Ein evangelischer Christ, der fast verklärt von einem Seligen der römisch-katholischen Kirche spricht, ihn als „himmlischen Fürsprecher“ seiner Familie bezeichnet – das ist eher ungewöhnlich. Doch Bernhard Prinz von Baden tut es. Nicht nur, weil er denselben Namen trägt wie der selige Bernhard von Baden. Der vor 561 Jahren gestorbene Markgraf steht den Nachfahren der einstigen Herrscherfamilie in Schloss Salem eigentlich immer vor Augen. Eine Andachtstafel, entstanden um 1480, zeigt den seligen Bernhard als christlichen Ritter.
„Für mich persönlich verkörpert diese Tafel nicht nur die kraftvolle, über die Jahrhunderte bis heute andauernde Wirkungsgeschichte des Seligen“, sagt Prinz Bernhard: „Sie ist vor allem auch ein Monument der Geschichte unserer Familie.“
Denn das Bildnis, geschaffen, um davor zu beten, sei das älteste Besitztum der markgräflichen Familie. Kein anderes Kunstwerk, kein Schloss, kein Grundstück habe so lange wohl ununterbrochen zum Eigentum des Hauses Baden gehört. Angesichts der wechselvollen Geschichte der vergangenen Jahrhunderte erscheine ihm das „geradezu als Wunder“.
Die Familien-Ikone des Hauses Baden
Jetzt hat sich das Haus Baden vorübergehend von seiner „Familien-Ikone“ getrennt. Das frühe Bildnis des Seligen ziert die Ausstellung „Ritter – Landespatron – Jugendidol. Markgraf Bernhard II. von Baden“ im Generallandesarchiv Karlsruhe.
Vor 250 Jahren selig gesprochen
Dass die kleine, aber feine Schau gerade jetzt gezeigt wird, hat seinen Grund. Vor 250 Jahren wurde Bernhard von Baden offiziell selig gesprochen. Der aufmerksame Besucher stutzt. Denn zu der aus Salem ausgeliehenen Andachtstafel hat schon vor über 500 Jahren ein Benediktiner ein Gebet verfasst. Es endet mit dem Ausruf: „O beatus Bernhardus memento mei“ – „Oh seliger Bernhard, gedenke meiner!“.
Selig? Heilig? - Ja, was denn nun?
Die Verblüffung wächst, wenn man sich in ein um 1490 entstandenes Gebetsbuch des badischen Markgrafen Christoph I. vertieft. Hier wird Bernhard II. sogar als „sanctus“, als „Heiliger“, bezeichnet.
Doch heilig gesprochen wurde Bernhard von Baden bis heute nicht. Vielmehr hat der Vatikan im vergangenen Jahr das Verfahren, das der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch 2011 anstieß, auf „Eis gelegt“. Die Gutachter Roms hegten offenbar Zweifel daran, dass das notwendige Wunder auf Bernhards Wirken zurückging.
Bernhard von Baden - ein „politischer Heiliger“
„Der selige Bernhard war stets ein politischer Heiliger’“, sagt Wolfgang Zimmermann. Der Chef des Generallandesarchivs hat zusammen mit Martin Stingl die Ausstellung kuratiert. Und die zeigt wundersame Wandlungen des Markgrafen nach seinem Tod auf.
Viele „Etiketten“
Man begegnet dem „Jerusalemfahrer“, aber auch dem „Kreuzritter“ des Spätmittelalters. Dem Kämpfer gegen die „Barbaren aus dem Osten“ im Zeitalter der Türkenkriege. Dem „Schutzpatron“ der katholischen Bevölkerungsmehrheit im Baden des 19. Jahrhunderts. Dem „Jugendidol“, das nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus jungen Badenern christliche Werte vermitteln und sie gegen die „Versuchungen“ der Wirtschaftswunderzeit wappnen soll. Und erneut dem Kämpfer fürs „christliche Abendland“, der sein Schwert im Kalten Krieg allerdings vor allem gegen die von der Sowjetunion verkörperten „Gefahr aus dem Osten“ erhebt.
