschiffe wie Hauptsponsor Bechtle, Microsoft, Cisco, IBM, Fujitsu und Hewlett Packard Enterprises, um wenige Beispiele zu nennen. Als Konzerne wissen sie längst, dass sie ums Thema Nachhaltigkeit nicht mehr herumkommen. Vor allem bei mittelständischen Firmen – wenn sie nicht gerade für Konzerne arbeiten – und Kommunen sei „das Thema aber definitiv noch nicht überall angekommen“, sagt Einstmann.
Der Titel CDR Summit mag sich also für manchen Laien zunächst neudeutsch-langweilig anhören, der Kongress greift aber ein Megathema auf, will sensibilisieren und Tipps geben. Dazu einige Beispiele: IT selbst kann viel sparsamer sein. Ein Laptop braucht beispielsweise viermal weniger teuren Strom als ein PC samt Monitor.
Diese Alternative hilft der Umwelt und dem Buchhalter im Unternehmen. Rechenzentren kommen, so Einstmann weiter, dank neuartiger Technologie gar ohne Klimaanlagen aus. Ein spezielles Gel mache es möglich.
IT-Anwendungen können aber auch direkt die Umwelt schützen: Beim Online-Kauf empfehlen sie dank Algorithmen der Kundin, das passende Kleid zu bestellen, so dass Umwelt belastende Retoursendungen reduziert werden. Oder der Fahrer eines Lieferdienstes bekommt von der IT Routen vorgeschlagen, mit denen er möglichst rasch durch die Stadt kommt und dabei relativ wenig Abgase produziert.
„Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Veranstalter Christoph Hinte. „Künftig werden Unternehmen keine Kunden mehr bekommen, wenn sie Themen wie Nachhaltigkeit nicht glaubhaft vertreten.“ Mehr noch: Auch Banken achten bei der Kreditvergabe an Unternehmen zunehmend darauf, inwiefern dieses nachhaltig wirtschaftet.
In Zeiten des Fachkräftemangels können sich junge Menschen oft ihren Arbeitgeber aussuchen. „Sie gehen eher zu Unternehmen, die nachhaltig sind“, sagt Denise Wenzel, die im Hinte-Team ebenfalls maßgeblich den CDR-Summit gestaltet.
Noch kann sich ein Unternehmen oder eine Kommune profilieren, wenn sie – auch dank IT – nachhaltiger wird. Absehbar ist, dass die Europäische Union dies auch kleinen und mittelständischen Unternehmen vorschreibt. Bei Konzernen sind Nachhaltigkeitsreports längst Pflicht.
CDR Summit in Karlsruhe will Unternehmen zusammenführen
„Das Thema wird ein Standortfaktor werden“, unterstreicht auch Jochen Ehlgötz, Geschäftsführer der Technologieregion Karlsruhe. Daraus ergäben sich für Unternehmen in der Region vielfältige Chancen. Deshalb initiierte die Technologieregion mit Bechtle den Kongress, der vor knapp zwei Jahren zunächst – wegen Corona – rein digital stattfand. Auch das Cyberforum ist CDR Summit-Partner.
Nun also am 26. Januar die Präsenzveranstaltung im ZKM, zu der Hinte 200 Fachbesucher – Entscheider aus Mittelstand und Kommunen – als Ziel nennt. Parallel soll die Konferenz in Deutschland, Österreich und in der Schweiz von möglichst vielen auf Laptops und Bildschirmen mit verfolgt werden. Hinte strebt einen jährlichen Kongress-Turnus an.
Kritikern, die an der Präsenzveranstaltung unter Nachhaltigkeitsaspekten – Stichwort Anreise – Kritik üben, entgegnet Einstmann. „Die Unternehmer müssen zusammenrücken, die müssen sich spüren. Das entsteht in einer rein digitalen Veranstaltung nicht.“
Einstmann macht übrigens auch als Privatperson Hausaufgaben in Sachen Nachhaltigkeit: Er stellt auf seinem Smartphone den Energiesparmodus ein – „das sind 30 Prozent weniger Ladezyklen im halben Jahr“. Und beim Laptop lässt sich mit Änderungen am Helligkeitsmodus Strom sparen. „Das kann jeder tun“, sagt der IT’ler. Das sei gut für die Umwelt – und eben nicht nur das seit Jahrzehnten erprobte Mülltrennen.