Gemeinschaftsgärten und Mehrgenerationen-Wohnprojekte : Von diesen modernen Konzepten für das Zusammenleben hat wohl jeder schon mal gehört - allerdings vermutlich eher im städtischen als im ländlichen Kontext. Weil sie selbst auf dem Dorf aufgewachsen ist und weiß, dass Wohnraummangel auch dort ein Thema ist, hat Anna Rieger diese Konzepte in ihrer Masterarbeit auf den Malscher Ortsteil Waldprechtsweier angewandt.
Für die Arbeit bekam die 27-Jährige von der Fakultät für Architektur am Karlsruher Institut für Technologie eine glatte Eins. Im Malscher Gemeinderat, wo Rieger ihr Konzept vorstellte, betonte man die Grenzen des Möglichen. Viele sahen die Vorschläge aber als Anstoß für ein Umdenken, das notwendig ist.
Malsch muss wachsen
Die Frage „Wie groß soll Malsch werden?“ beschäftigt die Gemeinderäte und die Verwaltung schon länger. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Plätze in den Neubaugebieten sind verkauft, die Anzahl der Baugesuche auf der Warteliste, die dem Bauamtsleiter Klaus Litzow vorliegt, ist dreistellig. „Der Baudruck ist groß“, sagt Litzo. Sie ergänzt: „Malsch hat mit 15.000 Einwohnern einen kritischen Punkt erreicht.“
Malsch liegt im Speckgürtel der Technologieregion Karlsruhe.Anna Rieger
Dass sich Anna Rieger ausgerechnet Waldprechtsweier als Testfläche für ihre Masterarbeit ausgesucht hat, hat mehrere Gründe. Zum einen den wachsenden Bedarf nach Wohnraum: „Malsch liegt im Speckgürtel der Technologieregion Karlsruhe“, erklärt die 27-Jährige. Sie selbst ist im Gaggenauer Stadtteil Michelbach aufgewachsen. Für Rieger ist die beste Lösung für den Wohnraummangel die Nachverdichtung.
„Wachstum nach außen ist nicht mehr nötig, da es genügend Nachverdichtungspotenziale in der Ortsmitte gibt“, sagt sie. In Waldprechtsweier lebten besonders viele und gerade ältere Menschen alleine auf großen Grundstücken, meist im klassischen Einfamilienhaus. „In Deutschland zählt ein Haushalt im Schnitt zwei Personen, in Waldprechtsweier sind es nur 1,5.“
"Auszugshäuser" für Senioren
So viel ungenutzte Fläche könne man besser verwenden, findet Rieger – ohne dass die Senioren das Gefühl haben müssen, dass man ihnen etwas wegnimmt. Als eine Möglichkeit schlägt sie vor, auf dem Grundstück der Einfamilienhäuser, die häufig über einen großen Garten verfügen, ein sogenanntes „Auszugshaus“ zu bauen. In dieses kleinere und pflegeleichtere Haus könnte der Senior einziehen, um das große Gebäude etwa einer Familie mit Kindern zu überlassen.
Ein gemeinschaftlich genutzter Garten könnte die Nachbarn zusammenbringen. Der Bewohner des Auszugshauses könnte von kleineren Hilfeleistungen der jüngeren Nachbarn profitieren – sei es nur beim Tragen schwerer Einkaufstüten.
ÖPNV-Verbindung bedarf Verbesserung
Die Talstraße, die den Ortsteil durchzieht, könnte zur Lebensader werden, wo sich die Dorfgemeinschaft trifft, so Rieger. Ein Dorfladen könnte entstehen, eine Tauschbörse und ein Dorfverein, an den sich Bürger mit Anregungen und Fragen wenden können. Auch die ÖPNV-Anbindung müsse dringend verbessert werden , meint die Studentin.
Die Busverbindung hat laut Jochem Bertram, dem Vorsitzenden des Malscher Seniorenrats, auch für ältere Menschen oberste Priorität. Bertram wohnt selbst in Waldprechtsweier und glaubt, dass Riegers Ideen dort Anklang finden könnten – „wenn ein oder zwei mit gutem Beispiel vorangehen.“