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VGH verhandelt in Karlsruhe

Die Planung der zweiten Karlsruher Rheinbrücke steht auf dem Prüfstand

Seit über 20 Jahren wird über eine zweite Rheinbrücke gestritten und diskutiert. Die Stadt Karlsruhe klagt gegen diese Festlegung und befindet sich damit im Konflikt mit der Region. Nun muss der Verwaltungsgerichtshof entscheiden.

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Das dürfte bald wieder öfter der Fall sein: Stau auf der Rheinbrücke. Foto: Andrea Fabry / Archiv

Für den Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim ist es nicht völlig außergewöhnlich, dass seine Senate auswärts tagen, wenn es der Anlass anbietet. Für die betroffenen Bürger schon: In jüngster Vergangenheit waren die Richter beispielsweise in Schorndorf wegen eines denkmalrechtlichen Falls, im Herbst ging es in Ulm um das Jagdrecht.

Für Karlsruhe ist eine Verhandlung des VGH am Ort des Streitgegenstands aber durchaus etwas, für das es in den vergangenen Jahren keinen Vergleich gibt. Und es geht um einen kommunal- und regionalpolitischen Konflikt erster Güte. Wenn vom 24. bis 26. Juni ab 10 Uhr öffentlich im Bürgerzentrum Südwerk in der Südstadt über die Klage der Stadt und des BUND gegen die Planfeststellung Zweite Rheinbrücke verhandelt wird, ist Aufmerksamkeit gewiss.

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Zunächst sollte die Verhandlung in Mannheim stattfinden. Angesichts von Corona-Abstandsregeln gibt es im VGH aber nur wenige Plätze für Zuhörer und Presse, deshalb entschied sich der Fünfte Senat dafür, in Karlsruhe zu verhandeln. „Aber es geht dem Gericht auch um Bürgernähe“, betont der Sprecher des Gerichts, Matthias Hettich, gegenüber den Badischen Neuesten Nachrichten. Die Beteiligten seien in dieser Sache in der Mehrzahl, aus Mannheim reisen drei Richter und der Pressesprecher an. „Und eine mündliche Verhandlung dient auch dazu, alle zu Wort kommen zu lassen.“ Eine Anmeldung ist nicht notwendig, wenn der Saal voll ist, wird aber niemand mehr eingelassen.

Karlsruher Gegenposition zur Rheinbrücke

Diese Gefahr will einer der Hauptprotagonisten nicht laufen: OB Frank Mentrup wird voraussichtlich am ersten Verhandlungstag anwesend sein, ansonsten geht der von der Stadt beauftragte Stuttgarter Anwalt Armin Wirsing in die Bütt. Mit einem Urteil ist allerdings innerhalb dieser Verhandlungstage nicht zu rechnen. In der Regel fallen VGH-Entscheidungen mit zeitlichem Abstand zur mündlichen Verhandlung. Das ganze Verfahren zieht sich schon über zwei Jahre, wegen Personalengpässen am VGH.

Die Klage der Stadt bezieht sich im Wesentlichen auf die nach Ansicht der Stadt nicht stattfindende Entlastung für den Autoverkehr, den Landschaftsverbrauch sowie die mangelnde Prüfung von Alternativen. Die Verkehrsprobleme der Region würden mit dieser Planung nicht behoben, sondern verschärft.

An vier Punkten setzt die Stadt den juristischen Hebel an: Die Variante „D2“, die direkt nördlich neben der bestehenden Straßenbrücke läuft, sei aus Gründen der Umweltverträglichkeit die bessere, sie sei aber nicht ausreichend untersucht worden. Diese war einst im Planfeststellungsverfahren frühzeitig aussortiert worden.

Mit der Variante „D2“ könnten alle Ziele erreicht werden, gleichzeitig sei sie die umweltverträglichste. Als drei weitere juristische Knackpunkte sieht man die Kollision der Trassenführung mit artenschutzrechtlichen Vorschriften auch der EU, den fehlenden Anschluss an die B36 sowie den umfangreichen Verbrauch städtischer Flächen für eine „nicht vorzugswürdige Trasse“. Beim BUND stehen vor allem diese Fragen von Umwelt- und Naturschutz im Vordergrund.

Die Position der Befürworter der Rheinbrücke

Seit 2011 lief das Planfeststellungsverfahren. Im September 2017 erfolgte der Planfeststellungsbeschluss durch das Regierungspräsidium mit der Festlegung auf die Variante „B3“.

