In Zeiten von Falschmeldungen und erstarkendem Rechtspopulismus ist das Vertrauen der Menschen in unabhängige Berichterstattung sehr wichtig – gerade auch im Lokalen. In der Kampagne „Journalismus zeigt Gesicht“ werden ausgewählte Journalisten vorgestellt, die direkt vor Ort im Einsatz sind – wie Johannes-Christoph Weis.
Die Kriminalkommissare standen vor dem größten Coup ihrer Karriere: Zehn Jahre harter Arbeit, um einen Raubüberfall aus dem Jahre 1986 auf eine Ettlinger Villa aufzuklären. Ein Hausmädchen hatte dabei geglaubt, ihr letztes Stündlein habe geschlagen, als sie gefesselt am Treppengeländer hing, bedroht von zwei Räubern mit Pistole.
Das zweite Opfer, „Big Manni“ – davon waren die Kommissare 1995 überzeugt – soll den Überfall fingiert haben. So ihre Einschätzung: Der Flowtex-Chef habe dringend Geld gebraucht. Die Schmuckstücke und Teppiche in seiner Villa waren millionenschwer versichert. Zudem hätten im Tresor Unterlagen gelagert, die der Fiskus gerne in Augenschein genommen hätte.
Als die Kripo mit dem roten Haftbefehl auf dem Baden Airpark auftauchte, um Manfred Schmider die Handschellen anzulegen, war der in die Karibik ausgeflogen. Zeit genug für seine Anwälte, mit dem Hinweis auf die „Unschuldsvermutung“ und „Übereifer“ der Kriminalpolizei dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaft Karlsruhe wieder klein beigab.
Über Nacht einen Aktenberg kopiert
Die BNN Ettlingen berichteten damals hautnah über diesen Fall. Eines Abends lag die komplette Ermittlungsakte auf dem Redaktionstisch mit dem Hinweis, man habe über Nacht Zeit, alles zu kopieren, dann müsse der Aktenberg wieder an Ort und Stelle sein. Jede Seite musste einzeln durchgezogen werden. Um sechs Uhr morgens war das Werk vollbracht.
Mehrere tausend Seiten waren nun Grundlage weiterer Recherchen. Dass ein Haftbefehl gegen Schmider vorliege, berichteten die BNN als erste, und als er von der Staatsanwaltschaft wieder eingezogen wurde, nahm man dies nicht einfach zur Kenntnis. Äußerst kritisch wurde nachgefragt, insbesondere dann, als der Raubüberfall mit dem zum Zeugen heruntergestuften Schmider trotz der Schwere der Tat vor dem Karlsruher Amtsgericht verhandelt wurde.
Deutschlands größter Wirtschaftsbetrug fliegt auf
Als sich die übrigen Presseorgane längst nicht mehr für diesen Fall interessierten, schickte die Ettlinger Redaktion zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Schmider und den Versicherungen weiterhin einen Berichterstatter.
Big Manni – Big Money. Die wahre Geschichte eines Milliardenbetrugs
Die akribische Begleitung des Ettlinger Falls war beste journalistische Grundlage, als wiederum ein Ettlinger Redaktionsmitglied als erstes im Februar 2 000 über den neuerlichen Haftbefehl gegen Manfred Schmider berichtete.
Ein Schneeballsystem mit zum großen Teil nicht vorhandenen Horizontalbohrmaschinen, damals Deutschlands größter Wirtschaftsbetrug, war aufgeflogen. Als die Journalisten von Spiegel, Financial Times, ARD, ZDF aus fernen Pressemetropolen eher ahnungslos in die badische „Provinz“ anreisten, waren die über Jahre erarbeiteten lokalredaktionellen Dossiers zur Person Manfred Schmiders wertvolle Grundlage für ihre Berichterstattung.