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Kritik an Politik und Kirche

Krieg in der Ukraine überschattet Narrenmesse in Ettlingen

Ganz wollen sie sich ihre Freude nicht verderben lassen, doch der Krieg in der Ukraine warf natürlich auch Schatten auf die Narrenmessen der katholischen Seelsorgeeinheit in Ettlingen. Militärdekan Siegfried Weber richtete einen Appell an die Kirche Russlands.

Beim Vaterunser um den Altar: Militärdekan Siegfried Weber (Mitte) feierte mit den Spessarter Ebern und vielen Kostümierten in der Kirche St. Antonius die traditionelle Narrenmesse.
Beim Vaterunser um den Altar: Militärdekan Siegfried Weber (Mitte) feierte mit den Spessarter Ebern und vielen Kostümierten in der Kirche St. Antonius die traditionelle Narrenmesse. Foto: Stefan Lumpp

Fastnacht auf Sparflamme! Das zweite Jahr in Folge müssen die Feierlustigen auf liebgewonnene Traditionen an den närrischen Tagen verzichten. Immerhin öffneten am Fastnachtswochenende die Kirchen ihre Türen – landauf, landab läuteten die Glocken und luden Geschminkte und Kostümierte zu Narrenmessen ein.

So auch in der katholischen Seelsorgeeinheit Ettlingen Land: Pfarrer Roland Merz zelebrierte in Ettlingenweier und Schöllbronn, Militärdekan Siegfried Weber stand in Spessart am Altar.

„Fastnacht ist ein Brauchtum und wir freuen uns, dass wir dies zusammen mit der Kirchengemeinde feiern können“, bemerkte Peter Wilk von den Spessarter Ebern vor der Messe. Jubel, Trubel, Heiterkeit gab es aber nicht durchweg – der Ukraine-Krieg warf seinen Schatten auf die närrische Gemeinde.

„Wenn man die Kriegsbilder sieht ist einem nicht nach Fastnacht zumute“, meinte Besucherin Sophie Keller. Siegfried Weber musste für rund 150 Mitfeiernde in St. Antonius kurzerhand den Ablauf und die Predigt, an der er lange gefeilt hatte, umstrukturieren.

Anstatt heiterem Orgelspiel zum Einzug, hörte man die Europahymne. Neben besinnlichen Momenten gab es lustige Elemente – einen Geistlichen in närrischer Hochform erlebten die Kirchgänger allerdings nicht.

Kritik an Politik und Kirche in Reimform

„Ein neues Virus stellt sich hin, mit der Bezeichnung Wladimir Putin. Entstanden tief in dunkler Nacht, hat es Schrecken uns gebracht – mit Gier und Hass gerade da, frisst sich‘s hinein nach Osteuropa“, sagte er zu Beginn und prangerte mit deutlichen Worten die Politik an, die lange nicht bereit gewesen sei, „dem schlimmen Treiben mit Konsequenz entgegenzuschreiten“.

Er forderte Härte, denn es gehe um Menschenleben, um Würde und Solidarität. In geschliffenen Reimen forderte er Russlands Kirche zum Handeln auf. „Du zeigst dich gern mit Wladimir, dann geh zu ihm sofort und hier und sag ihm seine Christenpflicht, auch wenn er dir dann widerspricht“, verlangte er vom orthodoxen Patriarchen.

Putin wird uns nicht verderben, dass tiefe Freude wir erwerben.
Siegfried Weber, Militärdekan

Weber sprach sich für Gemeinschaft, Freundschaft und in der ernsten Lage auch für Humor aus: „Putin wird uns nicht verderben, dass tiefe Freude wir erwerben. Mit Lachen und auch Heiterkeit, ohn’ Häme und Trübseligkeit.“

So unternahm der Pfarrer einen Streifzug durch die politische Landschaft seit der letzten Fastnacht; im Reim wurde so mancher Spitzenpolitiker auf die Schippe genommen. „Das Regieren war ein Graus, der Wahlkampf wird zum Narrenhaus. Da hat es täglich doch gekracht, das war mehr Mainz wie’s singt und lacht.“

Und auch kirchenkritische Themen blieben nicht außen vor. „In unsrer Kirche in der Tat, ich weiß schon lange keinen Rat. Wie Menschen hier aus voller Macht, derart Schlimmes ham gemacht“, sagte Weber zu den Missbrauchsfällen. „Hier verbietet sich der Spott, auch an Fastnacht oh mein Gott.“

Kinder kommen in Kostümen

Viele Kinder freuten sich, dass es doch noch eine Möglichkeit gab, in die Kostüme zu schlüpfen. Der kleine Lukas kam als weißer Tiger, seine Schwester trug ein Giraffenkostüm.

„Das war ein super Gottesdienst. Man sollte sich die Freude nicht nehmen lassen“, betonte Mama Jessica nach der Messe. Spessarts Ortsvorsteherin Elke Werner erschien mit Teufelshörnern: „Ich will den Teufel austreiben und am besten Putin gleich mit.“

Thorsten Kiefer, Präsident des Carnevalverein Spessarter Eber, blickte auf eine Fastnachtskampagne, die im November normal startete. „Dann hat Omikron alles zerschossen“, bedauerte er.

Am Freitag fand anstatt des Nachtumzuges eine Online-Fastnacht statt. „Der Segen Gottes ist für uns Narren wichtig. Auch wir wollen die Freude, die Gott in die Welt bringen will, mit allen teilen“, fügte Renate Weber hinzu. Ein Beisammensein vor der Kirche mit Getränken, kleinem Imbiss und flotter Musik bildete den Abschluss – fast wie in alten Zeiten.

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