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Kompromiss gefunden

Einschulung: Land knickt im Streit um den neuen Stichtag ein

Erst sah es nach einem raschen Erfolg für die Elterninitiative "Stoppt die Früheinschulung in Baden-Württemberg" aus - nun kommt der Rückschlag: Das Land gibt dem Druck der Kommunen nach und will den Einschulungsstichtag nur schrittweise vorverlegen.

Erstklässler auf dem Weg zur Einschulung
Nicht alle Erstklässler stürmen so freudig zur Einschulungsfeier. Künftig sollen Kinder nicht ganz so früh schulpflichtig werden - doch die Kommunen bremsen das Tempo der Reform aus. Foto: Thomas Warnack/Archivbild

Im Streit um den neuen Einschulungsstichtag ist das Land Baden-Württemberg nun doch ein Stück zurückgerudert. Die geplante Vorverlegung von 30. September auf 30. Juni soll zwar kommen - aber nur schrittweise. Auf diesen Kompromiss einigte sich das Kultusministerium mit den Kommunalverbänden.

Katrin Göltenboth ist nach eigenen Worten „sehr enttäuscht“. Sie und ihre Mitstreiter von der Elterninitiative „Stoppt die Früheinschulung in Baden-Württemberg“ waren so nah am Ziel: Der Landtag hatte noch im Juli grünes Licht für eine Vorverlegung des umstrittenen Einschulungsstichtags bereits im kommenden Jahr gegeben.

Und nun kommt der Rückschlag: Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat an diesem Dienstag dem Druck der Kommunalverbände nachgegeben. Städte und Gemeinden fürchten eine hohe Belastung für die Kindergärten, falls viele Sommer-Kinder später eingeschult werden.

"Stufenmodell" für die Einschulung

Als Kompromiss einigten sich Land und Kommunen nun hinter verschlossenen Türen auf ein „Stufenmodell“. Der Stichtag wird also nicht auf einen Rutsch für alle Kinder vom 30. September auf den 30. Juni vorverlegt. „Wir wollen diese Änderung lieber gut umsetzen als so schnell wie möglich“, lässt Eisenmann am Abend mitteilen.

Was aber bedeutet dieser Kompromiss genau? Ob dann zunächst nur jene Kinder von der Schulpflicht ausgenommen werden, die im September sechs Jahre alt werden? Und in den Folgejahren dann zuerst die August- und dann die Juli-Geborenen? „Das wäre eine Möglichkeit“, sagen der Sprecher von Kultusministerin Eisenmann und Benjamin Lachat, Sozialdezernent des Städtetages, unisono auf BNN-Anfrage. Über die Details müsse man sich noch in Ruhe einigen.

Mehr als 21.000 Unterschriften hatte Göltenboths Elterninitiative im Südwesten gesammelt – damit zarte Kinder, die erst im Juli, August oder September sechs Jahre alt werden, nicht in die Schule gezwungen werden. „Die Kinder sollen ganzheitlich schulreif sein – nicht nur kognitiv und motorisch fit, sondern auch sozial-emotional“, betont Göltenboth. Das formale Rückstellungsverfahren sei für Kinder belastend.

Bei Eisenmann waren die Mütter und Väter scheinbar auf offene Ohren gestoßen. Zum Schuljahr 2020/21 plante die Kultusministerin den neuen Einschulungsstichtag 30. Juni. Der galt übrigens schon früher über Jahrzehnte – bis der Frühfördereifer in Mode kam. 2007 führte das Land die Schulpflicht für die Juli- bis September-Geborenen ein.

Dass Eisenmann nun zurückgerudert ist und die Reform der Reform langsamer angehen will – davon erfährt Göltenboth am Abend erst durch den BNN-Anruf. „Das ist eine menschliche Enttäuschung“, sagt sie. „Mit uns hat niemand gesprochen. Eine Anhörung mit allen Beteiligten war ursprünglich für Juli geplant, wurde dann aber abgeblasen.“ Nun verhandelten allein Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag im Kultusministerium.

Elterninitiative kritisiert Kommunalverbände

Die Elterninitiative wirft den Kommunalverbänden schon länger vor, sie arbeite mit „absolut unrealistischen“ Zahlen, um die Stichtagsverlegung zu boykottieren. Der Städtetag hatte ein Schreckensszenario gezeichnet: Bis zu 20.000 zusätzliche Kindergartenplätze seien landesweit nötig, wenn die Spätsommerkinder nicht mehr mit sechs Jahren eingeschult werden müssen.

Dafür handelte er sich nun – trotz des Verhandlungserfolgs – eine Rüge von der Kultusministerin ein. Sie forderte den Städtetag „zu einem konstruktiven Dialog im Sinne der Eltern und Kinder“ auf und erklärte: „Dazu gehört auch, dass man nicht mit abwegigen Zahlen hantiert.“

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Eisenmann lässt vorrechnen: Momentan gebe es rund 26.000 Kinder, die zwischen dem 1. Juli und dem 30. September geboren wurden. Darunter würden rund 6.000 Kinder ohnehin zurückgestellt. „20.000 Kitaplätze würden somit bedeuten, dass faktisch ein ganzer Jahrgang auf einmal später eingeschult würde“, heißt es in der Mitteilung.

Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten, dass sehr viele Eltern ihre im Sommer geborenen „Korridor-Kinder“ trotzdem mit sechs Jahren einschulen. Städtetags-Dezernent Lachat rechtfertigt sich damit, die Zahl 20.000 habe er nur auf „den schlimmsten Fall“ bezogen. Auf eines beharrt er auch nach dem Kompromiss: „Es bleibt eine Herausforderung.“

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