Seit 1998 gibt es aber schon Untersuchungen und Planungen. Zentrale Begründung des Regierungspräsidiums: Zur Bewältigung des ständig steigenden Verkehrs auf der Rheinbrücke und zur Entflechtung des Verkehrs insbesondere in Rheinland-Pfalz (B10/B9) ist eine Zweite Rheinbrücke dringend erforderlich. Nach der Prüfung von vier Varianten erfülle die Variante B3 bei Abwägung aller Fakten den größtmöglichen verkehrlichen Effekt.

Auch das RP sieht ökologische Auswirkungen von „sehr hoher Bedeutung“, heißt es im Planfeststellungsbeschluss weiter.

Jedoch müsse auch gesehen werden, dass das Gebiet geprägt sei von großen Gewerbe- und Industrieansiedlungen. Diese Bemerkung ist durchaus als kritischer Fingerzeig in Richtung der Städte Wörth und Karlsruhe zu sehen, die in den vergangenen Jahren die Industrie- und Gewerbeansiedlungen im Umfeld der Rheinbrücke stark ausgedehnt hatten. Festzuhalten sei außerdem, dass die Naherholungslandschaft entlang des Flusses in größten Teilen erhalten bleibe.

Die politische Gefechtslage

Es gibt wenige politische Konflikte in Karlsruhe, deren Minenfeld bis weit in die Region hinausragt – und das zudem die parteipolitische Schlachtordnung durcheinander bringt. Gegen die Zweite Rheinbrücke kämpfen im Wesentlichen OB Frank Mentrup (SPD) und die Karlsruher SPD sowie die hiesigen Grünen. Diese stehen gegen ihren eigenen Landesverkehrsminister Winfried Hermann, die SPD ist im Dissens mit der eigenen Landtagsfraktion.

Die Grünen unterstützen Mentrup im kommenden OB-Wahlkampf, für diese ist der Kampf gegen eine zweite Brücke ein Kernpunkt. Für die Brücke ist die CDU, die in Karlsruhe kommunalpolitisch in der Minderheit ist, in dieser Frage aber fast alle politischen Mandatsträger der Region hinter sich weiß. Auch die IHK hat sich dafür ausgesprochen. Dies sei seit langem der Wunsch der regionalen Wirtschaft und eines großen Teils der Menschen beiderseits des Rheins, so IHK-Chef Wolfgang Grenke.

Mehrere Bürgerinitiativen kämpfen für die Brücke. Die teils chaotischen Zustände im Umfeld der Brücke während der jüngsten sanierungsbedingten Sperrung gaben ihren Argumenten Auftrieb. Der Ausgang des Verfahrens ist schlecht zu prognostizieren. Die Klage von Umweltschützern gegen die Planfeststellung auf der rheinland-pfälzischen Seite hatte substanziell keinen Erfolg. Sollte die Stadt Karlsruhe mit ihrer Klage Erfolg haben, ist aber klar, dass der Planungsprozess um Jahre zurückgeworfen und praktisch auf Null gestellt wird.

Die nun planfestgestellte Brücke und Trasse liegen rund 1.000 Meter stromabwärts von der bisherigen Rheinbrücke auf der Höhe des alten Pionierhafens. Die Kosten belaufen sich nach bisheriger Schätzung auf rund 100 Millionen Euro. Die Trasse verläuft zunächst südlich parallel der DEA-Scholven-Straße (die etwas nach Norden verschoben wird) in östliche Richtung, schwenkt nach Süden, überquert das Industriegleis zur Raffinerie sowie die Alb, folgt der Raffineriestraße und schließt unter weitgehender Nutzung der Anschlussstelle Raffineriestraße (Ölkreuz) an die Südtangente (B10) an. Zweites zentrales Argument für die Brücke, neben dem Kampf gegen den Verkehrsinfarkt, ist, dass im Störungsfall auf der B10 zwischen Maximiliansau und Knielingen keine nahe Ausweichstrecke zur Verfügung steht.

Gefordert wird in Karlsruhe, auch im Lager der Gegner, ein Anschluss durch eine Querspange an die B36 auf der Höhe von Neureut – wenn die Brücke denn kommt. Ansonsten seien die Südtangente und der Stadtteil Knielingen überlastet. Hier laufen bereits erste planerische Untersuchungen. Umweltschützer und kritische Stimmen in Knielingen halten diesen Anschluss für noch problematischer als das Brückenprojekt. Das Regierungspräsidium bekundet seinen Willen für dieses zweite Projekt, betont aber, dass die neue Brücke schon eine Entlastungswirkung an sich hat.

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