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Geistiger Draht zum Leben der Mönche

„Apotheke Gottes”: Ehrenamtliche kümmern sich um Klostergarten in Bad Herrenalb

Drei Jahre nach der Gartenschau kümmern sich viele Bürger um den Kräutergarten hinter der Klosterkirche Herrenalb. Die „Apotheke Gottes” verbindet mit der Zeit der Mönche und des Mittelalters.

Menschen in Garten mit Blumen und Kirchengebäude im Hintergrund
Aktive Mitglieder der IG Klostergarten: Sigrid Fiebig, Wolfram Müller, Cornelia Kelly, Reinhold Rau und Christa Sagawe (von links). Foto: Johannes-Christoph Weis

Walahfrid-Strabo ist in der Region als Namensgeber für das Gymnasiums in Rheinstetten ein Begriff. Die Aktiven des Bürgerprojekts „Kräutergarten” in Bad Herrenalb kennen ihn aus einem anderen Grund: Der Benediktinermönch von der Insel Reichenau schrieb um 840 „Hortulus”. Es ist eines der bedeutendsten botanischen und gartenkundlichen Werke des Mittelalters.

Darin sind 24 Heilkräuter in Versform beschrieben. „Das bildete die Grundlage für unseren hier zur Gartenschau 2017 neu angelegten Kräutergarten”, sagt Wolfram Müller, Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) „Klostergarten” in der Interessengemeinschaft Gartenschau.

Das Engagement der Bürger für den Klostergarten ist vorbildlich. Sie sind seit Jahren dabei. Man nennt so etwas nachhaltig.
Reinhold Rau, ehemaliger Forstdezernent des Landkreises Calw

Reinhold Rau, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Gartenschau und „Macher der kleinen Gartenschau 2017”, ergänzt: „Wir werden von der Fördergesellschaft BW Grün, verantwortlich für Landesgartenschauen, gelobt, dass noch Jahre nach Ende des Ereignisses Projekte von Bürgern fortgeführt werden. Das ist ungewöhnlich. Man nennt so etwas nachhaltig.” Es habe aber auch mit dem Engagement von Wolfram Müller aus Waldbronn zu tun. Der bringt sich seit fünf Jahren in vielen Arbeitsstunden in dem Projekt „Klostergarten” ein.

Mann mit Plan in einem Kirchenraum
Kräutergarten der Insel Rechenau ist Vorbild: Wolfram Müller erläutert in der Klosterkirche die Pläne des Herrenalber Kräutergarten. Foto: Johannes-Christoph Weis

121 Tage lang hatten er und andere Mitglieder des Bürgerprojekts den Kräutergarten während der kleinen Gartenschau 2017 gepflegt, aber danach haben sie keineswegs Hacke und Gießkanne weggestellt. Im Hitzesommer 2018 schleppten sie ebenso wie in den vergangenen heißen Tagen Gießkanne nach Gießkanne, um die vielen Pflanzen in dem Kräutergarten zu erhalten. „Das ging schon körperlich an die Substanz, schweißtreibend”, sagen die Aktiven der Interessengemeinschaft Kräutergarten unisono.

Ein geistiger Draht zu den Mönchen

Ein kleiner Kreis von ihnen hat sich um Müller und Rau an einem heißen Sommertag im kühlen Chor der evangelischen Klosterkirche mit Pfarrer Johannes Oesch versammelt. Es geht um die Motive für ihr ehrenamtliches Engagement. Es geht um Begriffe wie Suche nach Gemeinschaft und Spiritualität.

Die Quintessenz ist, nach dem lateinischen Motto „ora et labora” (Bete und arbeite), sich mit dem Lebensrhythmus einer anderen Welt verbunden zu fühlen. Ein geistiger Draht wurde hergestellt zu den Mönchen. Diese haben vor Jahrhunderten eine „Apotheke Gottes”, den ersten Kräutergarten im Umfeld der einst gigantisch großen Klosterkirche, angelegt. In der Abgeschiedenheit des oberen Albtals, fern der geschäftigen Welt.

