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Änderung zum 1. Juli

Geplante Mehrwertsteuersenkung treibt Berater und Unternehmer in Ettlingen um

Wenige Tage vor der geplanten Mehrwertsteuersenkung haben die Steuerberater in Ettlingen alle Hände voll zu tun. Viele Anfragen kommen aus dem Baugewerbe. Im Einzelhandel ist die Situation entspannter. Die meisten Händler wollen die Ersparnis durch die Steuersenkung an die Kunden weitergeben.

Auf der Rechnung steht es schwarz auf weiß: Am Kassenbeleg werden Kunden der Ettlinger Geschäfte ab 1. Juli erkennen, was sich in Sachen Mehrwertsteuer geändert hat.
Auf der Rechnung steht es schwarz auf weiß: Am Kassenbeleg werden Kunden der Ettlinger Geschäfte ab 1. Juli erkennen, was sich in Sachen Mehrwertsteuer geändert hat. Foto: Julia Trauden

Wenige Tage vor der geplanten Mehrwertsteuersenkung haben die Steuerberater in Ettlingen alle Hände voll zu tun. Viele Anfragen kommen aus dem Baugewerbe. Im Einzelhandel ist die Situation entspannter. Die meisten  Händler wollen die Ersparnis durch die Steuersenkung an die Kunden weitergeben.

Fünf Anrufe erreichen Manuela Lander im Schnitt pro Tag zum Thema Mehrwertsteuersenkung, bei ihrem Ehemann und ihrem Schwager, mit denen sie in einer Kanzlei arbeitet, sind es jeweils um die 20: Die geplante Senkung von 19 auf 16 Prozent, beziehungsweise von sieben auf fünf im ermäßigten Satz zum 1. Juli, treibt die Steuerberater um.

Anpassung von Buchhaltungsprogrammen und Erfassungssystemen

„Wir kommen überhaupt nicht mehr hinterher“, sagt Lander. Zahlreiche Kunden wenden sich mit Nachfragen an sie und ihre Kollegen. Sie kommen etwa aus dem Baugewerbe, dem Einzelhandel oder der Modebranche.

Mehrere Infoblätter hat die Kanzlei schon an ihre rund 750 Mandanten, die die Steuersenkung konkret betrifft, herausgegeben. Dabei geht es zum Beispiel um die Anpassung von Buchhaltungsprogrammen an die neuen Regelungen oder um die Umstellung von Programmen, die den Ein- und Ausgang von Waren elektronisch erfassen und die mit Kassensystemen verknüpft sind.

Wann wurde welche Leistung erbracht?

Auch Hans-Michael Fahlke, seit 40 Jahren Steuerberater in Ettlingen, erreichen seit zwei Wochen immer mal wieder Anfragen zu dem Thema – vor allem aus dem Baugewerbe, erzählt er. In dieser Branche, in der Aufträge üblicherweise für einen längeren Zeitraum vergeben werden, gelte es, „den Schnitt zu machen“.

Für einen Laien ist das schwer durchschaubar.
Hans-Michael Fahlke, Steuerberater

Welche Leistungen wurden vor dem 1. Juli erbracht, welche danach? Davon hängt ab, welcher Mehrwertsteuersatz Anwendung findet. „Die Mandanten wissen nicht, wie das zu handhaben ist“, berichtet Fahlke. „Für einen Laien ist das schwer durchschaubar.“

Kassen müssen umprogrammiert werden

Einfacher als im Baugewerbe verhält sich die Sache da im Einzelhandel oder in der Gastronomie: Hier muss im Prinzip lediglich die Kasse umprogrammiert werden, damit der korrekte Steuersatz angegeben wird.

Die Händler können die Ersparnis direkt an den Kunden weitergeben – müssen aber nicht. Das Modehaus Streit in Ettlingen hat sich dafür entschieden, genauso wie das Brillengeschäft von Apollo-Optik.

Wenn ein Brillengestell 100 Euro und die Brillengläser rund 200 Euro kosten, liege die Ersparnis ungefähr zwischen sieben und neun Euro, rechnet Alessandro Dima, Filialleiter von Apollo-Optik, vor (Berechnung siehe Infokasten). „Bei vierstelligen Beträgen rechnet es sich dann schon mehr“, sagt er.

Modegeschäfte arbeiten ohnehin mit Rabatten

Im Modehaus Streit werde man die Mehrwertsteuersenkung für die Ware, die ab Juli eintrifft, an die Kunden weitergeben, erklärt Inhaberin Charlotte Ochs. „Auf die Sommermode, die wir aktuell hier haben, gibt es eh schon Rabatte.“

So wie das Modehaus Streit werden wohl die meisten Einzelhändler verfahren, berichtet der Chef der Ettlinger Werbegemeinschaft, Christian Rissel, von Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen. Er sagt aber auch: „So intensiv habe ich mich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt. Wie genau das umgesetzt wird, kann ich nicht sagen.“

Keine Nachfragen von Kunden

Dass auch viele Kunden sich mit dem Thema noch nicht so intensiv auseinandergesetzt haben, berichten andere Einzelhändler. „Ich wurde noch nie danach gefragt“, sagt Bahareh Ghadiri vom Modegeschäft Spatz.

Vermutlich hätten die meisten die Änderung zum 1. Juli noch gar nicht registriert. Charlotte Ochs vom Modehaus Streit bestätigt das: „Ich wurde noch kein einziges Mal darauf angesprochen.“

Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 soll die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent abgesenkt werden, der ermäßigte Steuersatz von sieben auf fünf Prozent. Der Bundestag muss die Absenkung noch verabschieden, auch der Bundesrat soll noch grünes Licht geben. Tatsächlich an Kunden weitergegeben werden können von der Steuersenkung rund 2,5 Prozent Ersparnis, beziehungsweise 1,9 Prozent im ermäßigten Satz, etwa für Lebensmittel. Ein Beispiel: Der alte Preis liegt bei 119 Euro inklusive 19 Euro Mehrwertsteuer. Der neue Preis (ab Juli) liegt bei 116 Euro, der Unterschied beträgt drei Euro, was 2,5 Prozent Ersparnis entspricht. Für die Gastronomie gilt zusätzlich, dass für Speisen der Mehrwertsteuersatz von 19 auf sieben Prozent gesenkt wird. Die Regelung soll vom 1. Juli bis 30. Juni 2021 gelten. Bis 31. Dezember gilt der ermäßigte Steuersatz von fünf Prozent.

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