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Zwischen Matcha und Bubble Tea

Die Wurzeln der Teekultur liegen bei Karlsruhern voll im Trend

Schwarz, grün oder rot? Besonders bei nasskaltem Herbstwetter greifen viele Menschen vermehrt zum wärmenden Tässchen Tee. Vielfältige internationale Teekultur wird auch in Karlsruhe gelebt. Zwischen Matcha, Bubble Tea und der klassischen Ostfriesenmischung zeichnen sich klare Trends ab. Nur Abwarten gehört in Deutschland wohl nicht dazu.

Tee-Vielfalt: Isabel Adony Gomez hat in großen Glaskannen eFrüchtetee, Darjeeling-Schwarztee, Assam-Schwarztee, Rooibos- und Grüntee zubereitet.
Tee-Vielfalt: Isabel Adony Gomez hat in großen Glaskannen eFrüchtetee, Darjeeling-Schwarztee, Assam-Schwarztee, Rooibos- und Grüntee zubereitet. Foto: Jörg Donecker

Gestatten: „Karl-Heinz“. Der Herbst-Tee läutet die kühle Jahreszeit bei Tee Gschwendner ein. Die Schwarztee-Mischung mit Zimt und Kardamom soll den Teetrinker von innen wärmen. „Ab Oktober geht die Saison so richtig los“, erklärt Isabel Andony Gomez.

Ob Schwarztee, Rooibos, grüne und weiße Tees oder Kräutermischungen: „Auch in Deutschland trinkt man mittlerweile nicht mehr nur dann Tee, wenn man krank ist“, so die Inhaberin des Teegeschäfts am Europaplatz.

Viel Raum fürs Aroma: Ein guter Tee sollte in einem möglichst großen Gefäß zubereitet werden, rät Isabel Andony Gomez von Tee Gschwendner.
Viel Raum fürs Aroma: Ein guter Tee sollte in einem möglichst großen Gefäß zubereitet werden, rät Isabel Andony Gomez von Tee Gschwendner. Foto: Jörg Donecker

Bei der Zubereitung sei es wichtig, dem Tee Raum zu lassen. „Wie früher bei der Großmutter: alles in einen großen Kochtopf und dann mit einem Sieb abseihen“, empfiehlt Andony Gomez. „Das ist aber heutzutage vielen zu aufwendig.“ Im Filterbeutel jedoch könnten sich Farbe und Geschmack nicht richtig entfalten.

Tee-Automaten für Deutsche, die wenig Zeit haben

„Der allerletzte Schrei in der Zubereitung sind Tee-Automaten“, sagt Andony Gomez. Der Tee aus der Maschine sei aber nicht zwingend besser als der von Hand aufgebrühte Pflanzensud. „Wenn man für Grüntee das Wasser nicht richtig aufkocht, sondern nur auf die gewünschte Aufgusstemperatur erhitzt, schmeckt der Tee flacher. Aber es dauert eben länger, und das kaufen die Leute in Deutschland einfach nicht.“

Der besonders in Norddeutschland viel getrunkene Ostfriesentee ist meist Importware aus Indien, üblich sind Mischungen aus 80 Prozent Assam-Schwarztee und kleineren Anteilen Darjeeling. „Er wird sehr stark getrunken, mit einem Schuss Sahne – keine Milch! – und etwas Kandis. Nicht verrühren“, erklärt die Teehändlerin.

Der Trend gehe weg vom Tee als Genussmittel mit Zusätzen von Aroma, Milch oder „Kluntje“-Kandiszucker, hin zum Lebensmittel. „Das sind die klassischen Grün- und Schwarztees aus der orthodoxen Welt: Indien, China, Nepal oder Japan.“

Matcha: Superfood-Star und uraltes Kulturgut

Beim Tee-Superfood Matcha rät Andony Gomez zu Purismus. Viele günstigere Matcha-Produkte enthielten Zucker: Ein Hinweis auf geringe Qualität. Matcha Latte, Shakes und andere Getränke könnten durchaus gesund sein. „Aber bitte nicht mit Kuhmilch mischen.“ Die zerstöre die Enzyme des Matcha, auf deren positiver Wirkung der Hype beruht.

Japanische Teezeremonie: Mit edlem Besteck wird das grüne Matcha-Pulver in die Teeschale gefüllt. Im japanischen Teehaus im Karlsruher Stadtgarten wird das Ritual regelmäßig praktiziert.
Japanische Teezeremonie: Mit edlem Besteck wird das grüne Matcha-Pulver in die Teeschale gefüllt. Im japanischen Teehaus im Karlsruher Stadtgarten wird das Ritual regelmäßig praktiziert. Foto: Peter Sandbiller

Matcha, dieses leuchtend grüne Pulver aus gemahlenen Grünteeblättern, wird traditionell mit einem Bambusbesen aufgeschäumt. „Mönche benutzten den Matcha, um während der Meditation die Müdigkeit zu verjagen“, erklärt Teemeisterin Taruko Matsushima-Fritz von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Karlsruhe.

