
Fritz Rau (1930–2013), ein gebürtiger Ittersbacher, war mit seiner Firma Lippmann+Rau einer der bekanntesten und bedeutendsten Konzert- und Tourneeveranstalter Deutschlands.
Er holte jahrzehntelang die Weltelite des Jazz, Blues, Rock und Pop aus den USA und Großbritannien nach Deutschland und promotete deutsche Musiker wie Peter Maffay, Udo Lindenberg oder Peter Alexander.
Die Liste seiner Künstler liest sich wie ein modernes Musiklexikon, in dem die jeweils besten Leute der jeweiligen Sparte verzeichnet sind. Bereits 1960 betreute Rau Legenden wie Ella Fitzgerald, Duke Ellington und Marlene Dietrich auf ihren musikalischen Tourneen in Europa. Später dann Musikgrößen wie Ray Charles, B.B. King, Jimi Hendrix, Bob Dylan, Abba, Johny Cash und die Rolling Stones.
Unter dem Namen von Kathrin Brigl, Songtexterin, Fernseh- und Radiomoderatorin, und Siegfried Schmidt-Joos, Herausgeber des Rocklexikons, ist jetzt beim Verlag Andreas Reiffer unter dem Titel „Rock ‘n‘ Rau – Wie der Konzertveranstalter Fritz Rau zum Buchhalter der Träume wurde“ eine spannende Lebensgeschichte über Fritz Rau, vom Ittersbacher Dorfbuben zum bedeutendsten Konzertveranstalter Europas, erschienen.
Mick Jagger gratulierte Fritz Rau jedes Jahr persönlich zum Geburtstag
Das Interessante dabei: Das Werk ist ein „vergessenes Buch“. Es war 1986 kurz auf dem Markt, wurde aber nach dem Verkauf des damaligen Verlags trotz Nachfrage nicht mehr gedruckt. Jahrzehntelang lag das Manuskript aus mehr als 50 Stunden Tonband-Interviews mit Fritz Rau in den Schubladen. Dabei geht es nicht etwa um eine Geschichte der Popmusik.
Vielmehr ging es Fritz Rau, der die beiden Autoren 1983 nach einem Konzert der Rolling Stones auf der Waldbühne angesprochen hatte, um seine persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen weit über den Beruf und die Musik hinaus. Gedanken zum Zeitgeschehen sollten einfließen, zur Politik, zum Showbusiness.
Daraus entstanden ist eine Romanfigur: Fritz Rau, der Jurist mit Prädikatsexamen, der Mann im fleckigen Hemd mit den ausgebeulten Hosen, der mit Millionen jongliert, der mit seinen Konzerten riesige Hallen und Stadien füllt, dem Mick Jagger jedes Jahr persönlich zum Geburtstag gratulierte.
Lohnenswert für Menschen aus dem Albtal und Umgebung sind die Geschichten, die Rau über seine aus Linkenheim stammende Mutter und den Vater, der zeitweilig Bürgermeister in Ittersbach ist, erzählt. Beispielsweise auch von der „Dorfhexe“, die prophezeit, dass aus dem kleinen Jungen ein „Buchhalter“ werde, gleichwohl die ehrgeizige Mutter darauf besteht, dass ihr Sohn einmal studieren werde. Nebenbei erfährt man, dass er ein uneheliches Kind ist.
Buch erzählt die Geschichte vom Dorfjungen nach ganz oben
Wie es ein Dorfjunge dennoch ganz nach oben schafft, obwohl er mit zehn Jahren durch Tod schon beide Elternteile verloren hat und dann vom im Berlin lebenden älteren Stiefruder aufgezogen wird, bevor er 1943 wegen der Bombenangriffe auf die Reichshauptstadt wieder an die Alb und zwar nach Langensteinbach und Busenbach zurückkehrt, ist für heimische Leser eine ebenso spannende Facette wie seine Erlebnisse als Schüler des Ettlinger Gymnasiums.
Dort will er Ende der 1940er Jahre das erste Schülerparlament im Land Württemberg-Baden gegründet haben. Apropos Busenbach: Die Familie des legendären Swingmusikers Fred Rabold kümmert sich liebevoll um den Waisen, was nicht zuletzt seine Leidenschaft für den Jazz befeuert haben dürfte.
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Für jene, die nicht so sehr alte lokale Erlebnisse aus dem Albtal lesen wollen, bietet das Buch nach den ersten 60 Seiten auf weiteren 320 tiefe Einblicke wie Jazz sowie insbesondere Rock und Blues, die auch dank eines Fritz Rau Europas Kultur eroberten.
Nicht zuletzt gibt es für Menschen, die das zwischen den 1960er und 1990er Jahren sich verstärkende linksliberale Milieu verstehen wollen, in der Begegnung Raus mit vielen Weltstars, aber auch Musikern wie Udo Lindenberg oder Ulla Meineke ein Gefühl für den „Wind Of Change“.
Lesung in der Museumsscheune
Apropos Fritz Rau: In den letzten Jahren seines Lebens schaute er ein-, zweimal in seiner alten Heimat vorbei. Am Eichendorff-Gymnasium in Ettlingen referierte er vor Schülern über die Arbeit als Konzertveranstalter, in Ittersbach gab es in der Museumsscheune eine Lesung des legendären Bürgersohns.
Und der frühere Vorsitzende des Heimatvereins Ittersbach, Wolfgang Becher, erinnert sich daran, dass der Impresario nicht nur Ehrenmitglied seines Vereins, sondern sogar einmal Festpräsident beim Jubiläum des Musikvereins war. Aus diesem Anlass ließ Rau als Überraschungsgast nicht ganz rock- oder blueskonform den Schlagersänger Costa Cordalis einfliegen.
Service
„Rock ‘n‘ Rau - Wie der Konzertveranstalter Fritz Rau zum Buchhalter der Träume wurde“ von Kathrin Brigl & Siegfried Schmidt-Joos, 397 Seiten, 1. Auflage 2022, Verlag Andreas Reiffer, ISBN 978-3-910335-30-1, vier Euro.