Der schöne, werbewirksame Name „Bad Herrenalb“ für das erste Modul eines komplett recyclebaren Tiny House auf dem Kurstadt-Campingplatz lockte keinen der Gemeinderäte.
Dabei hatte sich die Malscher Firma Pilzdesign alle Mühe gegeben, zwei straßentaugliche, mobile Module mit einer Wohnfläche von 48 Quadratmetern rechtzeitig vor der Sitzung mit dem Lkw ins Obere Albtal zu karren und dort aufzustellen.
Die drei Herren, Designer und Erfinder Matthias Pilz, Malsch, Digitalisierungexperte Johannes Walter und Investor Raphael Krug, beide Ettlingen, die ihr Projekt für Bauen der Zukunft am Mittwoch im Kurhaus dem Gemeinderat vorstellten, warteten davor vergeblich eine Stunde lang auf der Wiese an der Schwimmbadstraße auf die ehrenamtlichen Volksvertreter.
Dabei las sich die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung für die Sitzung vielversprechend: „In Bad Herrenalb soll ein Pilotprojekt zu neuen Wohnungsformen stattfinden. Dieses soll wissenschaftlich begleitet werden und durch Fördermittel des Landes beziehungsweise Bundes finanziert werden.“
Wir haben hier mit dem Wohnmodul etwas ganz Neues. Es ist nicht aus Stein und nicht aus Holz.Matthias Pilz, Pilzdesign
Matthias Pilz skizzierte in kurzen Worten der Verwaltung, dem Gemeinderat und zahlreichen Zuhörern, was seine Firma mit dem Pilotprojekt für Ziele verfolgt: „Wir haben hier mit dem Wohnmodul etwas ganz Neues. Es ist nicht aus Stein und nicht aus Holz.“
Man baue hier in einer neuen besonders patentierten Art und Weise, was den Baustoff angehe. Er sei aus Styropor, mit einer Spezialbeschichtung, die schier unverwüstlich sei. Was den Verbrauch von Kohlendioxid angeht, sei er im Vergleich zu den üblicherweise verwendeten Baustoffen in Bezug auf Nachhaltigkeit unschlagbar.
Diese Module sind acht Meter lang, drei Meter breit und vier Meter hoch. Zwei miteinander verbundene Module ergäben demzufolge 48 Quadratmeter.
KIT begleitet Pilotprojekt zu Tiny Houses
Begleitet werde das Pilotprojekt vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), und dort von Andreas Gerdes, der in den nächsten Tagen Vorort nach Bad Herrenalb komme. Das Pilotprojekt werde vermutlich ein Jahr bis 18 Monate laufen. Dabei gehe es unter anderem um die Evaluierung bezüglich Nachhaltigkeit der verwendeten Baustoffe und ob die Module fürs Wohnen tauglich sind.
Bürgermeister Klaus Hoffmann (parteilos) meinte vor der Aussprache über die auf dem Campingplatz aufgestellten Module: „Ich kann nur jedem empfehlen, einmal in die Gebäude auf dem Campingplatz hineinzugehen und das selbst in Augenschein zu nehmen.“
Es gehe jetzt nicht um festes Wohnen, sondern um ein Forschungsprojekt. Solange es sich um mobiles Wohnen auf einem Campingplatz handele, bedürfe es keiner baurechtlichen Genehmigung. Später könnte diese auch in eine dauerhafte Wohneinrichtung übergeführt werden.
Styropor mit Spezialbeschichtung in der Kritik in Bad Herrenalb
Klaus Lienen (CDU) brachte große Bedenken zu dem Vorhaben vor: „Sie reden von Styropor. Das beißt sich doch mit Nachhaltigkeit.“ Styropor werde in der EU zu 80 bis 90 Prozent verbrannt und werde zudem aus Erdöl hergestellt.
Pilz erwiderte Lienen, dass der Baustoff Styropor, der bei der BASF produziert wird, für höhere Energieeffizienz stehe. In der Fertigung habe man bei Styropor im Gegensatz zu Holz keinen Verschnitt und alles könne in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden. Und bei den Modulen habe man überhaupt keinen „CO2-Killer“ Beton.
Das, was man in Malsch baue, sei sehr leicht, emissionsarm und halte die nächsten Jahrzehnte. Die Beschichtungen hielten viel länger als Holz oder verputzte Fassaden.
Standort der Tiny Houses in Bad Herrenalb ist unklar
Andreas Tockhorn (Grüne Plus) wollte wissen, wo die Tiny Houses künftig stehen sollen. „Das steht im Moment nicht zur Debatte. Im Moment handelt es sich um ein Forschungsprojekt“, antwortete Pilz. Doch Tockhorn setzte nach: „Was wollen Sie da erforschen. Geht es um Überlebenstraining auf 48 Quadratmetern?“
Johannes Walter verwies darauf, dass das Pilotprojekt ein Beitrag für das von der Bundesregierung angestrebte Ziel, pro Jahr 400.000 Wohnungen zu bauen, sein könne. Aktuell stehe dem die Problematik der Nachhaltigkeit im Wege. Rüdiger König (UBV): „Mit einer Untersuchung habe ich kein Problem.“ Aber gegen eine Tiny-House-Siedlung werde er vehement sein.
„Wir sind für neue Wohnformen. Ich bin dagegen, dass das madig gemacht wird“, meinte Andreas Nofer (Freie Wähler). Manfred Senk (Grüne Plus) stimmte ihm zu: Die Tiny-House-Bewegung in Deutschland sei riesig. Immer mehr Menschen sei klar, dass die großen Wohnflächen asozial seien. Das Vorhaben sei ökonomisch wie ökologisch interessant.
Gertraude Maier (UBV) sah den Ansatz der Malscher Firma für eine neue Wohnbauform ausgesprochen positiv. Am Ende stimmte der Gemeinderat zu.