Zwei Tage nachdem im Stephanus-Stift am Robberg Schnelltests die Corona-Infektion von drei Mitarbeitern bestätigt hatten, saß die Tochter noch mit ihrer 83-jährigen Mutter in deren Zimmer, sie aßen Pizza und tranken Rotwein. Später gesellten sie sich an diesem Samstag zu anderen Heimbewohnern im Gemeinschaftsraum. Am nächsten Tag verhängte das Heim ein Besuchsverbot, um eine weitere Ausbreitung der Infektionen zu verhindern. Am Montag dann klagte die Mutter am Telefon über Symptome: Husten, Durchfall, leicht erhöhte Temperatur. Am Donnerstag war sie tot.
„Sie hätte nicht sterben müssen“, sagt ihre Tochter. Zumindest nicht so früh. Ihre Mutter hatte Krebs, „aber nicht in einem so fortgeschrittenen Stadium, dass wir davon ausgingen, dass sie in ein paar Tagen sterben würde“. Das Ergebnis eines Tests, das die Angehörige in der verantwortlichen Arztpraxis erfragte, belegte eine Infektion der 83-Jährigen mit dem Coronavirus. „Das hat ihr den Rest gegeben“, ist sie sich sicher.
59 Bewohner haben sich infiziert
Vergangenen Freitag (27. November) hatte das Landratsamt Karlsruhe öffentlich gemacht, dass 59 der 72 Bewohner des Stifts sowie 29 von 70 Mitarbeitern positiv auf Covid-19 getestet worden sind und zwei Bewohner gestorben sind (wir berichteten). Die Angehörigen seien informiert worden, sagte auf BNN-Nachfrage die Geschäftsführerin des Trägers, der Diakonie im Landkreis Karlsruhe.
Als Hohn empfindet die Tochter diese Aussage. Sie sei nicht informiert worden, als am 26. November die Testergebnisse feststanden. Sie selbst habe sich, nachdem sie vom Arzt erfahren hätte, dass ihre Mutter positiv ist, vorsorglich bei der Arbeit abgemeldet und sich auf Corona testen lassen. Das Ergebnis: positiv. Hätte sie nicht selbst die Initiative ergriffen, sagt die Burbacherin, „würde ich als tickende Zeitbombe rumlaufen“. Sie arbeitet in einer Arztpraxis, hat viel Kontakt zu Patienten.
Ich kann nicht einfach das Heim zumachen.Mirco Langetepe, Heimleiter Stephanus-Stift am Robberg
Heimleiter Mirco Langetepe relativiert die Vorwürfe. Am 19. November habe er von der ersten Corona-Infektion eines Mitarbeiters erfahren und das Gesundheitsamt kontaktiert. In Absprache mit der Behörde habe er einen Zettel ausgehängt mit dem Hinweis, dass Mitarbeiter infiziert seien, man auf Besuche verzichten solle und, sofern man doch Bewohner besucht, dringend eine Maske tragen sollte. „Ich kann nicht einfach das Heim zumachen“, sagt er.
Nach einer Vorgabe des Sozialministeriums könne ein Besuchsverbot nur durch das Gesundheitsamt verfügt werden, erläutert Gudrun Mund, Geschäftsführerin der Diakonie im Landkreis. „Die Vorgabe ist, die Heime soweit möglich offen zu halten“, sagt sie. Und: „Wir wollten die Bewohner auch nicht ohne Not belasten.“
Zwei Tage, bis alle Testergebnisse vorlagen
Weil das Gesundheitsamt keine Testungen veranlassen konnte, vereinbarte er einen Testtermin mit einem lokalen Arzt für alle Bewohner und Mitarbeiter. Sobald die Ergebnisse vorlagen, habe er die Angehörigen informiert. 30 E-Mails hat er verschickt, „aber ich hatte nicht die Adressen von allen“. Bis alle Ergebnisse da waren und Langetepe die restlichen Angehörigen telefonisch informiert hatte, war es Freitag. Da war der Heimleiter schon 27 Stunden wach. Den Betrieb im Heim stemmt er gerade mit rund 30 statt 48 Pflegekräften. Externe Mitarbeiter helfen aus, Tag für Tag plant Langetepe die Schichten neu. 33 Mitarbeiter seien in Quarantäne, in der Nacht von Montag auf Dienstag seien zwei weitere Bewohnerinnen gestorben.
Im Kast-Haus hat sich die Situation entspannt
Derweil hat sich die Situation im Franz-Kast-Haus der Arbeiterwohlfahrt (AWO) insoweit entspannt, als keine Beschäftigten und keine Bewohner mehr mit Corona infiziert seien, so die Information von Geschäftsführer Ramiro Henze. Entsprechend „ist auch die Quarantäne für unser Haus aufgehoben“. Dies nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt im Landratsamt Karlsruhe. Eine abschließende Testung von 32 zuvor schon negativ getesteten Bewohnern sei am 19. November erfolgt, alle mit erneut negativem Befund. Henze ließ auch wissen, dass zwölf Menschen an oder mit Covid-19 gestorben seien.
Die Kommunikation ist einfach nur schlecht.Sohn einer Bewohnerin des Franz-Kast-Hauses
Sowohl ein Sohn, dessen Mutter im Kast-Haus lebt, als auch die Ehefrau eines Bewohners sind unter anderem mit der Informationspolitik der Geschäftsführung seit dem Corona-Ausbruch dort unzufrieden. Sie hätten über die Vorgänge im AWO-Pflegeheim über die Zeitung erfahren müssen, Anrufe würden nicht beantwortet oder wenn, dann Stunden später, die Kommunikation sei „einfach nur schlecht“, so der Sohn einer Bewohnerin. Über fünf Wochen habe sie ihren Mann nicht sehen dürfen.
Erst jetzt wieder, da es ihm sehr schlecht gehe. „Sie haben dort nicht einmal einen Raum, wo man den Angehörigen abgeschottet von anderen treffen kann“, beanstandet die Ehefrau des Bewohners aus Waldbronn.
Besuche und Aufnahmen wieder möglich
Henze will die Vorwürfe so nicht gelten lassen. Man habe einfach niemanden ins Haus lassen dürfen, als die Infektionswelle lief, da habe man sich in Übereinstimmung mit der Heimaufsicht und dem Gesundheitsamt befunden. Jetzt seien Besuche und Aufnahmen wieder möglich. Man plane, den Angehörigen ab kommender Woche auch Corona-Schnelltests anzubieten. Bei negativem Ergebnis dürften diese jederzeit in die Wohnbereiche und nicht nur ins Besucherzimmer.