Das Geräusch von Luft, die aus einem Fahrradreifen entweicht, markiert das Ende seiner Reise: Als Dietmar Rothfuß nach seiner 4.850 Kilometer langen Tour durch Südamerika im argentinischen San Miguel de Tucumán vom Rad steigt, schraubt er erst mal das Ventil auf.
Das hat er sich bei seinem englischen Freund Wayne abgeschaut, den er auf der Reise kennenlernt und der ihn sechs Wochen lang begleitet.Fast vier Monate lang war Rothfuß in Chile und Argentinien unterwegs. Bis auf einen Flug und eine 150 Kilometer lange Fahrt mit einem Lkw hat er die gesamte Strecke mit seinem Fahrrad zurückgelegt.
Durch die saftig grüne und zugleich schroffe Landschaft Patagoniens über verschneite Gipfel in den Anden bis in die trockene Atacama-Wüste im Norden Chiles.
Spendenziel wurde weit übertroffen
Nicht alles lief nach Plan. Die Andenüberquerung über den Paso de Jama von Chile nach Argentinien scheiterte an den extremen Wetterbedingungen und dem Mangel an Wasser, in Bolivien wurde Rothfuß wegen der Covid-Vorgaben die Einreise verwehrt.
Der 60-Jährige aus Karlsbad blieb gelassen. „Wer es eilig hat, kommt nie an“, sagt man in Patagonien – das Motto nahm sich Rothfuß zu Herzen.
Seit Anfang Juni ist der Familienvater und stolze Opa wieder in Deutschland. Mitgebracht hat er eine saftige Spendensumme, die er auf seiner Reise gesammelt hat.
4.850 Euro sind auf dem Konto eingegangen, das Rothfuß für Kinder in der Ukraine eingerichtet hatte – ein Euro für jeden geradelten Kilometer. „Das ist Zufall“, sagt Rothfuß und lacht. Ursprünglich hatte er mal 2.500 Euro als Spendenziel angepeilt, am Ende kam fast doppelt so viel raus.
40 Kinder aus der Ukraine und anderen Ländern werden im Lernfreundehaus betreut
Das gesammelte Geld hat Rothfuß nochmal auf 7.000 Euro aufgestockt. Von der Spende profitiert das 2010 gegründete Karlsruher Kinderhilfswerk Uneson (United Social Network), das sich zum Ziel gesetzt hat, Kinder und Jugendliche aus aller Welt durch kreative Projekte zusammenzubringen.
Seit 2015 kümmert sich die am Karlsruher Institut für Technologie (Campus Ost) angesiedelte Organisation besonders um Flüchtlingskinder, seit diesem Frühjahr vor allem um Jungs und Mädchen aus der Ukraine.
Im „Lernfreundehaus“ werden laut Uneson-Geschäftsführerin Jasmin Sahin zurzeit über 40 Kinder zwischen sechs und 16 Jahren aus der Ukraine und aus der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge betreut. Auch eine ukrainische Psychologin ist im Einsatz
In der „Glücksrad“-Werkstatt werden alte Fahrräder auf Vordermann gebracht
„Ich wollte was Regionales und was, das zum Thema passt“, erklärt Rothfuß, wie er auf das Kinderhilfswerk kam. Sein Thema, das Radfahren, spielt auch bei Uneson eine Rolle.
In der „Glücksrad“-Werkstatt werden gespendete Fahrräder auf Vordermann gebracht und an Kinder und Erwachsene verschenkt. „Über 70 stehen auf der Warteliste“, erzählt Jasmin Sahin.
Ich wünsche mir, dass die Kinder die Welt auf dem Rad so erleben, wie ich sie erlebt habe.Dietmar Rothfuß, Radabenteurer aus Karlsbad
„Ich wünsche mir, dass diese Kinder in ihrem Leben einmal die Möglichkeit haben, die Welt auf dem Rad so zu erleben, wie ich sie erlebt habe“, sagt Rothfuß. „Friedlich, bunt, multikulturell, intakt, gastfreundlich und herzlich.“
Zwischen 120 und 140 Menschen engagieren sich laut Jasmin Sahin bei Uneson. In der Werkstatt machen sechs Ehrenamtliche gebrauchte Fahrräder wieder verkehrstauglich. „Hier können wir noch Unterstützung gebrauchen.“
Für weitere Informationen
Wer Fahrräder benötigt, kann sich per E-Mail melden an info@uneson.org. Weitere Infos zum Kinderhilfswerk gibt’s online unter www.uneson.org, mehr zur Dietmar Rothfuß’ Reise in seinem Blog unter https://opabybike22.tumblr.com/