Auch Heilige können sich der politischen Instrumentalisierung nicht entziehen“, sagt Zimmermann: „Das musste der selige Bernhard allzu oft erfahren.“
Über den wahren Bernhard weiß man nicht viel
Was für ein Mensch der Selige mit den vielen Etiketten wirklich war? Darüber weiß man nicht viel. Geboren wird Bernhard II. 1428 oder 1429 im Alten Schloss bei Baden-Baden. Nach dem Tod seines Vaters verzichtet der Markgraf zugunsten seines Bruders auf seinen Anteil an der Herrschaft. 1458 zieht er mit kleinem Gefolge durch Oberitalien. Will der Badener Ritter sammeln, um das gefallene Konstantinopel zurückzuerobern? Oder sich zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem einschiffen? Verfolgt er andere Ziele?
In Italien an der Pest gestorben
„Die zeitgenössischen Quellen sind spärlich und lassen gerade deswegen viel Raum für Deutungen und Zuschreibungen“, sagten die Ausstellungsmacher. Jedenfalls kommt Bernhard nicht weit. Knapp 30-jährig stirbt er in Moncalieri bei Turin an der Pest. Dort erzählen die Leute schon bald von Wundern, die sie dem fremden Ritter zuschreiben. In seiner Heimat am Oberrhein hingegen beschränkt sich die Bernhard-Verehrung zunächst aufs Haus Baden. Ob Seliger oder Heiliger – die Herrscherfamilie sonnte sich in seinem Glanz.
Schutzpatron der badischen Katholiken
Davor, dass die Markgrafschaft im frühen 16. Jahrhundert durch eine Erbteilung aufgesplittet wird, kann der „Hausheilige“ seine Verwandtschaft allerdings nicht bewahren. Auch davor nicht, dass die Reformation den Spalt vertieft. Baden-Durlach wird evangelisch, Baden-Baden bleibt katholisch. Doch als sich gut 200 Jahre später das Aussterben der katholischen Linie abzeichnet, muss Bernhard ran.
August Georg, der letzte Markgraf von Baden-Baden, lässt es sich einiges kosten, in Rom die offizielle Seligsprechung seines Urahns durchzupeitschen. Bernhard soll als konfessioneller Schutzpatron seinen katholischen Untertanen das üble Los erleichtern, alsbald von der „irrgläubigen Verwandtschaft“ in Karlsruhe regiert zu werden. Am 12. September 1769 ist die Seligsprechung durch – und Georg August zwei Jahre später tot. Die badischen Markgrafschaften werden unter dem evangelischen Markgrafen Karl Friedrich wiedervereinigt.
Zoff im Musterländle
In großherzoglicher Zeit entwickelt sich Baden zum liberalen Musterländle. Doch das ist für den Erzbischof in Freiburg und viele Katholiken kein Grund zur Freude: Allzu massiv für ihren Geschmack beschneidet der Staat die Autonomie der Kirche. Der Kulturkampf tobt. In dieser Situation entdeckt der auf Ausgleich bedachte evangelische Großherzog Friedrich I. das Potenzial des „politischen Heiligen“ aus der eigenen Dynastie.
Bernhard - der Versöhner
Reihenweise stiftet der Großherzog sakrale Kunstwerke, die den seligen Bernhard zeigen. Er streichelt damit die Seele der badischen Katholiken, die inzwischen rund zwei Drittel der Bevölkerung stellen. Als der Großherzog den Karlsruher Katholiken dann am Durlacher Tor auch noch ein Grundstück für einen monumentalen Kirchenbau zur Verfügung stellt, bedankten sie sich auf ihre Weise: Sie wählen den seligen Bernhard aus dem Hause Baden zum Patron des 1901 eingeweihten Gotteshauses. Also noch eine wundersame Wandlung: Bernhard, der Versöhner.
Bis ein Angehöriger der evangelischen Familie Baden erstmals seit der Reformation auf den Namen des katholischen Seligen getauft wurde, ging die Monarchie zu Ende und zogen noch etliche Jahre ins Land: Bernhard Prinz von Baden, geboren 1970, hatte die Ehre. Für die Ausstellung im Generallandesarchiv die Familien-Ikone als Leihgabe zur Verfügung zu stellen, sei für sein Haus eine Selbstverständlichkeit, sagt er: „als Ausdruck unserer Verbundenheit mit Heimat und gemeinsamer Geschichte“.
„Ritter – Landespatron – Jugendidol. Markgraf Bernhard II. von Baden“. Die Ausstellung ist bis 22. November 2019 im Generallandesarchiv Karlsruhe, Nördliche Hildapromenade 3, zu sehen. Weitere Infos gibt es hier. 2020 wird die Schau in Schloss Salem gezeigt.