
Am Tag nach Weihnachten wurde die Nachricht offiziell: Der Schwäbische Verlag mit Sitz in Ravensburg übernimmt den „Zollern-Alb-Kurier“.
Neben der Tageszeitung mit einer Auflage von 20.000 Stück wechseln auch ein Anzeigenblatt und die digitalen Kanäle des in Balingen ansässigen Medienhauses den Eigentümer. „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass sich Medienhäuser am besten durch Digitalisierung, Effizienzsteigerung und Wachstum für die Zukunft rüsten können“, kommentiert der Geschäftsführer des Schwäbischen Verlages, Lutz Schumacher, diesen Schritt.
Schon vor eineinhalb Jahren haben sich die Badischen Neuesten Nachrichten mit dem Badischen Tagblatt zusammengeschlossen, dessen Auflage bei 30.000 Exemplaren liegt.
Papier- und Energiekosten haben sich verdoppelt
Durch die Zusammenlegung lassen sich Synergien gewinnen und Kosten sparen – und die sind in der ganzen Branche im vergangenen Jahr immens gestiegen. „Die Papierknappheit kommt mit der Energieknappheit zusammen“, sagt Holger Paesler vom Verband Südwestdeutscher Zeitungsverleger (VSZV). In der Pandemie herrschte Anzeigenflaute, Papier war eher in Form von Wellpappe für den Onlineversand nötig. Die Fabriken stellten ihre Produktion also um.
Seither zog der Bedarf aber wieder an – und mit ihm die Preise für Altpapier, aus dem Zeitungspapier produziert wird. Der Preis pro Tonne Papier habe sich jetzt auf über 1.000 Euro mehr als verdoppelt, berichtet Paesler. Auch die Energiekosten stiegen in hohem Maße. Hinzu kommt der auf zwölf Euro gestiegene Mindestlohn für die Zustellung – ein Anstieg um 22 Prozent.
Weit weniger hoch ist die Belastung durch die Redaktion: Hier hatten die Tarifparteien im Februar 2022 eine Erhöhung um 3,5 Prozent in zwei Stufen vereinbart, bei einer Laufzeit von 28 Monaten. Plus 500 Euro Corona-Bonus – „das war damals angemessen“, meint Paesler. Aus heutiger Sicht aber, bei einer Inflationsrate von zehn Prozent, sei dieses Plus aus Sicht der Beschäftigten verschwindend gering.
Gestiegene Vertriebskosten durch höheren Mindestlohn
Dennoch – der Kostendruck auf die Branche ist bundesweit zu spüren. „Dazu kommt noch, dass Aluminium, das zur Herstellung von Druckplatten benötigt wird, im Preis stark gestiegen ist“, berichtet Christian Eggert, Leiter Verlagswirtschaft beim Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Dabei machen Herstellungskosten und Vertrieb weit mehr als die Hälfte der Kosten aus. Es werde immer schwieriger, die Kosten von Druck und Zustellung einzuspielen, die zu einem erheblichen Teil fix sind, heißt es beim BDZV. Die Verlage steckten in einer Kostenschere, die sich weiter öffnet.
Die Folge: „Wir haben bei den Verlagen in Deutschland deutliche Preiserhöhungen gesehen“, sagt Eggert. „Ob das aber ausreicht, um die gestiegenen Kosten aufzufangen, bezweifle ich.“
„Alle erhöhen die Preise“, beobachtet auch Holger Paesler vom VSZV. Die extreme Kostensteigerung könne aber nicht einfach komplett weitergegeben werden. „Dann wären wir jetzt schon bei 70 Euro für ein Zeitungsabo.“
Überlegungen bei Funke Mediengruppe
Auch die Digitalerlöse können die Rückgänge beim Printgeschäft noch nicht kompensieren. Was also bleibt, um die Kosten in den Griff zu bekommen? „Die Situation ist für die Verlage eine große Belastung“, sagt Eggert, „aber sie tun alles, um das noch zu schultern und bei der Zustellung keine Lücken entstehen zu lassen.“
Doch nicht wenige erwarten, dass dies vor allem in unrentablen Gebieten im Osten Deutschlands bald der Fall sein könnte. Die Funke Mediengruppe etwa räumt ein, darüber nachzudenken. „Natürlich belastet die Kostenexplosion im Printbereich auch uns sehr“, bestätigt ein Sprecher. Es gebe viele Überlegungen und Ansätze, von der Seitenreduktion über die Einstellung der Zustellung in Gebieten mit wenigen Abonnements „bis hin zur stärkeren Forcierung unserer Digitalprodukte“. Diese Überlegungen seien aber noch nicht abgeschlossen.
Eines sei klar, so der Funke-Sprecher: „In manchen ländlichen Gebieten werden wir die flächendeckende Zustellung angesichts der enormen Kostensteigerungen nicht aufrechterhalten können. Was das etwa für Thüringen, wo es dann in manchen Landkreisen keine unabhängigen Printmedien mehr geben würde, heißt, kann man sich leicht vorstellen.“ Deshalb setze sich Funke für eine Senkung der Mehrwertsteuer für Presseprodukte auf null Prozent ein. „Ohnehin ist nicht zu verstehen, warum Produkte, die unsere Demokratie stabilisieren, mit Mehrwertsteuer belegt werden.“
Im Westen Deutschlands sehen sich die Tageszeitungen noch in der Anstrengung, möglichst alle Gebiete mit gedruckten Zeitungen zu beliefern, falls die Leser dies wünschen. So auch bei den Badischen Neuesten Nachrichten und beim Badischen Tagblatt. Doch es gibt auch im Westen der Republik erste Anzeichen dafür, dass wirtschaftlich unrentable Zustellungen durch ein ePaper-Angebot ersetzt werden.
Ball liegt im Feld der Politik
Was passiert, wenn nicht nur die Zustellung ausbleibt, sondern ganze Lokalredaktionen schließen müssen, hat 2021 eine Studie in den USA zutage gebracht: Wirtschaftskriminalität und Umweltverschmutzung nehmen zu. „Wenn es keine Lokalzeitung mehr gibt, die der Wirtschaft vor Ort auf die Finger schaut, begreifen das viele Firmen ganz offensichtlich als Freifahrtschein für Betrug und Regelverletzungen“, sagte einer der Autoren, der Harvard-Ökonom Jonas Heese, der „Süddeutschen Zeitung“.
Die Hoffnungen, dass es hierzulande nicht so weit kommt wie in den USA, ruhen auf der Politik – mal wieder. Schon im vorletzten Koalitionsvertrag war die Förderung der Zustellung aufgenommen worden, auch im letzten ist dies der Fall. Das Anliegen wanderte durch die Ressorts, passiert ist aber: nichts. „Die Verlage sind in der Transformation ins Digitalzeitalter. Die Politik hat für sie aber nichts außer Sonntagsreden übrig“, meint Paesler. Die Branche werde seit sechs Jahren hingehalten beim Thema Infrastrukturförderung.
Gerade die kleinen Verlage seien besonders unter Druck, „sie brauchen digitale Expertise“, sagt Paesler. Er schließt daher nicht aus, dass es weitere Verkäufe geben wird, so wie jüngst der „Zollern-Alb-Kurier“.