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Neues aus dem Erziehungsalltag

Die normative Kraft der Heidi Klum

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Über die normative Kraft des Faktischen und was sie für die Erziehung bedeutet.

Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern.
Die Welt ist bunt: Vor allem mit Kindern. Foto: Dolgachov/Fotolia

Heidi Klum und der Staatsrechtler Georg Jellinek mögen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben. Trotzdem spielen Klum, die von sich selbst behauptet einst ein Topmodel gewesen zu sein, und der schon 1911 verstorbene Rechtsgelehrte Jellinek, eine wichtige Rolle im Leben vieler Erziehungsberechtigter.

Von Letzterem nämlich stammt die schöne Wendung der „normativen Kraft des Faktischen.“ Sie beschreibt den Umstand, dass eine tatsächliche Entwicklung einen Zustand schafft, den die Rechtsordnung schließlich anerkennt.

Wer Kinder groß zieht, kennt das Phänomen nur allzu gut. Einen riesengroßen bunten Strauß an wahren und guten Erziehungsprinzipien hatte man zu kinderlosen Zeiten noch in der geistigen Vase stehen. Darunter Klassiker wie: unser Baby wird nie im elterlichen Bett schlafen, Schokolade ist für Kleinkinder tabu, Fernsehen sowieso, und – wenn überhaupt – ein Smartphone, dann allerhöchstens mit dem Erreichen der achten Klasse. Gymnasium, wohlgemerkt!

Aber ach – das Leben hat die hehren Vorsätze Blume um Blume herausgepickt. Das Ehebett wurde unmittelbar nach der Entlassung aus der Geburtsklinik zur kurz darauf angestammten Schlafstätte des Stammhalters, die „Teletubbies“ befand man nach eingehender Prüfung für gar nicht sooo ungeeignet, um den Zweijährigen mal kurz vor der Glotze zu parken und dass die Jüngste schon beim Eintritt in die fünfte Klasse (Gymnasium immerhin!) das Smartphone ihres Bruders erbte, bedurfte keiner Diskussion. Auch hätte man irgendwann mal kategorisch ausgeschlossen, eines schönen Tages gemeinsam mit der Tochter vor dem Fernseher zu sitzen, um die Verrenkungen nur unwesentlich älterer Mädchen beim Versuch Topmodel zu werden, zu beobachten.

Inkonsequenz in der Erziehung nennen Sie das? Georg Jellinek ist da nicht so streng. Der weise Mann sieht den „Geltungsgrund des Rechts nicht in der gleichbleibenden Natur des Menschen oder in der Vernunft, sondern in den tatsächlichen Gewohnheiten des geschichtlich-sozialen Lebens.“ Klingt doch gleich viel besser, oder?

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