
„D’Mudderschprooch verrot viel iwwer en Mensch, aber ganz b’stimmt net, ob ebber vornehm, gebildet oder oschdändig isch“, ruft in ihrer bitter-süß-ironischen, im Renchtaler Dialekt gehaltenen, „Dankesrede“ Überraschungsgast Veronica Kerber ihrem zu Recht verflossenen, aber „vornehme Martin aus Bihlerdal“ hinterher.
Kerbers Vortrag bildet den Abschluss des vielstimmigen Mundartabends am Samstagabend in der Ettlinger Stadthalle, bevor das Blechbläserquintett Brass Jokers vom Musikverein Frohsinn in Spessart das Badnerlied anstimmt und der ausverkaufte Saal beseelt mitsingt.
Dialekt-Sprecher mit bildungspolitischem Auftrag
„Mir henn e Freid, sie in de Hoimadschbrooch zu unnerhalde, also en bildungspolitische Ufftrag – seit 30 Johr“, sagt gut zwei Stunden früher Moderator Rudi Bannwarth zur Begrüßung der Gäste und verweist auf den runden Geburtstag. Er stellt aber auch kritisch fest: „Ob Zeitung oder Radio: Mundart isch in aller Munde – aber koiner schwätzt se mee.“ Nur noch „Brihwirfelg’schwätz – also Denglisch“. Um Abhilfe zu schaffen, gibt er die Bühne frei für Bernd Siemers.
Ettlingerisch ist zwar „koi Amtssbrooch mee“, sinniert der Karlsruher Badener aber daheim bei der Ehefrau schon. „Schell ned an sellere Schell, selle Schell schellt ned. Schell an sellere Schell’, selle Schell’ schellt!“ Ob er weiß, was die „Ost-Badener“, gleich „Schwoba“, die auch noch zu Wort kommen sollten, unter „Schell’“ verstehen? Aber Siemers will niemandem „uff de Binsel tredde“, denn nur „wer zwaideudich denke dud hat oideutich mee zum Lache.“
Nachdenkliches Sinnieren auf dem Heimweg
So differenziert bei „Rendnerläwe“ Margrit Schön, dass es „bei de Männer ‚Rentner‘ haißt, weil ma des bei zunehmender Vergesslichkeit au von hinne lese konn“. Michael Köhler sinniert nachdenklich „Uff em Hoimweg“ dass „d’Alb uff ihre Welle d’Lichter un Eidrück mitnemmt – naus in d’Welt: Ewwe hier, bald scho dort, bin kaum do, musse fort.“
Auch „Uff em Dorf“ lernt Angelika Kraft, die es durch Heirat nach Spessart verschlagen hat neues Vokabular wie Gottsacker. Kulturamtsleiter Christoph Bader setzt den ersten württembergischen Akzent mit „Losse: Des isch uff Schwäbisch, wemmer ebbes zom Verzähle hot“. Bader bekennt: „S’isch schee bei eich Wäschdschwoba!“.
Ein Abend zum Weiterempfehlen
Auch das Publikum „losst“ in der Pause. Marianne Blum mit Cousine Andrea Weber und Mann Volker aus Ettlingenweier – „mir sin immer do“ – lachen herzlich über den Satz „Der hat de Pfipfes“, der ihnen gerade eingefallen ist. „Den Mundartabend kann man nur weiterempfehlen“, so Volker Weber. Oberbürgermeister Johannes Arnold gibt in seinem Grußwort zu, nach der langen Ettlinger Zeit sein „Hoimerdingerisch“ verlernt zu haben und ehrt Bernd Siemers mit dem Silbernen Sibylla-Taler.
Nach weiteren Dialekt-Leckerbissen von Rudi Bannwarth und Rainer Iben – „Floisch“ –, gerieren sich Andreas Lackner und Bernd Siemers mit „Pargggflischder“ auf einer Holzbank als Wiedergänger von Waldorf und Statler, den Bruddlern der Muppets-Show. Das Publikum lernt, dass „Facebook nur so eine Art Poesiealbum für Analphabeten“ sei.