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Krise an Krise

Psychologische Beratungsstelle Ettlingen zeichnet düsteres Bild: Mehr Familien denn je sind an der Belastungsgrenze

Erst die Corona-Pandemie, jetzt die Auswirkungen des Ukraine-Krieges: Die vergangenen Jahren sind von tiefgreifenden Krisen geprägt. Das belastete auch junge Menschen. Die Psychologische Beratungsstelle in Ettlingen ist daher stark gefordert.

trauriges Kind
Viele suchen Hilfe: Kinder und Erwachsene leiden unter den Krisen und Katastrophen der vergangenen Jahre. Der Bedarf an Hilfsangeboten stark gestiegen. Foto: Nicolas Armer/dpa

Die Nachfrage nach Hilfsangeboten bei der Psychologischen Beratungsstelle des Caritasverbands in Ettlingen ist so hoch wie seit Jahren nicht. „Wir erleben einen regelrechten Boom, für uns ist die Situation fast nicht mehr bewältigbar“, macht Bereichsleiterin Ute Heidt-Lang deutlich. Der Gemütszustand bei vielen Kindern, Jugendlichen und Familien ist derzeit besorgniserregend.

Die Gründe hierfür lägen auf der Hand: Erst die Corona-Krise, dann der Ukraine-Krieg und nun auch noch die Inflation sowie Versorgungsmängel führten bei den Betroffenen zu Ängsten und Belastungen.

Und die Vielzahl an Krisen und Katastrophen sorgt auch dafür, dass für die Beratungsstellen die Fälle zunehmend komplexer werden, da mehrere Probleme zusammenkommen.

Existenzängste bei Jugendlichen

Vor allem für Jugendliche in der Pubertät hat dies verheerende Auswirkungen. „In dieser Altersgruppe fehlt ein wichtiger Entwicklungsschritt“, verdeutlicht Heidt-Lang vor allem mit Blick auf die Corona-Lockdowns und die damit verbundene soziale Isolation.

Statt persönlich in der Gruppe war diese Altersgruppe der 13- bis 16-Jährigen vielfach nur in den sozialen Medien unterwegs. Und durch die weiteren Krisen ist an die Stelle von Hoffnung auf bessere Zeiten nun Existenzangst getreten.

Deshalb zeige sich auch erst jetzt ein verstärktes Beratungsbedürfnis, zu Corona-Beginn war dieses noch verhalten. Was kommt wohl als Nächstes? Wie soll mein Leben aussehen? Das sind die Fragen, die sich die Jugendlichen stellten und nicht mehr allein weiter wissen.

Um Antworten zu finden, führt der Weg daher häufig in die Beratungsstelle neben dem Seniorenzentrum am Horbachpark. „Viele Jugendliche kommen von sich aus zu uns“, hat Heidt-Lang eine erstaunliche Entwicklung festgestellt. Inzwischen dürften Heranwachsende ab zwölf Jahren ohne die Kenntnis der Eltern psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Positive Eigenschaften sollen herausgestellt werden

Doch in der Regel werden dann die Eltern mit einbezogen, denn gemeinsame Kommunikation sei bei der Beratung ein Schlüsselbaustein. Bei dieser werde systematisch vorgegangen, um die Gesamtumstände und nicht nur isolierte Einzelprobleme zu betrachten.

So lösten etwa ein beengtes Wohnumfeld oder fehlende soziale Festigung vermehrt Probleme aus. Und vielmals würden die Eltern genauso leiden – derzeit vor allem, weil sie finanzielle Sorgen haben.

In der Beratung geht es dann darum, positive Eigenschaften und Ressourcen zu stärken. Vor allem bei noch jüngeren Kindern ist dies für die Identitätsentwicklung wichtig. In diesen Altersklassen wird daher vieles gemeinsam und spielerisch erarbeitet.

Da kann man sich schon mal im Spielzeugkaufladen nicht alles leisten, um die Inflation spielerisch zu erklären oder in der Ritterburg wird gespielt, was es bedeutet, wenn Krieg herrscht.

Blick in die Zukunft bereitet Sorgen

Als wichtigen Tipp gibt Ute Heidt-Lang Eltern mit, die Anliegen der Kinder auf keinen Fall zu ignorieren. Stattdessen sollen sie die Fragen beantworten. „Was die Kinder fragen, verstehen sie auch.“

Hilfreich sei es auch, den Kindern in einer bildhaften Sprache zu antworten und positive Aspekte zu betonen. Statt „Wir haben kein Geld mehr, um zu heizen“ könne es schon helfen zu sagen: „Wir brauchen es heute nicht so warm und machen die Heizung früher aus.“ Auch das Teilen von Ängsten im Familienkreis könne guttun.

Besorgt blickt die erfahrene Beraterin in die Zukunft. „Die Langzeitwirkungen werden kommen.“ Zwar weniger bei den Kleinkindern, doch vor allem bei Jugendlichen würden Lustlosigkeit, Überforderung oder fehlende Leistungsfähigkeit zukünftig eine Rolle spielen und Entwicklungslücken bleiben.

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