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Pflegeleichte Gräber gefragt

Der Wandel der Friedhofskultur ist auch in Ettlingen zu spüren

Zu Allerheiligen sollen die Gräber besonders gepflegt aussehen. Für Friedhofsgärtner und Floristen ist der Feiertag daher einer der wichtigsten Tage im Jahr. Das Interesse an opulentem Blumenschmuck lässt allerdings nach.

Grab
Vorbereitung auf Allerheiligen: Hans Zschernitz kümmert sich auch um das Grab seiner Schwiegereltern auf dem Ettlinger Stadtfriedhof. Foto: Ulrich Krawutschke

Das viele Laub auf den Wegen und Anlagen, die Grünpflege und der Heckenschnitt macht den Ettlinger Friedhofsmitarbeitern mächtig zu schaffen, denn der zentrale Friedhof an der Durlacher Straße soll am Sonntag, an Allerheiligen, „gut aussehen“, so Jörg Bingel von der Friedhofsabteilung.

„Allerheiligen ist präsent bei Besuchern, Steinmetzen und Gärtnern, aber angesichts von Corona doch etwas anders“ sagt Bingel. In der Aussegnungshalle passiere nichts, aber das Kriegerfeld beim ecce homo (da ist der Mensch) wird, wie auch das Fremdarbeiterfeld, mit Erika bepflanzt, und es werden Ständer mit Kränzen aufgestellt.

Viele Angehörige pflegen die Gräber Verstorbener zu Allerheiligen selbst oder lassen dies von Gärtnern machen, weiß Bingel. In Rheinstetten dagegen gibt es in den Aussegnungshallen Waldkränze, nur die Gedenkfeier entfällt, so Nicole Müller vom Büro des OB. An den Soldatengräbern werden auf allen drei Friedhöfen Gebinde aus Alpenveilchen und Erika mit Trauerschleife gelegt.

Friedhofskultur wandelt sich

Thomas Heiland von der Genossenschaft Badischer Friedhofsgärtner allerdings hat die Erfahrung, dass „die christlichen Traditionen weniger gelebt werden und die Friedhofs- und Gedenkkultur einen Wandel erfährt“. Es gebe immer weniger individuelle Gräber, sie sollen pflegeleicht sein. Die Friedhofsgärtner müssten da kreativ sein und Bestattungsangebote in Zusammenarbeit mit den Kommunen machen.

Beispiele in Ettlingen seien die Gärten der Erinnerung, der Ruhe und der Ewigkeit. „Sie werden zu Allerheiligen von den Gärtnern hergerichtet“. Familiengräber, weiß Heiland auch von seinen Kollegen, seien „heute nicht mehr so gefragt, bis zu 80 Prozent sind es Feuerbestattungen“. Deshalb gäbe es im Gegensatz zu früher heute auch viel Platz auf den Friedhöfen.

Gestecke sollen den Winter über halten

Noch zufrieden mit dem Geschäft zu Allerheiligen ist Barbara Beetz von Blumen-Beetz in Ettlingen. Die Floristin sagt „es werden aber immer weniger große Gestecke geordert“. Gefragt seien Gestecke, die winterlang halten, weil oft die Familien weit auseinander leben und sich nicht immer kümmern können.

Dazu zähle etwa die Protea mit ihrer üppigen Farbigkeit, aber auch frisches Grün, Zapfen, Koniferen oder getrocknete Ware aus Afrika. Kaum dagegen kommen Frischblumen zum Einsatz, höchstens in einem Mix mit getrockneter Ware als „Hingucker“. Die fertigen Gestecke werden entweder abgeholt oder sie werden direkt auf die Gräber gebracht, wo an Allerheiligen auch „ein Lichtermeer an Kerzen den Friedhof erleuchtet“.

Kollegin Iris Heipek-Beetz vom gleichnamigen Betrieb in Ettlingen schätzt ein Drittel weniger Aufträge von Blumen und Gestecken. „Die älteren Bürger geben dafür noch Geld aus, die jüngeren nicht mehr, das ist ihnen oft zu teuer“. So ein Trockengesteck etwa mit Blautanne koste schon 50 bis 60 Euro. Neben den Trockengestecken, die dennoch bei ihr gehen, bindet sie auch Blumensträuße, vor allem aus Nelken und Rosen.

Gefragt seien bei vielen Gräbern auch sogenannte Strukturbeete, die sich durch schöne Pflanzen in verschiedenen Höhen auszeichnen. Bei ihren täglichen Einsätzen auf den Friedhöfen sieht sie, dass jetzt viele Leute dort sind, oft auch nur um zu schauen, ob die Gärtner die Gräber gut angelegt haben.

Hans Zschernitz ist auch gerade auf dem Friedhof, schaut nach den Gräbern seiner Eltern und Schwiegereltern, die nahe beieinander sind. So ganz wichtig ist ihm der Friedhof aber nicht, bekennt er. „Es sind eher die tiefgreifenden und schönen Erinnerungen, die ich immer in mir habe“. An einem Wahlurnengrab unter einem Baum stehen Willi und Luise und blicken auf ein Namensschild. Hier liegt „ein alter und sehr guter Freund von uns, der 2012, mit nur 49 Jahren, bei einer Geiselnahme am Kanalweg in Karlsruhe vom Täter erschossen wurde“. Ihren Gesichtern ist die Trauer immer noch anzusehen. Nicht nur vor Allerheiligen kommen sie zum Gedenken hierher.

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