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eSport: Vorurteile bremsen den Erfolg

Computerspielen als Sport? Der Deutsche Olympische Sportbund ist dagegen, das Gamen als offizielle Sportart anzuerkennen. Die Vorurteile gegenüber dem eSport sind in Deutschland immer noch weit verbreitet. Das ist tragisch, meint BNN-Redakteur David Falkner - und hat mit der Realität nichts zu tun. Wir gehen auf DigiTalfahrt!

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eSport: Sport oder nicht? Das Foto zeigt eine Aufnahme vom ESL One Counter Strike GO-Wettkampf 2019 in Köln. Foto: imago images /Chris Emil Janßen/BNN
Computerspielen als Sport? Der Deutsche Olympische Sportbund ist dagegen, das Gamen als offizielle Sportart anzuerkennen. Die Vorurteile gegenüber dem eSport sind in Deutschland immer noch weit verbreitet. Das ist tragisch und hat mit der Realität nichts zu tun, meint BNN-Redakteur David Falkner. Wir gehen auf DigiTalfahrt!

Als Teenager habe ich hin und wieder ein Spiel gespielt: Wie schnell schaffe ich es, eine Seite Text am Computer zu tippen? Wie viele Tasten drücke ich in der Minute, wie viele in der Sekunde – und kommt da am Ende auch ein fehlerfreier und sinnvoller Text heraus? Meine Erfolge waren mäßig, aber mit ein wenig Übung wurde ich besser – und besser bedeutete in diesem Fall: Schneller, ohne Fehler, ohne Pause.

Fünf Tastenanschläge in der Minute

Ganz ähnlich funktioniert das im eSport: Sportler, die professionell Computerspiele spielen, müssen das genau so machen: Möglichst schnell, möglichst ohne Fehler und ohne Pause Tasten drücken. Minutenlang, vielleicht stundenlang. Hochkonzentriert, unter Anspannung und immer gegen einen Gegner, der jeden Fehler gnadenlos ausnutzen will. Um die 300 APM erreichen die richtig guten eSportler im Durchschnitt in manchen Spielen. APM, das bedeutet „Actions per minute“, Aktionen pro Minute. Im Klartext: Tastenanschläge. 300 Tastenanschläge pro Minute, das sind etwa fünf pro Sekunde. Und das über längere Zeit: 15 Minuten, 30 Minuten, 50 Minuten. Und ein falscher Tastendruck zur falschen Zeit kann die Niederlage bedeuten. Und dabei darf man natürlich die Zusammenarbeit mit dem eigenen Team, die Taktik und Strategie nicht aus den Augen lassen.

Bill „Horyzon“ Hu von KIT eSports White. Das Karlsruher Team tritt am Wochenende beim University eSports Masters gegen Teams aus ganz Europa an.
Bill „Horyzon“ Hu von KIT eSports White. Das Karlsruher Team tritt am Wochenende beim University eSports Masters gegen Teams aus ganz Europa an. Foto: KIT eSports

eSports ist Schwerstarbeit

Ernsthafter eSport ist Schwerstarbeit, unheimlich anstrengend für die Muskeln und das Gehirn. Profi-Gamer achten auf ihre Ernährung, damit sie im Kopf wach sind, trainieren ihren Körper, damit die Körperspannung im wichtigen Augenblick stimmt und verbringen Stunden mit Taktikdiskussionen. Verletzungen an den Händen und Armen gehören zur Tagesordnung. Viele Sportler legen nach ein paar Jahren ausgelaugt die Maus beiseite und arbeiten als Trainer, Kommentatoren oder Analysten weiter im Business.

Kürzlich hat der Deutsche Olympische Sportbund ein Gutachten in Auftrag gegeben, das ergründen sollte, ob dieser ominöse eSport denn die Adelung als „richtige“ Sportart verdiene. Das ist nicht ganz unwichtig, denn eine solche Entscheidung würde unter anderem steuerliche Vorteile für den eSport bedeuten. Es geht nicht einfach nur um Prestige, sondern vor allem um Geld. Das Ergebnis: Nö. Sport sei im „traditionellen Sinne der Anforderungen an die Körperlichkeit konkretisiert“, und deshalb sei eSport raus. Nicht „körperlich“ genug. „Das Gutachten bestätigt insofern unsere konsequente Ablehnung zur Aufnahme von eSport in den organisierten Sport“, heißt es vom Sportbund – der gleiche Bund übrigens, der Schach, Golf oder Bowling durchaus als richtigen Sport ansieht.

Vorurteile bestimmen das Bild

Ich glaube, dass es hier weniger um die Frage von Sport oder Nicht-Sport geht, sondern im Kern um etwas ganz Anderes: Um den Willen zur Veränderung nämlich. Niemand, der sich ernsthaft mit eSports beschäftigt, kann behaupten, dass das kein Sport sei – Schach, Golf oder Bowling aber schon.

Schach allerdings ist das Spiel der Könige, über dem sich schon unsere Großväter und Urgroßväter die Köpfe zerbrochen haben, dem Schachspiel haftet die Erhabenheit an. Bei eSport hingegen herrschen zu allergrößten Teilen immer noch die Vorurteile. Dicke, pickelige Teenager, menschenverachtende "Killerspiele", stinkende Keller, staubige Bildschirme – dass das mit der eSport-Realität nichts zu tun hat: geschenkt. Aber in den Köpfen vieler Menschen ist das die Realität – und der Olympische Sportbund hat offensichtlich kein Interesse, daran etwas zu ändern. Schade.

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Das Geschäft wächst einfach weiter

Tatsache ist: Der eSport braucht den Sportbund nicht. Das Geschäft floriert und wächst seit Jahren, jedes Wochenende schauen Millionen Menschen auf der ganzen Welt zu, wenn sich die eSportler auf den virtuellen Spielfeldern gegenüberstehen – per Stream übers Internet oder auch live vor Ort in den großen Hallen, wie zuletzt auf der Gamescom in Köln . Immer mehr traditionelle Sportvereine steigen ein, wie beispielsweise der VfL Wolfsburg oder Schalke 04, die eigene eSport-Abteilungen betrieben. Und ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht – warum auch?

Trotzdem würde sich der eSport in Deutschland über Förderung kaum beschweren – im Vergleich zu eSports-Giganten wie den USA, China oder Südkorea, wo das professionelle Spielen am Bildschirm schon seit Jahren viel mehr Rückhalt und Anerkennung bekommt als in Deutschland, hinken wir hinterher.

Aber dann kommen die Fördergelder für den eSport im Land eben nicht von Oben, sondern von privaten Firmen wie beispielsweise Riot Games – die Entwickler des populären eSport-Titels „League of Legends“ haben ihre Zentrale für Turniere in Europa in Berlin aufgebaut – ob mit Sportförderung oder eben ohne. Es funktioniert also, Vorurteile hin oder her. Wen interessiert da noch, ob eSports jetzt ein „richtiger“ Sport ist oder nicht? Wer interessiert sich da noch für den Deutschen Olympischen Sportbund?

Richtig: Niemand.

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