Selbstversorgung war lebenswichtig

Der Kreis um Wolfram Müller und Reinhold Rau kennt die Geschichte der Mönche genauer: Den vom elsässischen Kloster Neuburg bei Hagenau kommenden Zisterziensern, die 1148 den Grundstein für das Kloster Herrenalb und damit der Stadt im abgelegenen oberen Albtal setzten, war Selbstversorgung überlebenswichtig. Die Lebensorientierung an der Benediktsregel, Erwerb des Lebensunterhalts durch eigene Arbeit, Verzicht auf die Annahme von Schenkungen kultivierter Liegenschaften, um nicht reich zu werden, und strenge Abgeschiedenheit zeichneten die Zisterzienser auch in Herrenalb aus.

Mutter Jesu schenkte Habit aus grauem Stoff

Sie trugen einen ungebleichten, grauen Stoff als Habit. Dieses Gewand soll Maria, Mutter Jesu, dem zweiten Abt im Gründungskloster Citeaux in Frankreich geschenkt haben. Sicher ist, dass die Zisterzienser spätestens mit ihren berühmten Heiligen Bernhard von Clairvaux eine besondere Affinität zur „Mutter Gottes” hatten.

Einen fertigen Plan gab es nicht

Wolfram Müller und Reinhold Rau erzählen über die Anfänge des Kräutergartens vor der kleinen Gartenschau: Einen fertigen Plan für die Anlage im Schatten der heutigen evangelischen Kirche im Klosterbezirk gab es nicht. Die erste Orientierung sei das Werk von Walahfrid-Strabo gewesen, allerdings nicht die „alleinige Bibel”. Rat über die Wirkung von Heilpflanzen kam noch der Deutschen Homöopathischen Union. Strittig sei in der Gruppe das Material zum Bau der Hochbeete gewesen. Holz oder Stein? Holz sei nicht so haltbar.

Kreuz als Symbol für Weg zum Leben

Die Mehrheit entschied sich für Fichtenholz, der Nähe zu einem historischen Kräutergarten wegen. Reinhold Rau deutet dabei in eine entfernte Ecke des riesigen Klosterareals – sei ja der neue Kräutergarten nicht an seinem angestammten Platz. Damit kein Wasser aus dem feuchten Erdreich in das Holz eindringt, haben die Bürger vor der Einbringungen der Blumenerde die Balkenkonstruktion innen mit Folie verkleidet.

Die ersten Pflanzen, die in den neuen Hochbeeten gesetzt wurden, waren Thymian, Arnika, Salbe, Melisse, Mohn und Lavendel. Die spirituelle Dimension des Kräutergartens wird durch die beiden Mittelwege ausgedrückt. Sie bilden ein Kreuz. In dessen Mitte steht ein Schöpfbrunnen. Das Kreuz symbolisiert damit den Weg zum Wasser als „Quelle des Lebens”.

Wolfram Müller inspiziert fast täglich den Garten

Müller fährt fast täglich von Waldbronn nach Herrenalb, um „seine” Anlage zu inspizieren. Er dokumentiert jedes einzelne Gewächs und schaut, dass alles wie gewünscht wächst und gedeiht. Er hat viele, viele Fotos im Kräutergarten geschossen. Stolz ist er auf jedes Pflänzchen.

Aber große Gewächse scheinen es ihm angetan zu haben: Seine Hand richtet sich auf eine riesige Artischocke, eine hochwüchsige, distelartige Pflanze mit silbrigen, dornigen Laubblättern. Müller weiß, weshalb die frostempflindliche, bis zu zwei Meter hohe Pflanze in einen Kräutergarten mit medizinischer Ausrichtung gehört: Artischocken wird eine verdauungsfördernde und cholesterinsenkende Wirkung zugeschrieben.

Violett blühende hochgewachsene distelartige Pflanze
Hochgewachsene Pflanze: Aus dem nordafrikanischen Raum kommt ursprünglich die Artischocke. Foto: Johannes-Christoph weis

Fast alle Feste wegen Corona abgesagt

Traurig waren die Aktiven der IG Gartenschau, in deren Bereich auch das Kräutergartenprojekt gehört, dass in den vergangenen Monaten angefangen von einem Muttertagsfest bis hin zu Vorträgen in der Anlage über medizinische und homöopathische Wirkungen der Pflanzen alle offiziellen Veranstaltungen ausfallen mussten. „Wir wollten 2020 gegenüber den Vorjahren ein noch umfangreicheres Programm bieten”, sagt Reinhold Rau . Der „Tag der offenen Gartentür” wurde abgesagt, ebenso wie das Erdbeerfest Mitte Juni im Fantasiegarten.

