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Flug zum Höhenort Schluttenbach

Weite Anreise: Der Storch riecht, wenn der Heubauer in Ettlingen loslegt

Dutzende Störche kommen zum Heuwenden in Ettlingen-Schluttenbach, wie kann das sein? Storchen-Experte Stefan Eisenbarth kennt des Rätsels Lösung, wie Adebar den „gedeckten Tisch“ findet.

Störche auf abgemähter Wiese
Von 42 Störchen wird in Schluttenbach alles „abgeklappert“: Die Langschnäbel flogen in großer Zahl Wiesenflächen am Rand des Höhenort an. Wodurch diese angelockt wurden, war bislang ein Rätsel für so manchen Bürger, der das Schauspiel verfolgte. Foto: Bert Zechiel

So was haben wir noch nicht gesehen in Schluttenbach.“ Der Schluttenbacher Bert Zechiel wurde vom befreundeten Nachbarn Matthias Günter herbeigerufen, um Fotos zu machen, da das Storchen-Aufkommen ihn stutzen ließ, als er sein Heu wendete.

Sage und schreibe 42 Exemplare habe er dann gezählt, die sich vor Ort eingefunden hatten, so Zechiel. „Wir haben keine Feuchtwiesen und nichts. Auch kein Storchennest in der Umgebung. Von wo und wie kommen die plötzlich hierher?“

Für Bürger ist die Storchen-Horde ein Rätsel

„Die sind nebenher gerannt, während er auf der Wiese mit dem Traktor fuhr“, beschreibt Zechiel die Szene im Gewann Am Deich nahe am Waldrand in Richtung Ettlingen. Er wohne seit Jahrzehnten im Dorf, einen Storch habe er hier noch nicht gesehen.

Der Heubauer Matthias Günter hat schon mal Besuch bei der Arbeit bekommen, erzählt er im BNN-Gespräch. „Vor zwei Jahren waren mal 21 Störche da.“ Die kämen angeflogen und „holen sich Grashüpfer und so“. Die Störche hätten keine Angst. „Die gehen aber aus dem Weg, sind gut erzogen.“ Steige er vom Traktor, hauen sie ab.

Störche folgen Traktor
Von Heu- und Grasduft angelockt: Dutzende Störche flankierten das Heuwenden von Matthias Günter, um Beute zu machen. Foto: Bert Zechiel

Am vergangenen Sonntag hätten zunächst zwei seine Wiese angeflogen, dann drei, dann immer mehr – bis es am Ende über 40 waren. Fast so, als sei ein Lockruf erfolgt. Bert Zechiel vermutet, dass es vielleicht daran liegen könnte, dass es immer weniger Feuchtwiesen gibt und die Tiere auf Nahrungssuche weite Strecken in Kauf nehmen.

Der Storchen-Experte muss her

Hier kann wohl nur ein ausgewiesener Storchen-Experte Licht ins Dunkel bringen. Ein solcher ist Stefan Eisenbarth. Er ist nicht nur Mitarbeiter des Stadtbetriebs Rheinstetten, sondern ehrenamtlich für die Storchenpopulation zwischen Iffezheim im Kreis Rastatt und Karlsruhe-Knielingen zuständig. In diesem Gebiet ist der Adebar in der Regel zuhause und dort gibt es die Nester.

Eisenbarth zählt neun Horste allein im Teil-Kreisgebiet Karlsruhe, wie etwa in Rheinstetten-Neuburgweier. Auch einen Nest etwas weiter vom Rhein weg in Malsch hat sich etabliert. Insgesamt betreut er als Weißstorchenbetreuer rund 60 Horste im Landkreis Rastatt, Stadtkreis Baden-Baden und Karlsruhe.

Forschungen belegen Geruchssinn

Doch wie versammeln sich Störche zu Dutzenden beim Höhenort Schluttenbach, um dann generalstabsmäßig alles abzuklappern? Eisenbarth hat eine verblüffende Antwort parat. „Die riechen das.“ Dass Matthias Günter jetzt gerade Heu macht? Ja. Eisenbarth verweist auf eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts in Radolfzell. Verhaltensbiologe Martin Wikelski und sein Team haben erforscht, wie Störche auf frisch gemähte Wiesen aufmerksam werden. Die Ergebnisse der Forschungen wurden unter anderem im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht.

Duftmoleküle bringen die Tiere auf die richtige Spur

Den Weg zur Wiese fanden dabei immer nur die Störche, die sich windabwärts aufhielten, wurde per Befliegung und Besenderung festgestellt. Sie hoben frühestens dann ab, wenn die Duftmoleküle aus dem Gras bei ihnen angelangt waren. Tests mit ausgebrachtem Grasgeruch auf ungemähten Wiesen bestätigten die These: Die Störche flogen herbei. Dadurch war auch klar, dass die Tiere nicht, wie zuvor gedacht, vielleicht durch kreisende Greifvögel auf Beutefang oder durch das Geräusch von Traktoren angelockt werden.

Wir haben keine Feuchtwiesen. Auch kein Nest in der Umgebung.
Bernd Zechiel, Schluttenbacher Bürger

„Sie riechen das aus zig Kilometern. Störche können auch aus 20 oder 25 Kilometern Entfernung kommen“, so Stefan Eisenbarth zur noch jungen Studie. Innerhalb einer halben Stunde oder früher könnten die Langschnäbel auf der anvisierten Wiese sein.

Bisher habe man gedacht, dass der Storch nicht oder kaum riechen kann. In Kuppenheim habe er zuletzt auch 24 Störche während des Abmähens einer Wiese beobachtet. „Da fliehen ja unglaublich viele Insekten und Tiere wie Mäuse.“

Der Storch werde nach wie vor mit Fröschen in Feuchtgebieten in Verbindung gebracht. „Er frisst aber im Prinzip alles“, bis hin zu Aas, weiß der Experte. In hohe Wiesen gehe Adebar ohnehin ungern. Da könne der Fuchs, einer der wenigen Fressfeinde, warten.

Bekotete Beine in Hitzeperioden

Aktuell seien schon erste Jungstörche bei den nahrungssuchenden Trupps dabei, erkennbar am dunklen Schnabel. Die Hitze erschwere mitunter Eisenbarths Forschungsarbeit auf besondere Weise. Er beringt auch Störche und schaut dann, wo sie unterwegs sind. Nun sei es aber so, dass Adebar „Körperregionen durch bekotete Beine reguliert“. So sei die Beringung trotz Einsatz von Kamera-Zoom und Spektiv schwer erkennbar. Und aktuell sehe man vermehrt Störche mit weißen Beinen.

Zuweilen höre er auch warnende Stimmen nach dem Motto „Wie viele Störche wollen wir denn noch?“ Bisher habe jedoch keine Art – außer dem Menschen – eine andere ausgerottet, betont Stefan Eisenbarth. Würde beispielsweise die Landwirtschaft angesichts der Ukraine-Krise ausgeweitet und Wiesenfläche umgewandelt, sinke das Nahrungsangebot für die Störche und somit die Population.

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