Eisiges Hobby: Warum die Ettlinger Winterschwimmer freiwillig in die kalte Alb steigen
Nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt sind es an diesem Morgen in Ettlingen – eigentlich ein Wetter für Mütze, Handschuhe und dicke Winterjacke. Am Albufer nahe der Wasenbrücke jedoch stehen sechs gut gelaunte Menschen in Morgenmantel, Badehose und Bikini. Denn gleich geht es für sie ins kalte Wasser. Und das freiwillig.
„Tolles Wetter heute“, sagt Annette, eine von den Ettlinger Winterschwimmern. Wie immer hat sie ein Thermometer dabei, um die Wassertemperatur zu messen. Sieben Grad zeigt es an. Zum Vergleich: Im Freibad misst man in der Sommersaison üblicherweise um die 25 Grad.
„Es ist schon ein bisschen eine Mutprobe“, sagt sie. „Aber ich mag so extreme Sachen, also habe ich mich einfach getraut.“
Ettlinger treffen sich regelmäßig zum Winterschwimmen
Los ging es im Oktober 2019. Fee und Malte, die in der Mühlenstraße und damit nur einen Steinwurf von der Alb entfernt wohnen, wagten sich als erste in die kalte Flut.
Im Freundeskreis und der Nachbarschaft fanden sich dann schnell Mitstreiter. Inzwischen verabredet sich der harte Kern der Gruppe im Alter von 13 bis Anfang 40 regelmäßig zum Bad in der Alb. Auch an diesem winterlichen Tag wollen sie sich trauen, den ersten Schritt ins eisige Wasser machen, der so viel Überwindung kostet.
Warum sie sich das wieder und wieder antun? „Der Kick macht es aus“, findet Annette und erntet zustimmendes Nicken aus der Gruppe. Fitter und wacher fühle man sich danach, abends schlafe man besser.
Das macht gute Laune und hat mir gegen den Corona-Koller geholfen.Sebastian, Winterschwimmer
Fee spricht vom „warmen Gefühl“, das sich nach dem Wasserbad im ganzen Körper ausbreite. Und für Sebastian ist das Winterschwimmen gar so etwas wie ein Gemütsaufheller. „Das macht gute Laune und hat mir gegen den Corona-Koller geholfen“, berichtet er.
So viel zur Theorie, doch jetzt wird es ernst. Raus aus dem Morgenmantel, rein in die Badeschuhe (die schützen vor spitzen Steinen in der Alb) und ab ins Wasser. Sebastian macht den Anfang.
„So schnell rein wie möglich, das fällt mir leichter“, ruft er. Kurz darauf schwimmen alle sechs in der Strömung. Schreie, verzerrte Gesichter? Fehlanzeige. Die Stimmung ist gut, es wird gelacht und gescherzt.
Und das, obwohl die ersten zwei Minuten eigentlich am schlimmsten sind. Die Knochen und die Gelenke an Händen und Füßen fühlten sich da schon mal so an, als seien sie gebrochen, berichtet Sebastian. Danach vergehe der Schmerz allerdings wieder. Allzu lange bleiben die Schwimmer ohnehin nicht in der Alb. Wie etwa in Finnland beim Eisbaden üblich geht es nach ein paar Minuten mit geröteter Haut wieder zurück in den (auf-)wärmenden Bademantel.
Das ist schon eine Grenzerfahrung.Annette, Winterschwimmerin
Während die anderen schon am Ufer stehen und sich auf die Dusche freuen, schwimmt Annette noch immer vor sich hin. „Im vergangenen Jahr habe ich mich so weit trainiert, dass ich in normaler UV-Kleidung bis zu 45 Minuten im kalten Wasser bleiben konnte“, erzählt sie. Empfehlen würde sie das allerdings niemandem. „Das ist schon eine Grenzerfahrung.“
Mediziner mahnt beim Eisbaden zur Vorsicht
Apropos empfehlen: Kann im Winter jeder bedenkenlos Eisbaden oder ist das für manche Menschen doch gefährlich? Der Ettlinger Facharzt für Sport- und Allgemeinmedizin, Patrick Näher, warnt energisch davor, unvorbereitet ins kalte Wasser zu steigen. „Eisbaden ist nicht ungefährlich“, sagt er.
Durch die Kälte werde der Puls deutlich langsamer, bei Menschen mit Herz-Rhythmus-Störungen könne es gar zum Herzstillstand kommen. Und auch Lungenödeme könnten aufgrund des erhöhten Gefäßdrucks entstehen.
„Deshalb sollte man sich vorher vom Arzt durchchecken lassen und zumindest ein EKG machen“, rät Näher. Winterschwimmer sollten seiner Meinung nach immer auf ihren Körper hören, daraus keinen Wettkampf machen, sondern den kurzen Spaß in den Vordergrund stellen.
Darum geht es auch der Ettlinger Gruppe, die zusammen schon einiges erlebt hat: von Begegnungen mit Eisvögeln oder Reihern bis zum Schock, als im vergangenen Jahr wenige hundert Meter albaufwärts eine Leiche gefunden wurde. Und dann sind da noch die neugierigen Blicke von Passanten, die sich wundern oder auch mal den Kopf schütteln.
Für heute haben es die Schwimmer mal wieder geschafft. „Ich fühle mich viel besser als vorhin“, sagt Malte noch, ehe er und die anderen im Bademantel nach Hause laufen.