Nach wie vor gebräuchlich und insbesondere in Langensteinbach für die Auerbacher Nachbarn gepflegt wird der Utzname „Russe“. Nach der Anekdote soll er von dem kalten Wind aus dem Tal Richtung Nöttingen herrühren, der oft durch Auerbach zieht und sich in Richtung Langensteinbach fortsetzt.
So nannte man in Langensteinbach in früheren Generationen die kalte Luft aus Osten den „Russenwind“ aus Auerbach. Wer in der Pforzheimer Straße wohnte, die Richtung Auerbach führt, der lebte in der kalten „Ukraine“, die wiederum bekanntlich vor Russland liegt.
Der Auerbacher Historiker Horst Sommer hat in den Archiven gestöbert und dabei allerdings historische Ereignisse als Hintergrund für den Spitzname entdeckt. Sommer verweist auf den sogenannten polnischen Thronfolgekrieg (1733-35) als sich Russland mit dem deutschen Kaiserreich verbündete. Entlang der Rheingrenze seien dort russische Truppen gegen die Franzosen stationiert gewesen. Eine Einheit war in Auerbach untergebracht. Man hatte zu der Bevölkerung ein gutes Verhältnis.
„Kugelbax“ ist vor allem in der Fastnacht gebräuchlich
Die Russen kauften hier Schlachtvieh, Ackerfrüchte und Futter für die Pferde. Eine russisch sprechende Mutschelbacherin kam regelmäßig für die Abrechnungen nach Auerbach, so die Recherche von Sommer. Auch nach der Niederlage Österreichs (Tiroler Aufstand) 1809 gegen Napoleon, auf dessen Seite jetzt Baden stand, musste die recht arme Gemeinde Auerbach wieder russische Soldaten über einige Wochen beherbergen, jetzt allerdings als Gefangene.
Diese hatten die Österreicher unterstützt. Auerbach durfte dem zuständigen Oberamt Pforzheim sogar Kriegskosten in Rechnung stellen. Horst Sommer erkennt darin eine Möglichkeit, wie Auerbach zu seinem Spitznamen „Russe“ kam.
Insbesondere in der Auerbacher Fasnacht gebräuchlich ist der zweite Spitzname, „Kugelbax“. Bei den Prunksitzungen der Fastnachtsgemeinschaft Auerbach ertönt „Kugelbax“ quasi als Schlachtruf, regelmäßig von der der Bühne. Zur Entstehung dieses zweiten Spitznamens ist folgende Geschichte überliefert: Ein Auerbacher verkaufte in Durlach einst gesammelte Kleinspanbündel zum Anzünden der Öfen, ehemals eine gute Verdienstmöglichkeit für arme Leute.
Nach einiger Zeit bekam er großen Hunger, was seine Kunden bemerkten. Auf die Frage, was er am liebsten essen möchte, sagte der schwer sprachgestörte junge Mann: „Kugelbackse“ und meinte damit gebackene Kugeln, auf gut badisch, Dampfnudeln. So wurde nach der Anekdote der heutige Begriff „Kugelbax“ geboren.
Spitzname lebt in „Russe-Gugge“ auf
„Für mich ist Kugelbax der wirkliche Auerbacher Neckname. Von Russen sprachen immer nur die Langensteinbacher wegen des kalten Ostwindes aus Richtung Auerbach an ihrer Pforzheimer Straße“, meint der mittlerweile 85-jährige Besitzer und Betreiber der ehemaligen Auerbacher Kultgaststätte „Zum Strauß“, Heini Bender: Der Ostwind sei bekanntlich immer kalt, egal wo er herkomme, meint Bender.
Der Begriff Russe wird seit vielen Jahren durch den schrägen Klangkörper der Auerbacher Fasnacht, den seit 2008 eigenständigen „Russe-Gugge“ zelebriert. Dies laut ihrer Leiterin Nadja Holthausen in coronafreien Jahren bei über 20 Faschingsveranstaltungen pro Saison. „Wenn wir im Elsass bei Umzügen spielen, hören wir oft, „jetzt kommen die Russen“. Helmut Kunz, gebürtiger Stupfericher und langjähriger Ortsvorsteher Auerbachs, erzählt gerne, wie seine Kumpels witzelten, „jetzt geht er zu den Russen“, als er im Jahre 1972 der Liebe wegen nach Auerbach zog.
Zur Serie
Moggel, Besenbinder, Ofenröhrle oder Dohlenaze: Für die Bewohner der Orts- und Stadtteile in Ettlingen und Umgebung gibt es zahlreiche Spitznamen. Außenstehenden oder Zugezogenen geben sie oft Rätsel auf. Woher sie kommen, erklärt die BNN-Redaktion Ettlingen in einer losen Serie.