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Nachruf

Bildhauer Werner Pokorny ist in seinem Wohnort Ettlingen gestorben: Seine Werke prägen den öffentlichen Raum

Vor dem ZKM Karlsruhe, im Stadtgarten Ettlingen, in Offenburg, Frankfurt oder Stuttgart – an vielen Orten im öffentlichen Raum ist die Kunst von Werner Pokorny präsent. Nun ist der renommierte Bildhauer im Alter von 73 Jahren gestorben.

Skulptur „Neun Pfeiler, kopfüber“ von Werner Pokorny auf dem Vorplatz des ZKM Karlsruhe
Zu den markanten Kunstwerken von Werner Pokorny im öffentlichen Raum gehört die Skulptur „Neun Pfeiler aufrecht“ auf dem Vorplatz des ZKM-Hallenbaus. Foto: Paul Needham

Dürres, fast brüchiges Geäst, drauf lasten dicke Bretter und Holzklötze in Gestalt einfacher Wohnbauten: „3 Häuser auf Stangen“ nannte Werner Pokorny 1985 diese Arbeit.

Sie ist symptomatisch für sein Werk. Denn das Feste und das Dynamische, das Solide und Vergängliche sind Grundmerkmale seiner Kunst.

Anfänge im Badischen Kunstverein Karlsruhe

„Ich habe ein Faible für Ambivalenz“, erklärte der Bildhauer in einem Interview. Seinem Sinn für doppelwertige Bedeutung verlieh er in frühen Arbeiten durch nahtlose Übergänge Ausdruck: Aus rohem Geäst erwächst ein Sitzmöbel, vier dicke Baumstämme verwandeln sich nach oben hin in einen Hocker. Klar, dass Pokorny in der Ausstellung „z.B. Stühle“ vertreten war, die 1982 im Badischen Kunstverein gezeigt wurde.

Fünf Jahre zuvor war er dort schon einmal an einer Gruppenausstellung beteiligt gewesen. Sie hieß „Mäuseflipper und Heiligenschein“. Studenten der Klasse von Günter Neusel präsentierten in der Karlsruher Waldstraße 3 ihre Werke.

Neusel war neben Hans Baschang und Horst Egon Kalinowski einer der Professoren gewesen, bei denen Pokorny zwischen 1971 und 1977 an der Kunstakademie Karlsruhe studiert hatte. Dass er einmal selbst ein erfolgreicher Künstler und anerkannter Hochschullehrer werden würde, zeichnete sich da noch nicht ab.

Kunst ist ein Spiel und ein Versuch.
Werner Pokorny, Bildhauer

Der Titel der Ausstellung hatte gleichwohl etwas Wegweisendes. Denn das Spielerische, auch im Sinne von „ausprobieren“ und „experimentieren“, war für Pokorny wichtig. „Kunst ist ein Spiel und ein Versuch,“ erklärte er 2008 anlässlich einer Ausstellung im Hospitalhof Stuttgart.

Damals legte er kleine Holzelemente als Einladung an das Publikum bereit – „wie ein Spiel mit Bauklötzen, das auch dem Zufall oder der Gestaltung durch Besucher überlassen sein sollte“. Dazu passt das Motto des Katalogs, der 2013 anlässlich der Verleihung des renommierten Hans-Thoma-Preises an Werner Pokorny erschien: „play it again“.

Als Lehrender förderte Werner Pokorny die Eigenständigkeit

Spielen hat mit Offenheit zu tun. Das gilt insbesondere für Pokorny und bewahrheitet sich an seinen Studentinnen und Studenten. 1998 wird er an die Kunstakademie Stuttgart berufen, wo er 15 Jahre lang lehrt.

Das heißt nicht zuletzt: Förderung von Eigenständigkeit, wie etwa bei Gabriela Oberkofler und Thomas Putze sichtbar wird, die in ihrer Arbeit zu jeweils gänzlich eigenständigen konzeptuellen Formen gelangen.

Pokorny selbst hat ein umfangreiches Werk geschaffen, das sich durch eine nachgerade archaische, zugleich moderne Formensprache auszeichnet. Seine Arbeiten erinnern an Schalen oder Schiffe und verweisen auf Grundbedürfnisse des Menschen, sei es das Beschaffen von Nahrung, sei es die Notwendigkeit, neues Terrain zu erschließen.

Und immer wieder ist es das Haus, das den Bildhauer beschäftigt – ein Motiv, auf dessen schiere Unerschöpflichkeit er gerne mit einem Zitat des Künstlerduos Fischli/Weiss aufmerksam machte: „Ist alles, was ich schon vergessen habe, so groß wie ein Haus?“

Häuser tauchen in vielen seiner Skulpturen auf

Zeichenhaft nimmt es Gestalt an in Großplastiken wie „Zwei Skulpturen für Offenburg“ (1992), „Neun Pfeiler aufrecht“ (1994) am Karlsruher ZKM oder „Haus mit Rippen“ (2004) in Stuttgart.

In „Circolo II“ (2006) scheint es zu kreisen, und auf dem Campus Riedberg der Universität Frankfurt am Main krönt es den fast siebeneinhalb Meter hohen „Turm II“, der 2012 entstand – im gleichen Jahr wie der „Turm I“ im Ettlinger Stadtgarten, der aus drei Häusern besteht.

Werner Pokorny „Turm I“ im Stadtpark Ettlingen
Drei Häuser ergeben den „Turm I“ im Ettlinger Stadtpark, den Werner Pokorny 2012 schuf. Im gleichen Jahr entstand der ganz anders gestaltete „Turm II“, der auf dem Campus der Universität in Frankfurt/Main aufgestellt ist. Foto: Werner Bentz

Auch in Berlin oder Bremen, Heidelberg oder Heilbronn, Karlsruhe und seinem Wohnort Ettlingen finden sich zahlreiche Arbeiten Pokornys im öffentlichen Raum und auch in öffentlichen Sammlungen. Sie bestehen zumeist aus Cortenstahl, dem – neben Holz – zentralen Werkstoff, mit dem der Künstler gearbeitet hat.

Erfolgreich, aber stets bescheiden und engagiert

Seine Erfolge sind ihm nie zu Kopf gestiegen. Auch nicht, als ihm 2017 der Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg verliehen wurde. Pokorny wusste, dass sein Nachname auf Tschechisch Bescheidenheit signalisiert.

Diese Eigenschaft, man mag sie auch Demut nennen, bildete die Basis für sein langjähriges, intensives Engagement beim Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen, prägte seinen Einsatz als Vorsitzender des Künstlerbundes Baden-Württemberg und bestimmte die Gründung der Werner-Pokorny-Stiftung (2015), die Absolventinnen und Absolventen der Kunstakademie Stuttgart zugute kommt.

Verleihung des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg
2017 bekam Werner Pokorny (rechts) den Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg überreicht von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Staatsministerium

„Das Haus im Schatten,/ aus dem tritt eine Welt. Sie/ will uns umgarnen“ lautet ein Haiku von Jürgen Glocker, veröffentlicht in einem Band, zu dem der über Jahrzehnte in Ettlingen lebende Künstler Zeichnungen beigesteuert hat.

An Silvester hat Werner Pokorny, 1949 in Mosbach geboren, diese Welt nach mehrwöchiger schwerer Krankheit verlassen. Und über seinen Häusern liegt der Schatten der Trauer.

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