In einem kleinen Büro im vierten Stock des SRH-Klinikums in Karlsbad-Langensteinbach tauscht Berenike Felger die Stoffhose gegen einen knöchellangen, zartrosa geblümten Rock, die schwarzen Schuhe gegen weiße Gummistiefel und den Schmuck um den Hals gegen eine kleine Lichterkette. Die FFP2-Maske, die sie trägt, ist an der Spitze rot angemalt, auf dem Kopf hat die 46-Jährige eine übergroße Schleife.
Sie verwandelt sich gerade in ihr Clowns-Ich Camilla, als das sie einmal die Woche auf der Station für Querschnittslähmungen (Paraplegiologie) unterwegs ist, um die Patienten zu erheitern.
Weil das zu zweit viel einfacher ist, hat sie ihre 60-jährige Kollegin Doris Batzler, alias „Rosa Bobbele“ dabei, mit weißer Pelzmütze auf dem Kopf, einer roten Clownsnase auf der FFP2-Maske und einigen Requisiten für Zaubertricks im Gepäck.
Von der Zirkusausbildung zum Klinikclown
Felger und Batzler sind eigentlich Theater-Schauspielerinnen, die eine hat eine Zirkusausbildung in Berlin angefangen, die andere eine Schauspielschule in Paris besucht. Als Clowns sind sie seit 2004 im Krankenhaus in Karlsbad-Langensteinbach unterwegs. Anfangs für die Organisation Rote Nasen, seit einigen Jahren für die Stiftung „Humor hilft heilen“ von Eckhart von Hirschhausen.
Wegen Corona hatten sie dieses Jahr eine lange Zwangspause von März bis Oktober. Erst seit November dürfen sie wieder zu den Patienten aufs Zimmer. Wöchentliche Corona-Schnelltests und das Tragen einer FFP2-Maske sind Voraussetzung, Berührungen und Singen sind wegen der Ansteckungsgefahr Tabu.
Außerdem dürfen sie aktuell nur eine einzige Station bespielen. Trotz der Einschränkungen sind die beiden froh, dass sie wieder kommen dürfen – auch weil ihnen durch den Lockdown im Kulturbereich sämtliche anderen Aktivitäten und Einnahmen weggebrochen sind.
Wir begegnen Menschen, die gerade einen tiefen Einschnitt erlebt haben.Doris Batzler, Klinikclown in Karlsbad
Viele Patienten auf der „Para“, wie die Querschnittsgelähmten-Station umgangssprachlich genannt wird, kennen sie gut, denn die meisten liegen hier Wochen, oft sogar Monate. Der 15-jährige Ben etwa, mit dem Felgers Clowns-Ich Camilla imaginär Fußball spielt, oder die drei älteren Frauen, die zusammen in einem Zimmer untergebracht sind, die Batzler häufiger nach Kuchenrezepten fragt.
Nicht alle Patienten sind in der Stimmung für Clowns. „Wir begegnen Menschen, die gerade einen tiefen Einschnitt erlebt haben“, erklärt Batzler. Vor ihrer Tour sprechen die beiden sich daher mit Pflegern und Ärzten ab, wer gut drauf ist und wer nicht. Zusätzlich fragen sie an jeder Tür nochmal nach, ob sie reinkommen dürfen.
Selbst voll tätowierten Männern kommen die Tränen
Jeder Patient sei individuell und damit auch das Programm. „Das spannende an dieser Arbeit ist, dass man jedes Zimmer neu erfinden muss“, sagt Batzler. „Manche wollen laut sein, andere was Besinnliches“, ergänzt Felger. Je nachdem wie sie die Stimmung im Raum wahrnehmen, turnen die beiden herum, machen Späße oder lesen eine Geschichte vor.
Manchmal sind sie selbst überrascht, welche Wirkung ihr Auftreten hat. „Da gibt es voll tätowierte Jungs, bei denen man denkt, die brauchen wirklich keine Frau mit einer roten Nase, und trotzdem geht denen so das Herz auf, dass sie das Heulen anfangen“, sagt Felger. „Das berührt uns dann schon sehr.“
Zaubertricks, Musik und Witze
Am Tag vor Heiligabend stimmt Felger auf ihrer kleinen Geige, die sie immer dabei hat, „O Tannenbaum“ an. Kollegin Batzler erzählt das Märchen von Rotkäppchen und verwandelt ihre Handpuppe dabei von einer Sekunde auf die andere vom Mädchen in einen Wolf, bei einem anderen Patienten reißt sie einen Blondinenwitz. Nicht nur den Erkrankten, sondern auch den Ärzten und Pflegern zaubern die beiden ulkigen Figuren ein Lächeln ins Gesicht.
Es ist das letzte Mal in diesem Jahr, dass „Camilla“ und „Rosa Bobbele“ auf der Para unterwegs sind. Am 31. Dezember kommen aber nochmal zwei Clown-Kollegen. Sechs sind es, die aktuell abwechselnd das SRH-Klinikum bespielen – trotz des Lockdowns und zur Freude der Erkrankten und des Personals.