Ursprünglich war Matcha der traditionellen Teezeremonie vorbehalten, die in Japan zu einem ausgefeilten Ritual kultiviert wurde. Im japanischen Teehaus im Karlsruher Stadtgarten kann man einer Teezeremonie beiwohnen. Aufgrund der Corona-Pandemie finden bis Ende 2020 keine Termine mehr statt.

Matsushima-Fritz trinkt Matcha gerne am Nachmittag, wenn die Konzentration nachlässt. In asiatischen Ländern werde eigentlich den ganzen Tag Tee getrunken, auch im Sommer. Bei Lac Hông am Kronenplatz gibt es eine große Auswahl an grünen und schwarzen Tees aus Taiwan und Japan sowie Kräutermischungen der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Inhaberin Anh Thu Nguyen-Waizmann empfiehlt als Top-Produkt einen taiwanesischen Oolong, den sie von einem Teegarten aus der Region Dong Ding bezieht.

„Oolong ist ursprünglich ein halbfermentierter Tee, der sich irgendwo zwischen Grün und Schwarz bewegt“, sagt sie. „In den letzten Jahren tendiert man eher zum grünen Tee, der leichter fermentiert ist.“ Die Qualität hänge auch vom Jahrgang ab. „Nicht jeder Tee eignet sich für die Fermentierung. Das muss der Teemeister entscheiden, den es in jedem Teegarten gibt.“

Wie viel Kultur steckt im deutschen Teetrinker?

Mit modernem Konzept nach Coffeeshop-Vorbild bringt Hellers Tea Bar in der Karlsruher Innenstadt Teekultur unter die Leute. „Die Menschen sind gesundheitsbewusster“, erklärt Inhaber Florian Heller. Deshalb würde etwa Matcha Latte häufig mit pflanzlichem Milchersatz wie Hafer- oder Mandelmilch bestellt.

Im Herbst und Winter sei auch der „London Fog“ beliebt, ein Schwarztee der Sorte Earl Grey mit Vanille und Lavendel, aufgegossen mit heißer Milch und einem Schuss Honig. Aktuelle Spezialität im Teehaus Wilkendorf in der Waldstraße ist ebenfalls ein Grüntee: „Die einzige europäische Teeplantage liegt auf den Azoren“, erklärt Inhaber Maximilian Wilkendorf.

„Er wird sehr nah am Wasser angebaut, daher hat er einen ganz leicht salzigen Charakter.“ Auch Gewürztees und Chai-Mischungen mit Kräutern seien im Herbst beliebt, bei Kräutertees – eigentlich gar keine „richtigen“ Tees – vermehrt Einzelsorten wie Pfefferminze, Ingwerwurzel oder Zitronenverbene. Eine echte Teekultur gebe es hierzulande eigentlich nicht.

Ein Witz unter Teehändlern lautet: „Es gibt zwei Kulturen, die vom Teetrinken nichts verstehen: Ostfriesen und Engländer.“ Denn Sahne oder Milch hätten eigentlich in einem guten Tee nichts verloren.

High Tea und Bubble Tea

Aber was ist mit der englischen Kulturtechnik des Afternoon Tea, auch als High Tea oder Queen Tea bekannt? Zwischen Gurken- und Lachssandwiches, Scones und süßen Tartelettes spielt der dazu gereichte Schwarztee eine untergeordnete Rolle. „In Großbritannien wurde früher erst gegen 20 Uhr zu Abend gegessen. Deshalb gab es um 17 Uhr schon einen kleinen Imbiss: den High Tea, der an hohen Tischen eingenommen wurde“, erklärt Peter Keller, Betreiber des Kaffeehaus Schmidt.

Dort wird auf Anfrage der aus englischen Adelshäusern stammende Tee-Imbiss serviert. Und dann wäre da noch der süße, mit Stärkeperlen garnierte Bubble Tea. Bei Jugendlichen beliebt, bei Gesundheitsexperten wegen des hohen Zucker- und Koffeingehalts in der Kritik. „Er ist in Asien sehr bekannt, ein Tee für junge Leute. Eigentlich muss er aus einem guten Oolong gemacht werden, dazu Milch“, sagt Anh Thu Nguyen-Waizmann.

Der Bubble Tea aus Karlsruher Asia-Imbissen habe meist keine gute Qualität, findet Florian Heller. „Hochwertiger Bubble Tea ist eher aufwendig. Es braucht Zeit und Muße, die so genannten Tapioka Pearls herzustellen.“ Zeit und Muße oder: Abwarten und Teetrinken, das gehört eben doch zusammen.

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