Einzelne Kräuter werden in Facebook vorgestellt

Da Führungen oder Kräuterworkshops bis dato ausfallen müssen, hat Christa Sagawe vom Herrenalber Tourismusbüro ideenreich eine Virtuelle Reihe zum Kräutergarten kreiert. „Ich stelle einzelne Kräuter über Facebook vor. Das motiviert vielleicht, den Garten in der Realität zu besuchen.” Ein Anliegen hat IG-Vorsitzender Rau noch: Verstärkung für die Arbeitseinsätze – auch ohne Mitgliedschaft – könne sein Verein immer brauchen.

Was sind Ihre Lieblingsblumen?

Und welche Favoriten haben Aktive wie Wolfram Müller, Christa Sagawe, Reinhold Rau oder Sigrid Fiebig? „Meine Lieblingspflanze ist die Pestwurz”, sagt Wolfram Müller. Sie habe richtig kräftige Blätter und man spüre, „da ist Wachstum und Energie.” Die Pflanze sei ein schöner Eckpunkt in dem Klostergarten. Müller lässt keine Kritik auf die große Pflanze kommen, „auch wenn sie nicht leicht zu pflegen ist und ohne Wurzelschutz es nicht geht, weil die Pflanze sonst den ganzen Garten erobert”.

Korbblütler mit rosa Blütenblättern
Die Blätter des Purpur-Sonnenhuts können gegessen werden. Der Saft der Pflanze wird zur Stimulierung des Immunsystems genutzt.[ Foto: Johannes-Christoph Wei

Sigrid Fiebigs Favorit ist das Johanneskraut. Das könne man gut im nahe gelegenen Dobeltal sammeln, in Öl legen und nach sechs Wochen abgießen. Das sei dann ideal als Hautpflegemittel. Zudem könne man es einnehmen zum Abbau leichter Depressionen. Andere Favoritinnen sind für sie Kapuzinerkresse – „die hat eine tolle Farbe” –und die Ringelblumen, der schönen orangenen Färbung wegen.

Beim Lavendel denke ich an Urlaub und Glücklichsein.
Christa Sagawe, Tourismusbüro Bad Herrenalb

„Ich liebe den Lavendel, der hat einen wunderbaren Duft. Ich denke dabei an Urlaub und Glücklichsein”, sagt Christa Sagawe. Sie sehe die Bienen dauernd um die Pflanze schwärmen. Das sei ein sicheres Zeichen einer gesunden Umgebung. Sagawe in ihrer Funktion als Repräsentantin des Tourismusbüros macht dann gleich noch Werbung: „Wir werden im Rahmen unserer Kampagne ‘Mit Abstand schön’ am 28. August ein Dinner im Paradies der Klosterkirche veranstalten. Der Klostergarten wird zum Auftakt eine wichtige Rolle spielen.”

Fast schon erotische Beziehung zu Maria

Ins Herz geschlossen hat Sigrid Fiebig das kleine Mariengärtchen. Lilien, als Mutter-Gottes-Blumen, in verschiedenen Varianten spielen in ihm eine wichtige Rolle. Im Mittelpunkt steht aber die Zisterzienserrose, die an die Mönche der ehemaligen Abtei Herrenalb erinnert. Die zölibatär lebenden Zisterzienser hatten eine fast schon erotische Verehrung zu Maria als Mutter Jesu entwickelt.

Und Sigrid Fiebig erläutert sogleich die Funktion der einzelnen Blumen im Mariengärtchen. Während die Rose mit ihrem Duft etwas Betörendes beziehungsweise Paradiesisches habe, stünden die Lilien für die Reinheit, die Gänseblümchen für die Bescheidenheit und Erdbeeren für Demut.

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